Aktuelle Debatte – Zais: Die Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief, die Löhne steigen − trotzdem fühlen viele Menschen eine Gerechtigkeitslücke
Rede der Abgeordneten Petra Zais zur Aktuellen Debatte zum Thema: "Starke Löhne, starke Wirtschaft, weniger Kinder in Armut"
59. Sitzung des Sächsischen Landtags, 31. August, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ja, die Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordtief und die Löhne steigen. Trotzdem fühlen viele Menschen eine Gerechtigkeitslücke.
Sehr verehrter Kollege Krauß von der CDU. Wir kommen beide aus dem Erzgebirge, sie leben dort, ich bin dort geboren. Es lohnt sich, gerade beim Erzgebirge genauer hinzuschauen. Es stimmt, die Arbeitslosenquote ist in den vergangenen Jahren unter 6 Prozent gesunken. Viele Betroffene sind mittlerweile in Rente gegangen, andere sind abgewandert. Aber jeder 3., der einen Arbeitsplatz hat, arbeitet im Niedriglohnsektor. Das hat Auswirkungen auf das Erzgebirge als Wirtschaftsstandort. Die Abwanderung der unter 25-Jährigen ist hoch. Hier etwas zu tun, wäre tatsächlich wichtig für den Wirtschaftsstandort und aktive Wirtschaftspolitik.
Zwischen Plauen und Görlitz verdienen die Menschen noch immer deutlich weniger als im Bundesdurchschnitt. Trotz einer positiven Entwicklung bei den Gehältern – plus 4,1 Prozent 2015 und plus 3,8 Prozent in 2016 – bleibt eine deutliche Einkommenslücke zum Bundesdurchschnitt.
Ich möchte es gern am Beruf der Altenpflegerin konkret machen. Während eine sächsische Altenpflegerin ein durchschnittliches Bruttogehalt von 1.949 Euro im Monat hat, geht ihre Berufskollegin im Bundesdurchschnitt mit 2.557 Euro nach Hause. Das ist ein beträchtlicher Unterschied. Selbst bei Akademikern beträgt die Lücke bei den Einstiegsgehältern im Vergleich zwischen Sachsen und zum Beispiel Hessen oder Baden-Württemberg 30 Prozent. Wer da von einem zukunftsfesten und attraktiven Standort Sachsen spricht, hat die Zeichen der Zeit mit Blick auf die Fachkräfte nicht verstanden.
Auch wenn die Löhne derzeit steigen, passiert das in Sachsen vor dem Hintergrund eines vergleichsweise niedrigen Lohnniveaus. Wer weit hinten liegt, hat beste Chancen aufzuholen. Denn nach wie vor liegen wir im bundesweiten Vergleich der Nettoeinkommen privater Haushalte an vorletzter Stelle.
Ob das ein Grund ist, sich selbst zu bejubeln, wage ich zu bezweifeln. Nach Berechnungen der Gewerkschaften sind die Löhne für Geringqualifizierte um rund zehn Prozent gestiegen, als der Mindestlohn Gesetz wurde. Sachsen hat hier sehr profitiert. Der Mindestlohn nützt vor allem Beschäftigten in Handel, Gastronomie und Dienstleistungsbranchen. Mit Blick auf den Debattentitel reicht es jedoch nicht, ein Leben ohne Angst vor sozialem Abstieg und Altersarmut zu führen.
Nach den aktuellen Zahlen des Mikrozensus zur Armutsgefährdung in Deutschland sind in Sachsen 17,7 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Auch das gehört zur Wahrheit, die sie verschweigen. Nach den soziodemografischen Merkmalen sind davon 22 Prozent nicht erwerbsfähige Kinder und Jugendliche und fast die Hälfte der Armutsgefährdeten – 47,4 Prozent finden sich in Alleinerziehenden Familien. Das ist nach unserer Auffassung ein Skandal und diese weiter wachsende Schere zwischen Arm und Reich straft die derzeitigen Wohlfühlwahlplakate der CDU Lügen.
Die Gruppe der Alleinerziehenden arbeitet oft in Teilzeit zu geringen Löhnen – und Armut trifft die Kinder am meisten. Von wirklicher Chancengerechtigkeit ist Sachsen nach wie vor weit entfernt. Diese Familien und die Kinder endlich zu unterstützen, ihnen den Rücken zu stärken – das wäre eine gute, eine gerechte Sozialpolitik. Leider wird es das mit der CDU weder im Land noch im Bund geben.
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