Aktuelle Debatte zu innerer Sicherheit und Europa – Günther: In einer Situation, in der sich die westliche Welt zerlegt, brauchen wir Deutschland als stabilen Anker für westliche Werte.

Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD: "Sicherheit im Inneren braucht Sicherheit in Europa"
74. Sitzung des Sächsischen Landtags, 27. Juni, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –  
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren

in einer Situation, in der sich die westliche Welt zerlegt, ein Trump die NATO für obsolet erklärt, Handelskriege anzettelt zwischen Europa und Amerika; wir einen Brexit erleben und innerhalb der Europäischen Union illiberale Demokratien entstehen, brauchen wir Deutschland als stabilen Anker für westliche Werte. Dafür steht auch Ihre Parteifreundin und Bundeskanzlerin dieses Landes, Frau Merkel.

Zu diesen Werten gehört im Übrigen auch, dass man keine Angst vor Menschen als Gruppe schürt, sondern jeden Einzelnen als Individuum ernst nimmt.
Dieses Angst-Schüren vor Gruppen weckt Ängste vor Menschen, die man noch gar nicht kennt, von denen man noch gar nicht weiß, was die eigentlich vorhaben. Es ist genau das Bild, was man braucht, um Grenzen dicht zu machen, weil Menschen kommen.

Das ist genau das Gegenteil von den Werten, auf denen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung fußt. Und genau dafür steht weltweit Frau Merkel ein. Und in dieser Situation werfen Sie ihr Knüppel zwischen die Beine.
Übernehmen Sie Verantwortung und unterlassen Sie das! Das schwächt Deutschland auf der internationalen Bühne bei der Verteidigung unserer Werte.

Nächstes Jahr gedenken wir 30 Jahre Friedliche Revolution. Da erinnere ich mich daran, dass wir damals für offene Grenzen auf die Straße gegangen sind; für einen Rechtsstaat, der das Individuum ernstnimmt. Und ich erinnere mich daran, dass Ihr Rechtsvorgänger, die Block-CDU auf der anderen Seite der Kampf-Linie stand. Ich habe mich damals auf einer Seite gefühlt mit der West-CDU. Und ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass ich mich 30 Jahre später wieder in einer solchen Frontlage befinde. Es ist geradezu absurd, dass ich als Grüner Frau Merkel und West-CDU gegen Sie als Sachsen-CDU verteidigen muss.

Ich bitte Sie herzlich: Kommen Sie wieder in das bundesdeutsche westliche Lager zurück. Ich fordere Sie auf, Herr Kretschmer, Ihre Rolle als nur Wahlkämpfer zu verlassen. Sie sind von diesem Hohen Haus als Ministerpräsident für dieses Land gewählt worden: Da geht es nicht darum, die ganze Zeit nur Wahlkampf für die CDU zu machen. Das Konzept wird nicht aufgehen. Vor allem wenn man ein Pseudo-Thema aufmacht über die vielen, vielen Menschen, die über die Grenze kommen. In den Koalitionsverhandlungen war einmal die Rede davon, mehr als 200.000 Flüchtlinge im Jahr sollten es nicht werden. Wir haben im Moment 68.000 Anträge auf Asyl, sind also weit darunter. Das Problem mit den Abweisungen ist mit der Dublin-Vereinbarung juristisch geregelt; das ist Rechtsstaat, das muss man abarbeiten.

Indem Sie das Thema Flüchtlinge und Asyl immer wieder hochziehen, bestärken Sie nur diejenigen, vor denen Sie Angst haben. Diejenigen, die kein anderes Thema haben, als Angst zu schüren vor Menschen, die in dieses Land kommen.

Kommen Sie Ihrer Aufgabe als Ministerpräsident nach! Lösen Sie die Aufgaben, die wir haben! Da können Sie sich auch gern dem "Heimatschutz" widmen: Wo sind denn Ihre Programme für den Erhalt unserer Kulturlandschaft? Etwa in Görlitz: Stichwort Denkmalakademie. Da sollten junge Leute befähigt werden, unsere Kulturlandschaft, unser baukulturelles Erbe zu erhalten − auch in Kooperation mit jungen Leuten aus Polen und Tschechien. Das ist alles kaputt. Hier könnten Sie sich engagieren. Oder nehmen Sie den Erhalt der Bäume, das Baumschutzgesetz, da kann man etwas tun, wenn es um Heimat geht.
Wenn es um gesellschaftlichen Zusammenhalt geht, müsste man sich um die jungen Menschen aus bildungsfernen Haushalten kümmern, die kaum eine Chance haben, sich wirklich zu integrieren. Genauso wie die, die aus anderen Ländern hierhergekommen sind.
Dann geht es darum, die Menschen zu würdigen, die sich tatsächlich für Integration stark machen. Da würde ich mir von Ihnen würdigende Worte für die Leute wünschen, die sich einsetzen. Nicht immer nur für diejenigen, die Angst haben vor Menschen, die hierher kommen.

Wir haben das Problem, dass wir hier zu wenig Menschen haben.
Wir haben uns in Sachsen ein Stigma ‚erarbeitet‘, dass hier kein weltoffenes Land wäre, wo man herkommen kann, wo man kreativ ist, wo man Unternehmen gründen will. Sie vertreiben genau diese Menschen.
Stellen Sie sich auf die Seite derer, die sich für unsere westlichen Werte, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzen. Da werden wir Grüne Sie als konstruktive Opposition unterstützen.
Aber wenn Sie das Gegenteil tun, werden wir Sie genauso bekämpfen wie damals die Block-CDU.» Alle Infos zum 74./75. Plenum » Alle GRÜNEN Reden