Antrag der AfD: Armutsrisiko Alleinerziehender reduzieren − Zschocke: Antrag geht völlig am Thema vorbei

Rede des Abgeordneten Volkmar Zschocke (GRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD ‚Armutsrisiko Alleinerziehender reduzieren – Unterhaltsvorschussgesetz reformieren‘
42. Sitzung des Sächsischen Landtags, 29. September 2016, TOP 8, Drs. 6/6167

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
ihre Fraktion versucht, sich mit wenig Mühe auf eine Debatte zu setzen, die schon seit Jahren durch GRÜNE und LINKE im Bundestag geführt wird. Wir haben erst letztes Jahr erneut einen Antrag zur Unterstützung Alleinerziehender und besseren Teilhabe ihrer Kinder eingebracht. DIE LINKE einen Antrag im Jahr 2014. Ihre Forderungen haben Null Neuigkeitswert. Sie entsprechen unseren, sind nahezu identisch!
Hinzu kommt, was Sie heute hier fordern, will die Bundesfamilienministerin auf Bundesebene umsetzen. Sie hat Anfang September angekündigt, für die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses einzutreten. Ob es so kommt, werden wir sehen. Wir werden im Bundestag für den Haushalt 2017 eine Aufstockung um 690 Millionen Euro beantragen.
Sie täuschen mit Ihrem Antrag nur Handeln vor, denn für Ihre Forderungen ist der Sächsische Landtag gar nicht zuständig, und das wissen Sie genau. Ihr Einsatz für Alleinerziehende hat klare Grenzen. Sie belassen es beim Unterhaltsvorschuss. Andere wichtige Faktoren, die Alleinerziehenden helfen, Armut zu verhindern, wie Integration in den Arbeitsmarkt oder Verbesserung der Kitabetreuung, spielen für Sie keine Rolle. Will man Alleinerziehende wirklich unterstützen, dann reichen die abgeschriebenen Forderungen nicht aus.
Wir haben diese Woche eine Große Anfrage eingereicht, um mehr über die aktuellen realen Lebenslagen von allein erziehenden Eltern und ihren Kindern hier in Sachsen zu erfahren. Uns ist es wichtig, die vielfältigen Lebenssituationen zu analysieren. Weil wir den Eltern eben nicht die Familienform, in der Sie bitteschön bevorzugt leben sollen, vorschreiben.
Wir wollen bedarfsgerechte, landespolitische Lösungsansätzen, zum Beispiel Unterstützungs- und Beratungsangebote, ausreichend Kita- und Hortplätze als wichtige Voraussetzung für die Berufstätigkeit Alleinerziehender. In einer Besuchergruppe berichtete gestern eine 18-jährige Mutter ohne Abschluss, dass Sie die Abendschule nicht besuchen kann, weil sie keine Kinderbetreuung findet. Es geht aber auch um flexible Arbeitszeiten, damit Alleinerziehende Job und Familie besser unter einen Hut bekommen. Da können öffentliche Arbeitgeber Vorbild sein.
Aber sich mit solchen konkreten lebenspraktischen Problemen von Alleinerziehenden wollen Sie sich gar nicht erst befassen, denn Sie haben ein verlogenes Verhältnis zu Alleinerziehenden. Im Entwurf des Grundsatzprogramms las sich die Position der AfD noch so – Zitat: "Eine staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells Alleinerziehend lehnen wir ab". Im verabschiedeten Grundsatzprogramm haben Sie das aufgeweicht. Nun bekunden Sie, Alleinerziehende vor Armut schützen zu wollen. Das soll Ihr Antrag zeigen. Doch Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Unverheiratete, Geschiedene und Homosexuelle gehören nicht zum bevorzugten Familienbild der AfD und sollen nach Ihrem Willen auch keinen Anspruch auf den gleichen staatlichen Schutz wie die sogenannte traditionelle Familie bekommen. Sie wenden sich – Zitat "entschieden gegen Versuche von Organisationen, Medien und Politik, Einelternfamilien als fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf zu propagieren."
Das klingt ja fast so, als sei der Schritt zum Alleinerziehen eine Art aktuelle Mode. Als sei es nicht notwendig, diese Lebensrealität vieler Kinder auch in Medien und Schule offen zu besprechen. Sie haben ein rückständiges Gesellschaftsbild. Sie schreiben das Familienbild von "Mann, Frau und Kindern" als Norm vor und werten andere Lebensmodelle ab. Dabei müssten Sie wissen, dass heute die Lebensrealität vieler Eltern eine völlig andere ist.
Ihr Antrag ist billig, weil in weiten Passagen abgeschrieben, der Antrag geht am Thema vorbei, weil er zentrale Probleme der Alleinerziehenden völlig beiseite lässt und er versucht ihre grundsätzliche Haltung zu Alleinerziehenden zu kaschieren.
Dabei werden wir sie bestimmt nicht unterstützen!