Antrag Landeskompensationsverordnung – Günther: Wir verpulvern eine Menge Zeit und Energie für das, was man bundesweit einheitlich lösen könnte

Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther zum Antrag der Fraktionen  CDU und SPD:
"Landeskompensationsverordnung schaffe – Flächeninanspruchnahme für die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft minimieren" (Drs 6/6635)
43. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 9. November 2016, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Vorredner haben schon an einigen Stellen sehr zutreffend den Finger in die Wunde gelegt. Das ist der Nachteil für mich als letzter Redner, denn ich muss schauen, dass ich nicht alles wiederhole.
Ich will aber bei etwas ganz Grundsätzlichem beginnen: Das Ganze hatte einen Vorlauf, und es ging eigentlich darum, eine Bundeskompensationsverordnung zu schaffen. Das ist schon der erste Punkt, bei dem ich ein Problem habe, hier zuzustimmen: Ich kann diesen Fatalismus nicht ganz nachvollziehen, warum dieses Thema für immer erledigt sein soll. Vielmehr muss es unser Ziel sein, dass wir eine möglichst bundesweit einheitliche Regelung hinbekommen. Auch wenn es mit dem Bundesrat kompliziert ist, aber so ist es nun einmal in einem föderalen Staat. Ich würde mir einen Antrag wünschen, der die Staatsregierung ermuntert, dort noch einmal voranzugehen. Ich habe gehört, dass sich Sachsen dort eigentlich engagieren wollte.
Warum ist dies auf Bundesebene so wichtig? Die Kompensationsregelungen sind sowohl in verschiedenen Fachrechten zersplittert als auch bundesweit sehr uneinheitlich. Das führt allein schon aus Sicht des lnvestors, des Vorhabenträgers zu einem schlechten Zustand. Er hat wenig Planungs- und Rechtssicherheit. Das macht es für die Behörden nicht leicht. Man hat andererseits im Sinne des Naturschutzes zu denken. Wenn es aber keinen richtigen Rahmen gibt, dann kann ich alles am untersten Level anlegen. Dann ist die Kompensation nicht das, was sie hinsichtlich des Naturschutzgedankens leisten soll.
Wir haben das Problem: Bei den Gerichten bleibt man dann hängen, und auch die haben keine Richtlinien und müssen sich jedes Mal bei Verhandlungen fragen, wie sie damit umgehen. Das heißt, viele Leute haben dadurch ständig Probleme zu lösen. Wir verpulvern eine Menge Zeit und Energie für das, was man bundesweit einheitlich lösen könnte, wenn man untergesetzlich regeln würde, was mit diesen Kompensationen wirklich gemeint ist.
Auch länderübergreifend besteht das Problem, zum Beispiel beim
Stromnetzausbau. Es gibt eine Menge Beispiele, bei denen man merkt, dass man im Klein-Klein einfach nicht weiterkommt.
Gleichzeitig will ich lobend erwähnen: Im Vergleich zum Antrag, den wir letztes Jahr im Ausschuss hatten, stehen hier viele Dinge drin, bei denen wir – oder besser Sie, liebe Koalition – wirklich vorangekommen sind. Das sind zum Beispiel der Ausgleich vorrangig durch Entsiegelung, die Renaturierung von Fließgewässern – das lese ich mit großer Freude – oder die Herstellung möglichst eines Ursprungszustandes. Das alles ist wunderbar.
Aber wir haben auch schon gehört: Vom ortsnahen Ausgleich wegzukommen, ist aus naturschutzfachlicher Sicht kein kluger Weg. Dieses Reduzieren des komplexen Themas Kompensationsmaßnahmen auf Flächenverbrauch in der Landwirtschaft, was auch dieser Antrag so atmet, ist eine deutliche Schieflage, weil dies nicht das ganze Problem abbildet. Es wird immer suggeriert, dass die Landwirtschaft ein Problem hätte, weil sie naturschutzfachliche Ausgleichsmaßnahmen bringen muss.
Erstens kann man auf die Landwirtschaft beim Ausgleich nicht verzichten. Es ist ein riesengroßes Manko: Wir haben das Problem des Artenrückganges – Biodiversität. Dabei wissen wir, dass wir Biotopvernetzung, Trittsteinbiotope brauchen, und die sind nur in der Fläche zu schaffen. Es wäre viel besser, wenn man eine richtige Planung landesweit aufstellen würde, in die man Kompensationsmaßnahmen einfügen könnte. Das fehlt in diesem Antrag. Schon deshalb kann meine Fraktion dem nicht zustimmen.
Nur weil man auf landwirtschaftlichen Flächen eine Maßnahme macht, heißt das nicht immer unmittelbar, dass das für die Landwirtschaft schlecht ist. Wenn ich in einer ausgeräumten Agrarlandschaft Hecken anlege, dann mindert das die Bodenerosion. Der Boden wird besser. Vielleicht habe ich langfristig höhere Erträge, als ich ohne die Hecke hätte, obwohl ich etwas weniger Fläche zur Verfügung habe. Das darf man nicht vergessen; das ist nicht immer eins zu eins zu sehen.
Zu den Zahlen, die wir abgefragt haben. Die Landwirtschaftsfläche in Sachsen ist seit dem Jahr 2000 um 23.000 Hektar zurückgegangen. Das ist dramatisch, und das wollen wir als GRÜNE genauso wenig wie alle anderen hier im Haus. Aber für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen sind es davon nur 1.100 Hektar. Das ist im Vergleich praktisch gar nichts.
Der Hebel, wenn man der Landwirtschaft helfen will, ist eben genau nicht, bei der Kompensationsmaßnahme anzusetzen, sondern bei den Ursachen der Flächenversiegelung. Kompensation soll ja nur einen Eingriff kompensieren, der woanders bereits stattgefunden hat.
Von einem Vorredner habe ich gehört: Ein ganz großer Hebel ist allein der Straßenbau. 6.000 Hektar sind für Verkehrsflächen verschwunden, für Bau- und Gewerbegebiete waren es 10.000 Hektar.
Solche Projekte wie die Ortsumgehung Freiberg, für die man durch den Stadtwald riesige Trassen schlagen will, müssen irgendwo kompensiert werden. Man könnte aber auch auf solch ein Vorhaben verzichten. Oder wenn ich von solchen Vorhaben höre wie dem achtspurigen Ausbau der A4 zwischen Nassen und Dresden, dann sind das Wahnsinnsprojekte. Davon sollten wir uns dauerhaft verabschieden und dann würde das Problem bei der Landwirtschaft auch gar nicht mehr so groß sein.
Wie gesagt, der Flächenverbrauch ist nicht eins zu eins mit den Nachteilen der Landwirtschaft zu sehen. Vor diesem Hintergrund ist mehr für die bundesweite Regelung zu machen, die Probleme Biotopvernetzung, Biotopverbund sind einzubauen und ein etwas anderes Schwergewicht zu legen.
Deshalb kann ich meiner Fraktion nur Stimmenthaltung empfehlen. Ansonsten ist die Koalition dabei gegenüber letztem Jahr einen großen Schritt vorangekommen.

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