Beschwerdestelle Polizei − Lippmann: Fehlerkultur muss gelebt und von der Führungsspitze durchgesetzt werden

Rede des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD zum Thema:  "Polizeiliches Handeln überprüfen, öffentliches Berichtswesen zur Arbeit der unabhängigen zentralen Beschwerdestelle Polizei einrichten"
49. Sitzung des Sächsischen Landtags, 2. Februar, TOP 6, Drs. 6/8111

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,

ein schöner Antrag! Er hätte von den GRÜNEN sein können, nur wäre er dann leider abgelehnt worden. Er hätte auch vom Kollegen Stange sein können, der regelmäßig Kleine Anfragen zur Arbeit der polizeilichen Beschwerdestelle stellt und dem wir zu verdanken haben, über ein paar Informationen zur Arbeit der Stelle zu verfügen. Wäre dann wahrscheinlich trotzdem abgelehnt worden.

Als die Beschwerdestelle vor gut einem Jahr eingerichtet wurde, haben wir das als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Es ist eine ur-grüne Forderung eine unabhängige Anlaufstelle für durch Polizei begangene Grundrechtsverstöße einzurichten. Dass diese Beschwerdestelle nicht unabhängig arbeiten kann und im Ministerium angesiedelt ist, ist ihr größter Geburtsfehler, der nicht durch einen Bericht oder ein Leitbild heilbar ist.

Ein weiterer höchst problematischer Punkt, ist ihre Haltung zur Einrichtung einer solchen Beschwerdestelle. Wir GRÜNEN haben in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf für die Errichtung einer wirklich unabhängigen Polizeikommission eingereicht. Der wurde u.a. mit dem Argument abgelehnt, dass gegen die Polizei ein Generalverdacht ausgesprochen werde. In dieser Logik ist auch die von ihnen initiierte Beschwerdestelle ein Generalverdacht. Und damit das nicht so auffällt, ist sie mit wenig Personal besetzt und in Abhängigkeit vom Innenministerium in ihrer Arbeit.

Die eingerichtete Beschwerdestelle kann auch nicht bemänteln, dass es in der sächsischen Polizei nach wie vor keine Fehlerkultur gibt, die diesen Namen verdient. Es ist allem Anschein nach weitgehend egal, was sächsischen Polizeibedienstete tun – Konsequenzen hat das eher selten.

Das fängt schon damit an, dass in Sachsens Polizei offenbar nach wie vor ehemalige Stasimitarbeiter tätig sind und deren Vita kein Hinderungsgrund ist, sie als Revierleiter einzusetzen. Es geht weiter mit Polizisten, die gemeinsame Sache mit Nazis machen, wie uns kürzlich der Fall Freital offenbarte.

Und es endet nicht mit Polizeiführern, für die das Eingestehen eines Fehlers, nach offenkundig schief gelaufenen Einsätzen ein Fremdwort ist. Und es hört noch nicht mit den gestern diskutierten Versäumnissen auf, die die Expertenkommission im Fall Al-Bakr minutiös aufgelistet hat.

Aus Fehlern kann man lernen. Auch aus Fehlern, die nie hätten passieren dürfen. Dazu muss man Fehler sammeln und systematisch auswerten. Dazu gehören die Fehler, die Bürgerinnen und Bürgern auffallen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen oder weil sie eine Maßnahme der Polizei zu beanstanden haben. Dazu gehören auch die Fehler, die Beamtinnen und Beamten im täglichen Dienst oder auch bei Kolleginnen und Kollegen auffallen.

All dies muss nicht nur im Einzelfall unabhängig bearbeitet und aufgeklärt, sondern auch einer systematischen Analyse unterzogen werden. Eine Beschwerdestelle kann hierzu ein Baustein sein, ein Berichtwesen dazu noch ein Baustein mehr. Aber sie kann eine wirkliche Fehlerkultur nicht ersetzen, sondern nur auf ihr aufbauen. Andernfalls bleibt die Beschwerdestelle nicht nur ein zahnloser Tiger, sondern einer, der schon von Anfang an als Bettvorleger konzeptioniert war.

Eine Fehlerkultur muss gelebt und von der Führungsspitze durchgesetzt werden. Dazu gehört auch, dass das Innenministerium es zulässt und befördert, wenn Polizisten offen eingestehen, einen Fehler gemacht zu haben. Vielfach geht es Menschen, die sich beschweren nämlich genau darum und nicht um einen Willen zur Sanktionierung.

Mein Exkurs zur fehlenden Fehlerkultur macht deutlich, in welches Umfeld die Beschwerdestelle eingebettet ist. Ich habe selbst eine Beschwerde zu den unterlassenen Ermittlungen wegen eines mutmaßlichen Anschlags auf ein alternatives Wohnprojekt eingereicht. Das Verfahren kam man mit dem platten Spruch „formlos, fristlos, fruchtlos“ beschreiben oder anders, man hatte das Gefühl, dass die Beschwerde nach dem Motto „gelesen, gelocht“ abgeheftet wurde. Wer als Bürgerin oder Bürger eine solche Erfahrung macht, überlegt sich, ob er den Weg ein zweites Mal beschreitet.

Alles in allem ist aber auch eine abhängige Beschwerdestelle besser als keine. Und eine Beschwerdestelle, die die Öffentlichkeit regelmäßig über ihre Tätigkeit unterrichtet und sich ein Leitbild gibt, ist besser als eine, die nicht transparent ist. Wir werden dem Antrag daher zustimmen. » Alle Redebeiträge der GRÜNEN-Fraktion » Alle Infos zur 48./49. Landtagssitzung