Claudia Maicher: Mit solchen Breitbandausbauplänen kann die Staatsregierung von Industrie 4.0 nur träumen

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD:
"Sachsen Digital – Digitale Entwicklung und Breitbandversorgung im Freistaat Sachsen voranbringen" (Drs. 6/2012)
21. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 7. Oktober 2015, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
momentan ist die Internetnutzung in Teilen des Landes nur im Schneckentempo möglich. Was gestern noch schnell war, ist heute unbrauchbar für ganz normale Internetnutzung wie Videostreaming, Fotos hochladen, Voice-over-IP-Telefonie. Wir müssen diese Unterversorgung nachhaltig beseitigen.
Vor diesem Hintergrund kann man die Ziele des Antrags nur gut heißen. Auch die GRÜNE Fraktion findet, dass die Haushaltsmittel effizient für "zukünftige Bedarfe" eingesetzt werden müssen.
Die konzeptionelle Untersetzung halten wir für unabdingbar. Auch wir sehen schnelle Datenleitungen als das zentrale Thema. Angesichts dessen halte ich die Stellungnahme von Wirtschaftsminister Martin Dulig doch für sehr ernüchternd.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Sachsen liegt beim Breitbandausbau im bundesweiten Vergleich weit zurück. Nur 47 Prozent der Haushalte können 50 Mbit/s nutzen. Insgesamt haben 30 Prozent nicht einmal 16-MBit/s-Anschlüsse und sind damit unterversorgt. Im ländlichen Raum betrifft das über die Hälfte. Der Netzausbau geht hier viel langsamer voran als im Bundesschnitt.
Die Frage ist, wo der Ausbau auf mindestens 50 MBit/s bis 2018 überhaupt gelingen wird. In der Stellungnahme heißt es, dass neue Förderprogramme des Freistaates auf reges Interesse stoßen, dass sie aber "noch nicht intensiv ausgeschöpft" werden – Was soll das heißen? Dreiviertel der sächsischen Gemeinden nehmen am Förderverfahren teil? Sind das die Bedarfs- und Verfügbarkeitsanalysen? Und dann? Wie läuft die Ausbauförderung an? Was sind die Gründe für eine geringe Nachfrage?
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen,
es scheint, dass das Ziel für 2018 bereits jetzt für einen erheblichen Teil der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in weite Ferne gerückt ist.
Aber selbst wenn wir zu einem guten Teil dahin kämen, fehlt mir die Perspektive, wie es dann weitergeht. Wir wissen, etwa aus der „Breitbandstudie Sachsen 2030“ der TU Dresden von 2013, dass 50 MBit/s sehr bald nach 2018 nicht mehr ausreichen werden. Das ist bereits jetzt ein überholtes Ausbauziel. Es ist so, als würden Straßen so gebaut, dass sie gerade einmal 5 Jahre halten und alles was danach kommt, bleibt abzuwarten.
Beklagen wir also 2019 wieder unterversorgte Gebiete? Machen wir uns dann erst Gedanken über einen weiteren Ausbau und die Kosten oder gibt es heute schon Möglichkeiten, langfristig wirtschaftlicher zu arbeiten?
Sehr verehrter Herr Staatsminister Dulig, wir hoffen, dass Sie vor diesem Szenario nicht die Augen verschließen, nur um sich jetzt kurzfristig auf die Schulter klopfen zu können.
Momentan bauen wir vor allem Kupfer-Brückentechnologien aus, ein absoluter Sparausbau, der aus Sicht der Unternehmen wie der Telekom nachvollziehbar ist, aber volkswirtschaftlich noch einmal anders zu Buche schlagen wird.
Wir wissen genau, dass Kupfer-DSL den zukünftigen Bedarf nicht decken kann. Die Wirtschaft braucht höhere Uploadraten. Mit DSL können sie von Industrie 4.0 nur träumen. Ich verweise auf den 5-Punkte-Plan, in dem Deutscher Bauernverband, Deutscher Landkreistag und der Zentralverband des Deutschen Handwerks gemeinsam dafür eintreten "dass auch in ländlichen Räumen Glasfasernetze rasch und möglichst nah an die Nutzer herangeführt werden".
Diese nächsten Schritte müssen Sie in ihrer Strategie mit kalkulieren, um jetzt nachhaltig fördern zu können.
Ich möchte kurz noch auf den Punkt Forschungs- und Entwicklungskapazitäten im Hard- und Softwarebereich in Sachsen eingehen. Hier ist in der Stellungnahme der Staatsregierung bei Forschung und Entwicklung alles aufgezählt, was mit Einsen und Nullen zu tun hat. Da erhoffen wir uns von dem Bericht der Staatsregierung mehr Klarheit über strategische Ziele. Eine Clusterförderung von oben, ohne klares Konzept, was konkret hängen bleiben soll wenn das Geld später wieder herausgenommen wird, sehen wir kritisch.
Bei den Punkten II und III ist mir fraglich, warum die Koalitionsfraktionen ihre Regierung an etwas erinnert, was seit Monaten angekündigt ist. Der Opposition wird da ja immer der Vorwurf gemacht, dass solche Erinnerungen nicht notwendig seien. Aber wenn es nützt, werden wir uns dem nicht entgegenstellen.
Falsch sind die hier aufgeschriebenen Ansprüche an die Digitalisierungsstrategie jedenfalls nicht, weshalb unsere Fraktion dem Antrag zustimmen wird.