Claudia Maicher: Wir investieren viel Geld in die Lehramtsausbildung, fischen aber bei der Erfolgskontrolle gänzlich im Trüben

Redebeitrag der Abgeordneten Claudia Maicher zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion:
"Evaluierung der Lehramtsausbildung unverzüglich durchführen" (Drs 6/4604)
32. Sitzung des Sächsischen Landtags, 20. April 2016, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die kürzlich aufgekommene Debatte um die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern zeigt: die Frage, wie wir es schaffen dafür zu sorgen, dass in den kommenden Jahren genügend Lehrkräfte in den Klassenzimmern stehen, ist brisant und hochaktuell. Und ganz unbestritten gibt es da berechtigten Grund zur Sorge.
Die Staatsregierung – das hat eine Kleine Anfrage der Kollegin Falken ergeben – prognostiziert für das kommende Schuljahr den Abgang von fast 1300 Lehrerinnen und Lehrern. In einem Jahr sind es schon über 1700.
Bemerkenswert ist, dass in diesem Zusammenhang so wenig über die Lehramtsausbildung gesprochen wird, und wenn, dann geht es meist nur um Zahlen und selten um die Ausbildung an sich.
Die Lehramtsstudienplätze sind in den letzten Jahren stetig ausgeweitet worden. Die Eckpunkte zum Hochschulentwicklungsplan sehen nun 2000 Studienplätze im Lehramt vor und das ist auch dringend nötig. Nur: wie viele dieser Studierenden werden am Ende denn auch wirklich in den sächsischen Klassenzimmern ihre Arbeit tun?
Die bittere Wahrheit ist: Niemand weiß es! Studienabbrecher im Lehramt werden nämlich nirgends erfasst. Wir investieren also viel Geld in die Lehramtsausbildung, fischen aber bei der Erfolgskontrolle gänzlich im Trüben.
Dabei ist in der Ausbildung der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer und beim Übergang in den Beruf noch Luft nach oben. Das ist unschwer zu erkennen, wenn man sich die sächsische Absolventenstudie genauer anschaut. Wohlgemerkt, hier wurden nur Menschen befragt, die das Studium abgeschlossen haben. Aber auch da gibt es besorgniserregende Erkenntnisse.
Die Unzufriedenheit mit der Studienorganisation, der Ausrichtung der Lehre und der fachlichen Betreuung und Beratung war ausgerechnet bei den Lehramtsstudierenden besonders hoch. Das können wir uns in Anbetracht des Lehrermangels nicht weiter leisten!
Nur knapp 40 Prozent konnten ihre Regelstudienzeit überhaupt einhalten und auch die Praktika wurden von gerade einmal 26 Prozent als nützlich für den späteren Berufseinstieg bewertet. Nur 25 Prozent konnten einen Auslandsaufenthalt in das eigene Studium integrieren. Und lediglich 37 Prozent der Lehramtsstudierenden konnten ihrem Studium attestieren, ihnen die nötigen Berufskompetenzen vermittelt zu haben. Führen Sie sich das mal vor Augen: die große Mehrheit fühlt sich nicht gut ausgebildet für ihren Berufsstart in den Schulen.
Und auch nach dem Studium ist der Weg holprig. Nur knapp die Hälfte haben ihr Referendariat in Sachsen absolviert. Wenig überraschend hat dann auch nur die Hälfte der Befragten ihre Erstanstellung als voll ausgebildete Lehrkraft im Freistaat angetreten.
Natürlich schaut die Studie zurück auf die Vergangenheit, aber lassen sie mich da die Gegenfrage stellen: wissen wir, wie es sich heute darstellt? Die Antwort lautet: Nein. Und das hat einen Grund. Die Lehramtsausbildung in Sachsen hat nach wie vor keine grundlegende Untersuchung erfahren. Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD sieht zwar eine Evaluierung der Lehramtsausbildung und der Ausbildungsstrukturen vor, aber diese hat noch immer nicht stattgefunden.
In der Stellungnahme zu unserem Antrag ist nun davon die Rede, dass man in den kommenden Monaten über eine Ausgestaltung einer Evaluierung reden möchte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das dauert schlicht und ergreifend zu lange. Meine Fraktion macht deshalb heute mit dem vorliegenden Antrag Vorschläge für eine umfassende Untersuchung.
Für uns steht fest, dass bei einer Evaluierung die gesamte Ausbildung in den Blick genommen werden muss. Das umfasst natürlich das Studium und die Lehrinhalte selbst. Dazu gehört, ob die Studierbarkeit gegeben ist, besonders wenn das Studium in Teilzeit absolviert wird, was immer normaler wird.
Auch bei der Vereinbarkeit von Studium und Familie sollten wir genauer hinschauen. Die Ausgestaltung der schulpraktischen Übungen müssen wir in den Blick nehmen und dazu gehört ebenso der Aufwand, den die Schulen damit haben.
Aber uns geht es auch um die Rahmenbedingungen des Studiums. Unter welchen Bedingungen arbeiten die Lehrenden, wie viele sind befristet beschäftigt, wie hoch ist die Personalfluktuation? Können die Zentren für Lehrerbildung ihren Koordinationsauftrag auch wirklich erfüllen?
Der Studienerfolg bei den verschiedenen Lehrämtern ist für uns von zentraler Bedeutung. Die Lehramtsausbildung ist in den letzten 10 Jahren mehrmals grundlegend neu geordnet wurden. Hat das Auswirkungen auf den Studienerfolg gehabt?
Bei all dem dürfen wir nicht vergessen, dass wir den kommenden Bedarf an Lehrkräften allein mit vielen Absolventen noch nicht decken. Dazu muss vielmehr sichergestellt sein, dass diese Studierenden letztlich auch in Sachsen verbleiben. Deshalb möchten wir auch die 2. Phase der Lehramtsausbildung in die Evaluierung einbeziehen.
Wie viele Absolventen machen ihr Referendariat tatsächlich in Sachsen und welche Gründe haben diejenigen, die in andere Bundesländer abwandern? Und schließlich müssen wir uns ganz genau anschauen, wie der Übergang in den Lehrerberuf gelingt.
Unser Antrag verfolgt das Ziel, Antworten auf alle diese Fragen zu erhalten. Und die brauchen wir, damit die Ausbildung unserer zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer so gestaltet werden kann, dass jeder und jede von ihnen eine realistische Chance hat, am Ende Lehrerin oder Lehrer zu werden, der oder die in Sachsen ihre berufliche Zukunft sieht und gewappnet ist für diese außerordentlich verantwortungsvolle Tätigkeit.
Ich bitte Sie, stimmen Sie unserem Antrag zu.

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