Debatte Haushaltsgesetz − Schubert: Doppelhaushalt ist weder solide noch transparent. Und er greift dem nächsten Parlament vor

Rede der Abgeordneten Franziska Schubert in der Debatte zum Haushaltsgesetz 2019/2020
Donnerstag, 84. Sitzung des Sächsischen Landtages, 13. Dezember, TOP 13

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Bundesfinanzministerium hat im August 2015 in einer Veröffentlichung „Das System der öffentlichen Haushalte“ formuliert: „Der Haushalt ist transparent und übersichtlich zu gestalten.“ Unter diesem „Haushaltsgrundsatz der Klarheit“ habe ich mir das Haushaltsgesetz angeschaut:
Das Haushaltsgesetz (Drs. 6/13900) umfasst:
1. Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes für die Haushaltsjahre 2019 und 2020
2. Gesamtplan
3. Anlagen zum Haushaltsplan (z.B. Gruppierungsübersicht)
4. Weitere Übersichten (Sonderabgaben, Leistungen an den kommunalen Bereich innerhalb und außerhalb des FAG…)
Ich vertrete die Ansicht, dass das Haushaltsgesetz in Gänze die Entscheidungsgrundlage für das Parlament bildet.
Es begab sich also, dass in der öffentlichen Sachverständigenanhörung am 18.9.2018 zum Entwurf der Staatsregierung zum Doppelhaushalt 2019/20 wurde von zwei Wissenschaftlern darauf hingewiesen wurde, dass der Haushalt nicht ausgeglichen sei; d.h., dass die von der Staatsregierung geplanten Ausgaben höher sind als die Einnahmen.
In der darauffolgenden Ausschusssitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 19.9.2018 erklärte die Staatsregierung, dass die Ausführungen der Wissenschaftler nicht korrekt seien. Am 02.10.2018 korrigierte sich die Staatsregierung dahingehend selbst. Die Fachausschüsse des Landtages wurden am 02.10.2018 vom Finanzminister darüber informiert, dass die Gruppierungsübersicht (Anlage 3 im Haushaltsgesetz) 2019/20 fehlerhaft ist.
Die Gruppierungsübersicht zeigt, wie viel Geld die Staatsregierung für bestimmte Aufgaben über den gesamten Staatsapparat hinweg vorsieht bzw. von welchen Einnahmen sie ausgeht. Da dem Landtag in aller Regel zur Haushaltsbefassung keine aktuelle Haushalts- und Vermögensrechnung vorliegt − also keine aktuellen IST-Zahlen, sind zumindest der Gruppierungsübersicht die Ist-Zahlen aus dem Vorjahr, hier: 2017, zu entnehmen.
Die Gruppierungsübersicht mit den IST-Zahlen aus 2017 ist daher eine wichtige Information für die Abgeordneten über die tatsächlich erfolgten Ausgaben und damit relevant für die Beurteilung des vorliegenden Regierungsentwurfs – sie hat nicht nur informatorischen Charakter, wie das SMF glaubt. Das Finanzministerium vertritt nämlich die Ansicht, dass für das Parlament Punkt 2 bis 4 für den Gesetzesbeschluss nicht notwendig und rein informatorisch seien, wie eine Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir zeigt.
Aus Sicht des SMF ist es kein Problem, dass die Gruppierungsübersicht fehlerhaft in der Drs 6/13900 ist. Da nach Ansicht des SMF die IST-Zahlen aus 2017 nicht für den Gesetzesbeschluss notwendig sind, hat es die Korrektur der fehlerhaften Gruppierungsübersicht nur als Internes Beratungsmaterial verteilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es ist eine große Verantwortung, einen 41,0-Milliarden-Etat freizuschalten. Die umfassende Kenntnis über die richtige Zahlengrundlage ist von entscheidender Bedeutung.
Ich kritisiere weiterhin die undurchsichtige Darstellungsweise der Rücklagen, die in keinster Weise dem Grundsatz der Haushaltsklarheit gerecht wird:
o Es liegen keine aktuellen IST-Zahlen vor zum Bestand der Rücklagen, denn die vorliegende Vermögensrechnung ist von 2016. Auch hier liegen damit dem Parlament für die Entscheidung des DHH 2019/20 wichtige Informationen nicht vor.
o Im Entwurf werden in der Regel die Ist-Zahlen für 2017 ausgewiesen.
o Nur durch echtes Interesse, mit viel Verwirrung, Fleißarbeit und Abgleich kann man sich die Zuführungen und Entnahmen aus 2017 zusammenpuzzeln, aber die Ist-Zahlen aus 2018 kennen wir noch immer nicht, trotzdem der Kassenschluss Mitte November war.
o In der Beschlussempfehlung für den DHH 2019/20 steht nun, dass in 2019 und in 2020 jeweils über eine Milliarde Euro aus den Rücklagen genommen wird (Summe 2,1 Milliarde Euro). Das war im Vorfeld so nicht absehbar. Die IST-Zahlen aus 2017 sind auch hier nicht erfasst.
o Aufgrund des ganzen Hin und Her ist nicht erkennbar, ob ein Fehlbetrag aus den Vorjahren vorliegt oder nicht. Das muss aber nach Sächsischer Haushaltsordnung (SäHO) im Entwurf durch die Staatsregierung ausgewiesen sein. [SäHO 25 (3)]: "Ein Fehlbetrag ist spätestens in den Haushaltsplan für das zweitnächste Haushaltsjahr einzustellen. Er darf durch Einnahmen aus Krediten nur gedeckt werden, soweit die Möglichkeiten einer Kreditaufnahme nicht ausgeschöpft sind."
Das alles erfüllt nicht den Anspruch an eine ordentlich aufbereitete Vorlage, über die entschieden werden kann. Wir werden nicht so unverantwortlich sein, so etwas mitzumachen.
Abgesehen davon sind alle Rücklagen in der Vergangenheit aus konjunkturbedingten Steuermehreinnahmen aufgebaut worden. Mit den jüngsten Beschlüssen zur Reform des Länderfinanzausgleichs werden fixe Einnahmen aus Sonderbedarfs-, Bundesergänzungs- und anderen Zuweisungen durch Steuermehreinnahmen ersetzt. Diese Steuereinnahmen sind konjunkturanfällig. Das heißt, die Konjunkturanfälligkeit des sächsischen Haushalts nimmt insgesamt zu. Insoweit ist die Ausgabendeckung aus der Kassenverstärkungs- und Haushaltsausgleichsrücklage nicht unproblematisch.
Eine Auflösung von Rücklagen ist nur dann sinnvoll und nur dann unproblematisch, wenn damit einmalig anfallende Ausgaben finanziert werden, aber nicht, wenn die damit finanzierten Ausgaben dauerhaft anfallen oder eine längerfristige Bindungswirkung entfalten. Und es sind viele Ausgaben enthalten, die vom Prinzip her dauerhaft angelegt sind, sowie Ausgaben, die zum Aufbau von Strukturen verwendet werden und sich nicht wieder auflösen lassen sowie langfristig verfestigen.
Das ist keine solide Haushaltspolitik und mit diesem Märchen müssen Sie bei mir auch nicht mehr um die Ecke kommen.
Umso fataler, und ich komme zum letzten Punkt, dass hier ein Doppelhaushalt beschlossen wird, der dem nächsten Parlament vorgreift.
Die Paulskirchenverfassung von 1849, die Verfassung des Preußischen Reichs 1850, die Verfassung des Deutschen Reichs 1870/71, die Weimarer Reichsverfassung von 1919, die Ursprungsfassung des Grundgesetzes von 1949 – in all diesen Meilensteinen sind einjährige Haushalte festgeschrieben worden! Ein Parlament überschreitet durch den Beschluss eines Doppelhaushaltsgesetzes über die eigenen Legislaturperiode hinweg die Grenzen seiner eignen demokratischen Legitimation und maßt sich eine Rechtsposition an, die bezogen auf das Budgetrecht einer selbstermächtigten Verlängerung der eigenen Legislaturperiode um ein Jahr gleichkommt!
Die Fraktion BÜNDNIS 90/ Die GRÜNEN geht mit dieser Selbstermächtigung nicht einen Schritt mit und wir lehnen das Haushaltsgesetz ab.