Debatte zum Bund-Länder-Finanzbeziehungen − Schubert: Schwarzmalerei und Untergangsszenarien werden jetzt hoffentlich aufhören

Rede der Abgeordneten Franziska Schubert (GRÜNE) zur 1. Aktuellen Debatte:
"Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen – langfristige Planungssicherheit für den Freistaat Sachsen"
44. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 10. November 2016, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
bisher gab es in diesem Land ein grundsätzliches Bekenntnis zum Solidaritätsprinzip. Ein Bekenntnis, dass auch über die Herausforderungen der Wiedervereinigung – ohne Frage mit der Unterstützung des Bundes – gehalten hat. Finanzstarke Länder unterstützen finanzschwache Länder.
Und damit ist die Frage nach der Neuregelung des bundesweiten Umverteilungssystems nicht nur eine rein monetäre, sondern auch eine kulturelle.
Der Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, Herr Tillich,  hat verkündet, „dass er bei der Neureglung ein deutliches Plus herausholen konnte“. Das ist sicher eine Auslegung des Verhandlungsergebnisses. Aber es ist doch so, dass die Strukturschwäche Sachsens gar nicht zur Diskussion stand. Die Struktur der sächsischen Landeseinnahmen ist bekannt und es war nie in Abrede, dass Sachsen weiter am Tropf bleiben müsse.
Zur Debatte stand, dass Mittel aus dem Solidaritätspakt auslaufen und in der Form nicht weitergeführt werden können. Aber vielleicht können wir mal darüber reden, wie Sachsen die Mittel abrechnet und wofür Soli-Gelder genutzt werden. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, wie "Aufbau Ost" und Besatzfische zusammenhängen, aber dazu gleich mehr.
Ein Blick in den letzten Fortschrittsbericht zum "Aufbau Ost" zeigt – und wir haben im letzten Plenum darauf hingewiesen, dass der Bericht lediglich ein Verwendungsnachweis ist. Ich weiß, dass der Bund beim Mittelnachweis eine Abrechnung von Haushaltstiteln duldet. Aber wir können ja trotzdem mal kurz inhaltlich reingehen:
In 2015 wurden zum "Aufbau Ost" über 529 Millionen Euro in Fonds geschoben. Das ist über eine halbe Milliarde Euro. Die werden in den Fonds geparkt und nicht ausgegeben – aber gegenüber dem Bund als Investitionen ausgewiesen und abgerechnet. Das ist so nicht im Sinne des Erfinders.
Über 300 Millionen Euro hat die Staatsregierung für den Erwerb von Geräten, Ausstattungs- und Ausrüstungsgegenständen für den Verwaltungsalltag ausgegeben. Ich verstehe, dass Dinge verschleißen und wiederbeschafft werden müssen, aber ich frage mich schon: ist die Finanzierung von Verwaltungsalltag wirklich „Aufbau Ost“?
Jetzt komme ich zum Zusammenhang zwischen „Aufbau Ost“ und Besatzfischen. Ich bin wirklich für eine Erklärung offen, in wie fern der Ankauf von Besatzfischen – aber auch der Kauf von Fitnessgeräten für die Polizei – einen Beitrag zum "Aufbau Ost" leisten. Woher ich das nehme? Aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage 6/6390 zu den Titeln für die Abrechnung. Es ist ein aufschlussreiche Liste (Antwort auf Anfrage siehe unten).
Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt eingehen: Die kommunale Finanzkraft. Diese zeigt an, wie es um die Gemeinden finanziell bestellt ist. Und ich freue mich, dass Finanzminister Prof. Georg Unland das auch so sieht:
Es wäre wichtig gewesen, dass die Strukturschwäche und damit die Finanzkraft der Kommunen in der Neuregelung aufgegriffen worden wäre. Der jetzige Kompromiss, dass 75 Prozent der kommunale Finanzkraft anerkannt werden, ist nicht richtig. Erst die 100 prozentige Anerkennung zeigt ein realistisches Bild über die Situation der Gemeinden im Land. Für Sachsen wäre das wichtig gewesen. Wir GRÜNE haben immer wieder darauf hingewiesen.  Zahlreiche Gutachten haben bestätigt, dass es keinen sachlichen Grund gibt, die kommunale Finanzkraft nur zum Teil anzuerkennen. Es ist allein eine politische Entscheidung, von der ausschließlich Länder mit wirtschaftsstarken Kommunen profitieren.
Die Landesfinanzminister, aber auch alle anderen, wurden von den Verhandlungen ausgeschlossen. Es war ein ‚closed shop‘, den im Wesentlichen Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble besetzten. Der sächsische Ministerpräsident hat da also nichts "herausgeholt". Sachsen werden aufgrund seiner Strukturschwäche auch weiterhin Zuweisungen gewährt.
2019 ist also nicht das Ende für den Freistaat. Schwarzmalerei und Untergangsszenarien werden jetzt hoffentlich aufhören. Die Neuregelung heißt für Sachsen Planungssicherheit für diesen und die folgenden Haushalte.
Da nun mit der gefundenen Lösung wieder Hoffnung, Planungssicherheit und Sonnenschein den Weg prägen, könnten wir uns in diesem Land wieder ein paar sportliche Ziele stecken.
Fangen wir doch damit an, den Staatshaushalt transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Allein die Größenordnung an Sondervermögen und Fonds im Sächsischen Staatshaushalt ist unverhältnismäßig. Ich wiederhole das immer wieder gern. Die Zahl muss reduziert werden. Wir könnten ja mit den Fonds anfangen, die eingerichtet wurden, um den Untergang abzuwenden und die Zukunft zu sichern. Wir haben da schon mal was vorbereitet.
Abschließend sei noch gesagt, wir werden sehen, wohin diese Neuregelung führt und was sie für den Föderalismus in Deutschland bedeutet. Sachsens Zahlungsfähigkeit ist bis 2030 wieder hergestellt. Doch angesichts der weiterhin hohen Abhängigkeit von Transferzahlungen und der anhaltenden systemischen Strukturschwäche Sachsens bleibt es erstmal nur bei einem Aufatmen – ein Erfolg ist es aber nicht.

» Antwort von Finanzminister Prof. Unland (CDU) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Schubert (GRÜNE) zum Fortschrittsbericht "Aufbau Ost" 2015 (Drs 6/6390)

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