Dr. Gerd Lippold: Thema Russland-Sanktionen – Wir reden nicht nur ÜBER Wirtschaft, sondern auch MIT der Wirtschaft

Rede des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold (GRÜNE) zum Antrag der LINKEN-Fraktion
"Schutzschirm für von Wirtschaftssanktionen gegen Russland betroffene Unternehmen" (Drs. 6/62)
3. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 13. November 2014, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen
Liebe Fraktion DIE LINKE,
um das Europa- und außenpolitische Thema Russland-Sanktionen hier zu diskutieren, holen sie sich die sächsische Wirtschaft mit aufs Podium.
Nun ist es Ihnen ja unbenommen, hier im Sächsischen Landtag auch außenpolitische Themen ins Plenum zu ziehen, wenn sie an dieser Stelle Wahrnehmung eines politischen Alleinstellungsmerkmals erwarten können. Obwohl – mit dem Alleinstellungsmerkmal scheint es ja hier nicht so weit her zu sein, wenn ich an den AfD-Antrag denke, den wir im Anschluss behandeln werden. Immerhin ergeben sich für mich gleich in meiner ersten Debatte hier im Sächsischen Landtag aufschlussreiche Einsichten in die Hintergründe von Wählerwanderungen über die maximale Distanz in der Sitzordnung.
Dass Sie zum Thema Auswirkungen von EU-Sanktionen gegen Russland auf die sächsische Wirtschaft Analyse und Information von der Staatsregierung fordern, ist trotz der Antworten, die sie vor einigen Tagen auf eine Kleine Anfrage zu genau den Forderungen des Antrags erhalten haben, verständlich. Nicht jede Antwort auf eine Kleine Anfrage wird ja von Anfragenden als Antwort interpretiert.
Dass es ihnen allerdings offensichtlich zu viel Arbeit war, selbst Fakten zu dem Thema des Antrags zu recherchieren, bevor sie das Plenum damit beschäftigen, ist sehr viel weniger verständlich. Wir haben das getan, denn wir reden nicht nur ÜBER Wirtschaft, sondern auch MIT der Wirtschaft.
Russland nimmt in der Rangfolge sächsischer Exportländer u. a. noch nach Polen Platz 6 ein. Die vielleicht gefühlte, weil zu DDR-Zeiten allgegenwärtige Dominanz der Beziehungen zum „großen Bruder“ ist also längst Geschichte.
1,3 Mrd. von den 31,6 Mrd. Exportvolumen gingen 2012 nach Russland.
Aus Russland kommen vor allem Rohstoff- und Energieimporte. Die VNG Verbundnetz Gas AG ist das umsatzstärkste Unternehmen mit Sitz in Sachsen und bezieht 20 Prozent des Gases aus Russland. Wenn sie also tatsächlich an Schutzmaßnahmen für Sachsens Gasverbraucher, vor allem auch in der Wirtschaft, Interesse hätten, dann müssten Sie sich eigentlich um kurzfristig wirksame Effizienz- und Energieeinsparprogramme für den Wärmemarkt kümmern und um eine Beschleunigung des Einsatzes erneuerbarer Energien in diesem Bereich. Wir haben das getan. Sie sind eingeladen, sich über die Ergebnisse dieser Studie auf dem Klimakongress der Grünen Fraktion am 29.11. zu informieren.
Doch zurück zu Ihrem Antrag:
In Ihrer Antragsbegründung bemühen Sie den Maschinenbauverband VDMA-Ost. Er habe gefordert, einen Schutzschirm für Firmen aufzuspannen, die durch Sanktionen Einbußen erleiden. Das wollten wir genau wissen und haben den VDMA-Ost Geschäftsführer, Herrn Reinhard Pätz, selbst gefragt. Ich zitiere aus dessen Antwort:
"Ich habe mich weder schriftlich noch mündlich zu irgendwelchen Forderungen im Zusammenhang mit dem Russlandembargo […] geäußert. Das stammt aus der Freien Presse, aber nicht von mir. Ich hatte zwar ein allgemeines Gespräch, aber dieses Zitat nicht gegeben. Wie sich so etwas dann verbreitet, ist interessant, aber auch ein wenig befremdlich, da es sich auf einen Pressevermerk bezieht, nicht auf eine Originalquelle." (Zitat Ende)
Liebe Linke,
es wäre wünschenswert, wenn Sie künftig die notwendige Sorgfalt bei Plenaranträgen walten lassen würden.
Die Einschätzung der Sächsischen Aufbaubank ist Ihnen ja aus der Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage des Kollegen Falk Neubert (Drs. 6/94) bereits bekannt. Es ist zwar richtig, dass es bei der SAB keine Sonderprogramme für von der Russlandkrise betroffene Unternehmen gibt. Richtig ist aber auch, dass es bereits bestehende Programme gibt, die hier angepasst werden können und die von betroffenen Unternehmen genutzt werden können. Und zwar speziell für solche Fälle auch kurzfristig und unbürokratisch.
Woran es allerdings bislang völlig fehlt, ist jegliche Nachfrage nach solcher Unterstützung bei der SAB!
Sicher wird es Unternehmen geben, die unter den Sanktionen leiden. Kommen diese in eine Schieflage, ist diese zumindest teilweise politisch verursacht, denn die Sanktionen waren und sind eine politische Entscheidung. Die Staatsregierung ist deshalb aufgefordert, wenn nötig schnell und unbürokratisch zu helfen, damit die Auswirkungen der Sanktionen nicht zur Existenzbedrohung für sächsische Unternehmen werden. Insgesamt ist die Situation jedoch weit weniger dramatisch, als sie es glauben machen wollen.
Eines ist in der Wirtschaft ganz ähnlich wie in der Politik: die allgemeine Stimmungslage und die Psychologie spielen eine große Rolle. Ein als unsicher empfundenes Investitionsklima ist sicherlich nicht förderlich, um Investitionen anzuschieben. Insofern hat die Landespolitik durchaus auch eine Verantwortung, bei aller außenpolitischen Diskussionsfreude nicht selbst erfüllende Prophezeiungen zu produzieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken,
einen „Fensterantrag“ nennt man gemeinhin einen Antrag, der eher die Funktion hat, Anlass für eine Erklärung zu liefern, öffentlichkeitswirksam zu sein oder auch ein Thema zu setzen, anstatt den Beschluss wirklicher Inhalte zu beantragen.
Auch so etwas ist ja legitim im politischen Geschäft. Aber sorgen Sie doch bitte gerade bei Fensteranträgen auch für den klaren Durchblick und wenn dieser nicht gegeben ist, dann bitte: nutzen Sie nicht ausgerechnet die sächsische Wirtschaft als Fahnenhalter an diesem Fenster, um ihre Flagge zu hissen.