EU-Sanktionen für Russland abbauen (AfD Antrag) – Lippold: Wir sind fest entschlossen, einen klaren inneren Kompass zu behalten

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold zum Antrag der Fraktion AfD:
"EU-Sanktionen gegen Russland schrittweise abbauen und so schnell wie möglich beenden", Drs 6/18052, 3. Juli, TOP 14
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein Antrag, dessen Inhalt genau sieben Worte länger ist als die Überschrift. Zum Ende der Wahlperiode haben Sie die Optimierung, sprich Minimierung ihres Aufwandes für parlamentarische Scheinbeschäftigung weit vorangetrieben, meine Damen und Herren von der AfD.
Zum Thema des Antrages kommen Sie hier immer wieder mit derselben Leier, um anschließend in Ihrer Echokammer, unterstützt durch ein Heer von Netztrollen, den immer wieder gleichen Unsinn zu verteilen. Selbst das beste Echo verhallt irgendwann. Und dann drehen Sie nach einer Weile wieder die nächste Runde.

Diesmal mit nur einem einzigen Satz ohne jeden Neuigkeitswert, der in einem Rahmen mit einer unveränderten Sachlage steht. Eigentlich zu behandeln mit einem Wort: Nein. Begründung wie beim letzten und beim vorletzten Mal.
Doch ist die Sachlage wirklich unverändert?

Nicht ganz. Beim Versuch, im Graubereich zwischen eigenem Rechtaußen und dem ganz rechten Rand noch ein paar Stimmen zu heben, hat sich nämlich in der Zwischenzeit ein sächsischer Ministerpräsident auf Reisen begeben.
Und damit sowie in der Folge eine Positionsverschiebung angezeigt. Was den ganz rechten Rand natürlich sofort wittern lässt: da geht noch was.
Und schon haben Sie den Druck vom rechten Rand wieder am Hals, liebe CDU, den sie durch Positionsverschiebung womöglich gerade abzubauen gedachten.

Und deshalb, meine Damen und Herren, ist es so wichtig, einen klaren inneren Kompass zu haben und sich an den wenigen, aber wichtigen, existierenden Fixpunkten und etablierten Grundfesten unseres Zusammenlebens als Weltgemeinschaft auf diesem Planeten zu orientieren. Die sind aus Feuer und Rauch, aus Blut und Tränen, aus entsetzlichen Kriegen und Massenmorden geboren.

Noch gezeichnet von der Erfahrung der Weltkriege des 20. Jahrhunderts, mDuH, verpflichtete sich die Weltgemeinschaft auf gemeinsame Grundsätze, darunter unbedingte Achtung der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit. Und weil sich alle Unterzeichner auch verpflichten, internationale Streitigkeiten durch friedliche Mittel beizulegen, kommen bei klaren Verstößen gegen die Charta der Vereinten Nationen eben nicht Truppen zum Einsatz sondern wenn irgend möglich zunächst mildere Mittel wie Wirtschaftsanktionen, um völkerrechtswidrigem Verhalten einen Preis zu geben.

Auch die Verteidigung von Grundwerten, die Durchsetzung von Recht und Gesetz – und sei es Völkerrecht –  hat immer einen Preis.
Wie um alles in der Welt kann man da auf die Idee kommen, dass man darauf verzichten sollte, wenn das was kostet? Denn Sie fordern ja nicht, ökonomische Folgekosten hier gerecht zu verteilen oder Betroffene zu unterstützen. Nein, Sie fordern einfach, auf Maßnahmen zur Sanktionierung von Rechtsbruch zu verzichten, wenn diese eine Preis haben.
Im Sinne einer rein ökonomischen Betrachtung sollte man dann vielleicht auch bei uns Rechtsbrüche einfach nicht mehr ahnden? Es ist doch auch bei uns kurzfristig betrachtet oft viel teurer, einen Rechtsbruch zu verfolgen als einfach drüber hinweg zu schauen.
Nein. Ich denke, das will nicht mal die AfD.

Vielmehr sind Ihnen die Grundsätze der UN-Charta völlig egal oder gar zuwider! Sie halten es für völlig normal, dass das Recht des Stärkeren auf der internationalen Bühne gilt – und eine gnadenloser Sozialdarwinismus innerhalb der Gesellschaft, wenn man sich Ihre Programme anschaut.
Wer diese ideologische Basis teilt – und das tun fast alle Potentaten auf der Welt, der ist Ihr Partner im Geiste. Wer sie ablehnt, ist gehasster Gegner. Und dieser Hass ist sehr ernst zu nehmen. Denn Sie unterscheiden auch bei Menschen zwischen nützlichen und schädlichen.
Wir sind an dieser Stelle fest entschlossen, einen klaren inneren Kompass zu behalten, meine Damen und Herren. Wir werden nicht zuschauen, wie hier von einer neuen Generation von Rechtspopulisten und Rechtsradikalen innerhalb von wenigen Jahren alles in Frage gestellt wird, was dieses Europa in Jahrhunderten durch viele Generationen an humanistischen Errungenschaften erreicht hat und was von der Weltgemeinschaft als Grundregeln für friedliche Konfliktlösungen vereinbart wurde.

Und weil wir diesen klaren inneren Kompass bewahren, deshalb stehen wir auch ausdrücklich für gute Kontakte zu den Menschen und den Unternehmen in Russland. Hier sind wir im Osten durch unsere historisch engeren Kontakte geradezu prädestiniert, voranzugehen. Wirtschaftliche Kontakte, Austausch in der Wissenschaft, bei Sport und Kultur – das alles ist wichtig und richtig, um neue Entfremdung und neue Feindbilder abzubauen und zu vermeiden.

Doch wir sind für eine ganz klare Linie gegenüber von Autokraten, die mit einer neuen Politik der Stärke nicht nur die Gewichte auf ihre Seite verlagern wollen, sondern die die Spielregeln in der internationalen Politik schleichend wieder hin zu skrupelloser Durchsetzung des Stärkeren verschieben wollen.

Wer da bessere Vorschläge als Sanktionen gegen jene Privatpersonen, Unternehmen und Banken kennt, die unmittelbar an einer völkerrechtswidrigen Annexion mitgewirkt haben und diese im Profitinteresse weiter unterstützen – denn genau darum geht es bei diesen EU-Sanktionen, der soll sie zum Diskutieren und Abwägen auf den Tisch legen. Hier, im Bund und auf europäischer Ebene.

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