Europa/Finanzen/SBBS – Schubert: Sachsen sei wachsam – und zwar vorm finanzpolitischen Geschwurbel der Sachsen-AfD!

Redebausteine der Abgeordneten Franziska Schubert in der 2. Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktionen CDU und SPD:
"SBBS – Brüssel bläst zum Sturm – Sachsen seid wachsam!"
78. Sitzung des Sächsischen Landtags, Donnerstag, 6. September, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollgen,

ich habe nicht verstanden, warum die AfD dieses Thema zur Aktuellen Debatte benannt hat. Der Titel ist so kryptisch wie bürgerfern. Wenn Sie eine breite Diskussion zu europäischen Finanzinstrumenten hätten anstoßen wollen, hätte es zunächst eines Titels gebraucht, den die Menschen verstehen können. Mit einer nahezu militärischen Ansage wie "Brüssel bläst zum Sturm" ist zu vermuten, dass ihr Fokus auf einer anderen Zielgruppe liegt. Da kann ich nur sagen: Sachsen sei wachsam – und zwar vorm finanzpolitischen Geschwurbel der Sachsen-AfD!
Für eine aktuelle Debatte finde ich das Thema ziemlich sperrig. Hier wäre ein konkreter Vorschlag, z.B. in Form eines Antrags hilfreich gewesen, worauf Sachsen genau achten soll und was zu tun wäre. Wir bewegen uns wieder in der Zuständigkeit der Bundesebene – und dass, obwohl sich aktuelle Landesthemen geradezu aufdrängen.
Wir haben es gehört: S-B-B-S steht für Sovereign-Bond-Backed Securities. Auf Deutsch: Wertpapiere, die durch Staatsanleihen besichert sind.
Die Finanzkrise von 2009 hat gezeigt, welche Folgen und Konsequenzen die Abhängigkeit von Banken und Staaten hat. Die Europäische Kommission hat nun einen Vorschlag vorgelegt. Sie hat einen Gesetzesrahmen für Sovereign-Bond-Backed Securities (SBBS) ausgearbeitet, der Ende Mai diesen Jahres vorgestellt wurde.
Der Vorschlag der EU-Kommission ist überdenkenswert. Ziel ist es, Europa besser vor der nächsten Krise zu schützen. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Vorschlag der EU-Kommission ist dennoch notwendig. Aber: dafür wäre ein Antrag im Fachausschuss mit konkreten Ansätzen, was Sie eigentlich zu diesem Thema in Sachsen erreichen wollen, angemessener als eine Aktuelle Debatte. Konzeptlosigkeit müsste ich anderweitig vermuten.
Oder Ahnungslosigkeit: denn hätten Sie ernsthaft über finanzpolitische Instrumente diskutieren wollen, dann hätten Sie in die Materie des financial engineerings wenigstens ansatzweise einsteigen sollen. Dann könnten wir an dieser Stelle qualifiziert über Junior und Senior Tranchen sprechen, über synthetische Wertpapiere oder Brunnermeiers Esbies und Ejbies.
Brunnermeier hat auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2011 die Idee der Esbies, oder eben von der EU jetzt SBBS genannt, entwickelt. Er vertritt die Auffassung, dass die Eurokrise hauptsächlich durch das Fehlen eines europäischen safe assets ausgelöst wurde. Es geht ihm dabei nicht um einen allgemeinen Mangel an safe assets sondern um das Fehlen eines einheitlichen europäischen sicheren Wertpapiers.
Solange stattdessen die jeweiligen Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten als sichere Anlage dienen, gibt es nämlich zwei Probleme; ganz kurz:

  1. Zum Einen müssen Banken aufgrund der derzeitigen Bankenregulierung in erheblichem Umfang sichere Anlagen halten. Wenn die Staatsanleihen an Wert verlieren, ziehen sich Staaten und Banken gegenseitig in den Abgrund, wie zur Eurokrise erlebt.
  2. Zum Anderen ist das der Herdentrieb auf den Finanzmärkten, in Zuge dessen z.B. Immobilienblase entstehen. Platzt die Blase durch nervöse Investoren, folgt ein Wirtschaftseinbruch mit allen Begleiterscheinungen. Der worst case ist der sudden stop wie in der Eurokrise: panikartige Kapitalflucht und Staatspleiten.

Esbies oder SBBS könnten diese Probleme in der Tat lösen. Wichtiger Mechanismus wäre das Großkreditlimit für jede Anlage von Banken: sie dürfen nicht mehr als 25% ihres Eigenkapitals in einen einzigen Schuldner investieren. Das wäre wirksam – ist aber unpopulär. Man darf skeptisch bleiben, das ist völlig legitim, ob es das geeignete Instrument ist, dann müsste man aber wirklich fachlich in die Tiefe steigen.
Es ist so beispielsweise keineswegs gesichert, dass es für die neuen Verbriefungen überhaupt einen Markt gibt. Fragwürdig ist zudem, dass mit den SBBS weitere Finanzinstrumente in den Bankbilanzen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden sollen. Die unberechtigte Privilegierung von Staatsanleihen ohne jede Obergrenze bei der Eigenkapitalunterlegung braucht ebenso einen Lösungsvorschlag der EU-Kommission. Nur so können Banken- und Staatsrisiken letztlich glaubwürdig getrennt werden.
Die EU-Kommission schließt die Schuldenvergemeinschaftung explizit in ihrem Vorschlag aus. Die Forderungen aus dem deutschen Bundesfinanzministerium zur Vermeidung von Schuldenvergemeinschaftung hat die EU-Kommission berücksichtigt. Von einer Gemeinschaftshaftung kann nicht die Rede sein, da sich private Investoren die Risiken teilen. Im Vorschlag der EU-Kommission ist keinerlei gemeinschaftliche Haftung der öffentlichen Hand vorgesehen.
Zum Verfahren, denn das ist wichtig: dieser Vorschlag der EU-Kommission wird in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beraten, in dem das Europäische Parlament und der Europäische Rat das Gesetz dann gemeinsam erlassen würden. Davor wird es besprochen und es braucht die Zustimmung aller Euroländer.
Die Bundesebene ist hier klar aufgestellt und bringt die deutschen Interessen ins Verfahren ein. Ich sehe hier nicht, welche übergeordnete Rolle Sachsen hier übernehmen könnte und wiederhole meine eingangs ausgesprochene Verwunderung über diese kryptische, bürgerferne Aktuelle Debatte der AfD.