Eva Jähnigen: Seit Jahren wird beim Personal im Justizbereich Raubbau betrieben – doch die Staatsregierung zeigt keine Einsicht

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Doppelhaushalt:
"Einzelplan 6/Justiz"
12. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. April 2015, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
oft genug haben wir in den vergangenen Monaten und Jahren über diese Thematik gesprochen, oft genug wäre Gelegenheit gewesen, die derzeitige Personalpolitik zu überdenken. Doch genau diese Einsicht hat unsere Staatsregierung noch immer nicht gewonnen, der vorliegende Einzelplan zum Justizbereich spricht Bände.
Nur zu gerne würde ich wissen, wie unsere Staatsregierung bei der vorliegenden Personalplanung die Bewältigung der anfallenden Arbeit in Justiz und Staatsanwaltschaft sicherstellen will. Schon ab 2022 werden in Sachsen allein durch Altersabgänge jährlich 30 bis hin zu über 80 Richterstellen frei werden, welche es aufgrund mindestens gleich bleibenden Arbeitsanfalls neu zu besetzen gilt.
Seit Jahren wird beim Personal in der Justiz Raubbau betrieben. Dies geht nicht nur zu Lasten der Richterinnen und Richter, sondern schlägt sich insbesondere bei der Dauer der zu bewältigenden Verfahren nieder und geht damit direkt auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, die vor den Gerichten ihr Recht einfordern.
Junge Richterinnen und Richter haben gerade in ländlichen Gebieten schon lange eine Arbeitslast zu bewältigen, welche die vorgesehenen 40 Wochenstunden bei Weitem überschreitet.
Dennoch liegt die durchschnittliche Dauer etwa eines allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens derzeit bei 18,1 Monaten. Damit liegt Sachsen im bundesweiten Vergleich nur auf Platz 14 von 16 Bundesländern und ist seit 2008 nochmals um einen Platz abgerutscht.
Dabei handelt es sich bei der Dauer eines Verfahrens nicht, wie vielfach angenommen, um eine lästige Formalität. Nein, die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Weg, als Bürger seine Grundrechte dem Staat und der Gesellschaft gegenüber auch wirksam einfordern und exekutives Handeln kontrollieren zu können. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet nicht nur das formelle Recht, die Gerichte gegen jede behauptete Verletzung subjektiver Rechte durch die öffentliche Gewalt anzurufen, sondern auch die Effektivität dieses Rechtsschutzes.
Eine durchschnittliche Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von über 18 Monaten bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Verfahren eine deutlich darüber liegende Dauer aufweist, die nicht mehr im Bereich dessen liegen dürfte, was das Bundesverfassungsgericht noch als "angemessene Verfahrensdauer" i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG bezeichnen würde.
Die Qualität der Rechtsprechung und Strafverfolgung kann nur gesichert werden, wenn wir in Sachsen hierfür auch in Zukunft qualifiziertes Personal gewinnen können und eine Weitergabe von erarbeitetem Wissen kontinuierlich im Rahmen einer ausgewogenen Altersstruktur erfolgen kann.
Ich fordere daher die Staatsregierung dringend auf, endlich vorausschauend neue Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte einzustellen. Nur, wenn wir noch heute qualifizierten Hochschulabsolventen eine Chance geben und sie nicht in andere Bundesländer oder Arbeitssektoren abdrängen, können wir auf lange Sicht eine funktionierende Judikative sicherstellen. Hochqualifizierte Fachkräfte für den öffentlichen Dienst sind unser Kapital; ohne gute Staatsanwälte gibt es nun einmal keine wirksame Strafverfolgung und ohne kluge Richter keine besonnene Rechtsprechung.
Vielen Dank.