Eva Jähnigen: Warum lehnt Innenminister Ulbig Mietpreisbremse für Leipzig und Dresden ab, obwohl beide Oberbürgermeister schon im Herbst 2013 unterstützt durch Stadtratsbeschlüsse Bedarf angemeldet haben

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion:
"Mietsteigerungen in sächsischen Ballungsräumen begrenzen – bezahlbaren Wohnraum sichern"
7. Sitzung des Sächsischen Landtages, 29. Januar 2015, TOP 7


– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit unserem Antrag wollen wir die maximal möglichen Erhöhungen der Bestandsmieten in den sächsischen Ballungszentren von 20 auf 15 Prozent in drei Jahren absenken.
Diese Möglichkeit existiert für die Bundesländer seit den auf Bundesebene zum 01. Mai 2013 in Kraft getretenen Mietrechtsänderungen.
Dazu muss die Regierung eine Rechtsverordnung für solche Gebiete erlassen, in denen (ich zitiere aus dem Bundesgesetz): "die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist". Darum haben die Städte Leipzig und Dresden die Regierung bereits gebeten.
Mittlerweile elf Bundesländer haben die letzten 20 Monate genutzt und die Begrenzung der Bestandsmieten als ein wichtiges Instrument zum Schutz von Mieterinnen und Mietern in bestimmten Gebieten eingeführt – quer über sämtliche Regierungskonstellationen hinweg, vom CSU-regierten Bayern bis zum rot-rot-regierten Brandenburg.
Was passiert in Sachsen? Bisher nichts, und liest man sich die Stellungnahme von Innenminister Ulbig durch, scheint die Regierung dieses Thema weiter aussitzen zu wollen.
Dabei müsste es sich eigentlich bis in die CDU herumgesprochen haben, dass der Wohnungsmarkt in Sachsen sich in den letzten Jahren stark auseinanderentwickelt hat. Hohe Leerstandsquoten in sich entleerenden Teilen Sachsens stehen völlig anderen Wohnungsmärkten in Leipzig und Dresden gegenüber, in denen die Leerstände sinken und mit steigender Nachfrage nach Wohnraum auch die Mieten steigen. Betroffen davon sind besonders Menschen mit geringeren und mittleren Einkommen.
Mittlerweile gehen der Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e.V. VSWG und der Mieterverein von einem marktrelevanten Leerstand von nur noch drei Prozent in Dresden aus – Tendenz fallend.
In Leipzig sind die etwa 4-5 Prozent marktfähigen leer stehenden Wohnungen sehr ungleichmäßig über die Stadtteile und Baualters- und Ausstattungsklassen verteilt.
Laut aktuellem Mietatlas von Immonet stieg 2014 die durchschnittliche Angebotsmiete pro Quadratmeter in Leipzig innerhalb eines Jahres um ca. fünf Prozent von 5,44 auf 5,73 Euro kalt. In Dresden legten demnach die Mieten 2014 im Vergleich zum Vorjahr von 6,74 Euro auf fast 7 Euro zu.
In einigen Vierteln stiegen dabei die Mieten um knapp 10 % an.
Da es in beiden Städten für viele Menschen immer schwerer wird, Wohnungen zu diesen aufgerufenen Neuvertragsmietpreisen zu bezahlen, ist es umso wichtiger, dass diese Mieter in ihren bisherigen Wohnungen bleiben können.
Dafür ist die Deckelung des Mietanstiegs bei Bestandsmieten ein sinnvolles Mittel.
Im Wahlkampf hatten Sie – Herr Ulbig – das Thema noch für sich entdeckt: Auf Ihren persönlichen Landtagswahlplakaten stand als oberste Forderung zu lesen „Bezahlbar Wohnen“. Das klang im Wahlkampf gut. Aber wie setzen Sie dieses Versprechen um?
Bisher haben Sie ohne belastbares empirisches Zahlenmaterial behauptet, es gäbe im Freistaat Sachsen keinen Engpass an bezahlbarem Wohnraum und die sachsenweiten Durchschnittsmieten seien nicht gestiegen.
Hier mit Durchschnittswerten zu arbeiten, ist eine durchschaubare Täuschung. Es geht um die Situation in den beiden wachsenden Großstädten Leipzig und Dresden.
In ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag lehnen Sie nun den Erlass einer Rechtsverordnung ab, da die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Was fehlt Ihnen denn an Informationen? Machen Sie das doch endlich klar, damit die Dinge vorankommen. Sie wollen doch als Innenminister Dienstleister für die Kommen sein!
In Dresden drängte der Stadtrat erneut auf eine Verordnung. Seitdem ist immer noch nichts geschehen. Warum nur geht es in der Mehrzahl der anderen Bundesländer deutlich schneller? Warum nur sind dort die jeweiligen Landesregierungen ungleich aktiver und engagierter und zeigen mit dem Finger nicht nur auf die Kommunen?
In Brandenburg hatte das Ministerium die Wohnungsmarktdaten durch ein qualifiziertes und aktuelles Gutachten analysieren lassen. Es wurden die Gebiete ermittelt, in denen es zu wenige günstige Mietwohnungen gibt. Im Ergebnis erfüllen 30 Gemeinden die Voraussetzungen für eine Mietpreisbremse. Der daraus resultierende Verordnungsentwurf wurde mit den kommunalen Spitzenverbänden, den wohnungswirtschaftlichen Verbänden und dem Mieterbund diskutiert und bereits im Sommer letzten Jahres eingeführt. Gleiches Vorgehen gab es in Schleswig Holstein.
Auch Ihr Ministerium, Herr Ulbig, hatte ein sogenanntes Mietgutachten beauftragt, welches im April 2014 das Licht der Welt erblickte. Allerdings stammen die letzten darin vorkommenden, groben Erhebungen der Bestandsmieten aus dem Jahr 2010. Guten Morgen, Herr Minister Ulbig! Der Mietmarkt hat das schon dreimal überholt.
Und dass es Ihnen vermutlich nur um ein Aussitzen des Themas geht und mit Sicherheit nicht um die Interessen der Mieter und Mieterinnen in Sachsens Großstädten, zeigt ein Satz aus Ihrer Stellungnahme. Ich zitiere: „Die in der Begründung aufgeführten Mietpreissteigerungen bei Bestandsmieten können auch mit einer Rechtsverordnung … nicht verhindert werden, da diese unterhalb der verordneten Begrenzung von 15 Prozent lägen. Eine Kappungsgrenze wäre damit ein nutzloses Verwaltungsinstrument.“ Zitatende. Das ist nun wirklich grober Unfug. Die von uns geforderte Kappungsgrenze greift ja im Einzelfall.
Noch mal genau erklärt: Wenn durchschnittlich die Bestandsmieten in einem Viertel um zehn Prozent gestiegen sind in drei Jahren, dann gibt es dort Wohnungen mit drei Prozent und andere Wohnungen mit 20 Prozent Mietsteigerung. Und genau um letztere Wohnungen geht es.
Jeder Mieter, deren Vermieter die Kaltmiete um mehr als 15 Prozent innerhalb von drei Jahren erhöhen wöllte, und dessen Wohnung sich im definierten Gebiet befindet, wäre dann durch die Rechtsverordnung geschützt.
Uns geht es gerade um die Spitzenmietsteigerungen, die gedeckelt werden müssen – nicht um Mietsteigerungen generell.
Ihre Stellungnahme, Herr Staatsminister Ulbig, lässt mich heute nicht auf die Zustimmung der CDU hoffen – obwohl Sie sich dadurch in Dresden vielleicht neue Sympathien schaffen würden. Gespannt bin ich allerdings auf das heutige Abstimmungsergebnis der Kollegen und Kolleginnen von der SPD. Als unsere Vorgängerfraktion sich dieses Themas 2013 annahm, stimmte die SPD-Fraktion dem GRÜNEN Antrag zu. Kollegin Köping sagte damals: "Für die SPD ist klar, Wohnen ist ein soziales Gut. Der Umgang mit Wohnen und Mieten ist daher eine politische Frage, die wir nicht alleine dem Markt überlassen dürfen. Deswegen werden wir dem Antrag der GRÜNEN natürlich zustimmen."
Sind sie nun in der Lage, diese Linie auch in der Koalition durchzusetzen? Die von uns vorgeschlagene Einführung der Mietpreisbremse bei Bestandsmieten ist immerhin eine der wenigen verbliebenen wohnungspolitischen Stellschrauben auf Landesebene – und sie kostet die öffentliche Hand kein Geld, ja, erspart sogar vielleicht Sozialleistungen.
Wir bitten deshalb besonders herzlich um Zustimmung zu diesem Antrag.