Finanzausgleichsgesetz − Schubert: Wir lehnen das Gesetz aufgrund seiner systematischen Schwachstellen ab

Rede der Abgeordneten Franziska Schubert (GRÜNE) in der Debatte
um den Gesetzentwurf der Staatsregierung ‚Gesetz zu den Finanzbeziehungen zwischen dem Freistaat Sachsen und seinen Kommunen‘ (Drs 6/5552 und 6/7152)
46. Sitzung des Sächsischen Landtags, 15. Dezember 2016, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,
das Finanzausgleichsgesetz (FAG) regelt die Beziehungen zwischen Land und Kommunen. Wer Mitglied eines kommunalen Parlaments ist, der weiß, welche Herausforderungen die Kommunen in den letzten beiden Jahren zu bewältigen hatten. Sie wissen auch, wo strukturell verfestigte Unwuchten liegen.
Wir GRÜNE haben den Anspruch an ein Finanzausgleichsgesetz, welches die Kommunen befähigt, ihre Pflichtaufgaben adäquat erfüllen zu können. Es sollte aber noch für etwas anderes sorgen: nämlich dafür, dass finanzieller Spielraum auch für freiwillige Leistungen da ist. Wir wollen, dass die echten Bedarfe ermittelt und strukturell bedient werden.
Lassen Sie uns über die Bedarfsfrage reden. Was brauchen welche Kommunen denn überhaupt? Eine Gesamterhebung gibt es nicht. Ich erinnere an die Anhörung zu „Lücken in die Zukunft“, in der ich fragte, inwiefern denn der Investitionsbedarf analytisch mal erhoben wurde – der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sagte: wir haben da mal ein paar Telefonate geführt. Das ist doch nicht seriös! Wir brauchen eine Erhebung der Bedarfe, weil wir erst dann ernsthaft die Weichen für einen zeitgemäßen Finanzausgleichs stellen können.
Wenn man nämlich so ´rangeht, über die Bedarfe, dann überwindet man auch den unsinnigen Schaukampf, in dem Großstädte gegen ländliche Regionen ausgespielt werden. Denn: die Stadt Leipzig hat z.B. im Bereich der Sozialausgaben einen ähnlich hohen Schnitt wie der Landkreis Görlitz. Wir GRÜNE tragen den Konkurrenzkampf, der zwischen Stadt und Land über finanzielle Hebel befeuert wird, nicht mit. Wir wollen finanzielle Gerechtigkeit – und die stelle ich in der Art und Weise, wie das FAG momentan aufgebaut ist, nicht her.
Wo liegen die großen Probleme der Städte, Landkreise und kreisangehörigen Gemeinden in Sachsen?
Fünf von zehn Landkreisen brauchen über 50 Prozent ihres Etats für Sozialausgaben. Dabei gibt es zwei Gruppen, die den Kommunen hohe Ausgaben verursachen. Das sind zum einen Langzeitarbeitslose und zum anderen die Kinder. Letztere Gruppe ist aber eben auch die Zukunft. Ich weigere mich daher, diese Ausgaben ausschließlich als Soziallasten zu bezeichnen. Hier haben Kommunen in Sachsen, durch die Bank weg, einen evidenten Bedarf.
Es ist nicht alles gut bei den kommunalen Finanzen in Sachsen – auch, wenn Sie es heute hier wieder mal so darstellen wollen. Es geht nicht um die Forderung nach immer mehr und mehr. Es geht, wie in meinem Heimatlandkreis Görlitz, um existenzielle Fragen. Es ist ein tragischer Umstand, was Haushaltsstrukturkonzepten zum Opfer fällt, wenn Kommunen mit dem Rücken an der Wand stehen – was wird denn zuerst gestrichen? Präventive Jugendarbeit, Frauenschutzhäuser, Kultur, Naturschutzbelange, nicht-investive Vorhaben, Bereiche, welche für Lebensqualität sorgen. Das kann doch nicht ernsthaft das sein, was Sie wollen!
Was ich nur noch bedingt hören kann, ist die Forderung, die Kreisumlagen hochzusetzen – damit reicht man die Probleme nur durch. In vielen Gemeinden gibt es oftmals nur einen, zwei Gewerbesteuerzahlende, die einen Großteil der Gewerbesteuereinnahmen ausmachen.
Das FAG ist für uns GRÜNE endlich mal ganzheitlich anzuschauen und nicht nur auszugsweise, denn das einstmals gute Werk ist in die Jahre gekommen und leistet nicht mehr den Dienst, den es leisten sollte. In den vergangenen 25 Jahren wurde das FAG immer nur fortgeschrieben.
Das FAG ist der Gesetzentwurf, bei dem die Staatsregierung aber auch die kommunalen Spitzenverbände am deutlichsten zum Ausdruck bringen, dass wir als Parlament außen vor sind; dass eine demokratische Beteiligung unerwünscht ist. Der FAG-Beirat ist ein closed-shop. Ich frage mich: warum? Ehrlich gesagt: es ist schwer zu ertragen, wenn Sie hier berichten, wie Sie in trauter Runde zu diesem Gesetz bereits alles geregelt haben. Der Satz: „Das ist alles mit der kommunalen Familie abgestimmt.“, treibt mir regelmäßig Zornesfalten ins Gesicht.
Uns erreichen zahlreiche Rückmeldungen aus den Kommunen, die ein dezidiert anderes Bild zeichnen. Schon lange ist die Mär von der trauten Einheit in der kommunalen Familie eine überdehnte Wiederholung, die nicht wahrer wird, wenn man sie nur oft genug wiederholt.
Wir GRÜNEN haben dieses Jahr einen Berichtsantrag zum kommunalen Finanzausgleich eingereicht und die Anhörung dazu fand im August statt. Sie deckte auf, was im vorliegenden FAG nach wie vor gar keine oder nicht ausreichend Berücksichtigung findet:

  • Die Frage der Kostenremanenzen (rückgehende Bevölkerungszahlen vs. Abwassergebühren oder passiv steigende Schulden, weil die Bevölkerungszahlen schneller zurückgehen als die Schulden)
  • Die Hauptansatzstaffel, welche die Größe der Bevölkerung als Bedarfsparameter ansetzt, reicht nicht mehr aus. Weder in den Städten, noch im kreisangehörigen Raum. Sie zeigt nicht die wirklichen Bedarfe.
  • Und dann sind natürlich die demografischen Entwicklungen in Sachsen zu berücksichtigen; und zwar ebenso in den großen Städten wie auch im kreisangehörigen Raum. Hier bedarf es struktureller Hilfen. In welcher Form und in welchem Umfang müsste erhoben werden. Ich sehe das in der klaren Zuständigkeit der Staatsregierung.

Meine Fraktion hat keinen Änderungsantrag eingereicht zum FAG, denn: man kann nicht darin herumdoktorn, wie man lustig ist – es gilt, das Gesamtsystem anzuschauen. Und dafür wird sich meine Fraktion weiterhin einsetzen.
Das FAG lehnen wir heute aufgrund seiner systematischen Schwachstellen ab.

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