Franziska Schubert: Die deutsch-polnischen Beziehungen stehen exemplarisch für Versöhnung und Frieden in Europa
Redebausteine der Abgeordneten Franziska Schubert zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD:
"25 Jahre Deutsch-Polnisches Jugendwerk − 25 Jahre gelebte Versöhnung − Jugendaustausch weiter stärken"
37. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 23. Juni 2016, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
die heutige Debatte wird an einem bedeutsamen Tag für Europa geführt, im Zeichen des Referendums in Großbritannien, im Gedenken an den 75. Jahrestag des Überfalls deutscher Truppen auf die Sowjetunion, in Erinnerung an 25 Jahre deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag.
Das gibt Anlass und Zeit, den Blick auf die Jugend als Träger der europäischen Zukunft zu lenken, einen Ausblick zu wagen und über das zu sprechen, was allen Menschen in diesen Zeiten besonders am Herzen liegen sollte: Versöhnung und Frieden.
Die deutsch-polnischen Beziehungen stehen exemplarisch dafür. Der deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991 ist ein Meilenstein, er hat maßgeblich zur gelebten Versöhnung beigetragen. Die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen haben sich in den vergangenen 25 Jahren beeindruckend entwickelt. Sie haben eine Tiefe erlangt, die 1991 noch als Utopie erschien. Der Vertrag hat die vor Jahrzehnten begonnene Aussöhnung und Normalisierung zwischen beiden Ländern auf eine feste Grundlage gestellt und für einen intensiven politischen Dialog und vielfältige gesellschaftliche Kooperationen gesorgt.
Wir Deutschen sind dankbar dafür, dass die polnische Bevölkerung uns die Hand zur Versöhnung gereicht hat. Wir sollten nie vergessen, welch‘ unermessliches Leid Millionen von Menschen im deutschen Vernichtungskrieg gegen Polen angetan worden ist. In der über fünf Jahre andauernden Besatzung des Landes wurden fast 6 Millionen polnische Staatsbürger, darunter 3 Millionen polnische Juden, ermordet und Warschau 1944 nahezu komplett zerstört als Vergeltungsmaßnahme für den Aufstand gegen die Besatzer. Dies alles hat schmerzhafte Spuren in der polnischen Gesellschaft hinterlassen, die bis in unsere Zeit hinein im kollektiven Gedächtnis beiderseits der Grenze tief verankert sind.
Das Engagement zahlreicher Bürgerinnen und Bürger hat die Normalisierung des Verhältnisses und die Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen maßgeblich befördert. Es spiegelt sich insbesondere in der gegenseitigen Wahrnehmung von Polen und Deutschen wider: Das Bild vom Anderen hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt, auch wenn natürlich noch Luft nach oben ist.
Das gemeinsame Zuhause beider Nationen ist die Europäische Union, als Raum des Friedens, der Demokratie, des Rechts, der Vielfalt, der Solidarität und Offenheit.
Ein entscheidender Punkt für das weitere Gelingen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit, aber auch für den versöhnenden Charakter Europas ist die Intensivierung des Jugendaustausches. Mit der Jugend beginnt es – in diesem Alter kann die Erfahrung des interkulturellen Miteinanders dafür sorgen, dass tolerante Erwachsene eine europäische Gesellschaft mitgestalten, für die das interkulturelle Miteinander über Grenzen hinweg zum Selbstverständnis wird. Das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW) wurde zeitgleich mit der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags ins Leben gerufen und ist ein wichtiger Eckpfeiler der deutsch-polnischen Verständigung. Das Interesse der Jugendlichen ist auch nach 25 Jahren ungebrochen.
Das DPJW verfolgt die Aufgabe, das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen der Jugend Deutschlands und Polens zu fördern. In den vergangenen 25 Jahren fanden mehr als 70.000 Jugendbegegnungen statt, an denen 2,7 Millionen Jugendliche beider Länder teilnahmen. Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen jedoch bei Weitem nicht aus, den vielen Förderanträgen zu entsprechen. Darum forderte die GRÜNE-Fraktion im Bundestag am 9. Juni 2016 mit einem Antrag, die Mittelausstattung des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes zu erhöhen. Auch der Bundesrat hat am Tag des 25-jährigen Jubiläums der Gründung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks die Bundesregierung aufgefordert, die finanziellen Zuwendungen zu erhöhen.
In Anlehnung an den Vertrag der Deutsch-Französischen-Zusammenarbeit möchte ich über die Potentiale der deutsch-polnischen Beziehung einen Ausblick wagen.
Ich wünsche mir, dass die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern selbstverständlicher Teil des Alltags bleiben und Vorbild werden für die gelebte Versöhnung in Europa.
Die heutige Debatte möchte ich zum Anlass nehmen, alle einzuladen, die polnischen Nachbarn ganz individuell zu entdecken – nicht nur die aktuelle europäische Kulturhauptstadt Breslau lädt dazu ein.
Versöhnung und Frieden zwischen den Menschen muss unser aller Ziel sein.