Gerd Lippold: Bereits vor etwa 5 Jahren wurde in NRW eine außergerichtliche Anrufungsstelle Bergschäden Braunkohle eingerichtet
Rede des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold zu den Anträgen von Linken und GRÜNEN:
"Schlichtungsstelle für Bergschäden einrichten"
21. Sitzung des Sächsischen Landtags, 07. Oktober 2015, TOP 7
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
wir haben parallel zu den Linken nach eingehender Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen an einem Antrag zur Einrichtung einer Bergschaden-Schlichtungsstelle gearbeitet.
Auch wenn dabei mit ähnlicher Begründung ähnliche Ansätze entstanden sind, sehen wir die möglichen Pfade zur raschen Einrichtung einer solchen, sicherlich notwendigen Stelle anders als im Antrag der Linken. Deshalb haben wir uns entschlossen, unseren Antrag ebenfalls einzureichen und gemeinsam zu diskutieren.
Auch in Sachsen erfordert die Gewinnung der Braunkohle großräumige Grundwasserabsenkungen. Deshalb kann es auch in Sachsen – zum Teil noch Jahrzehnte nach der Beendigung des Bergbaus – in Abhängigkeit von der Struktur des Untergrundes zu Bergschäden kommen. Durch Grundwasserabsenkung und -wiederanstieg können im größeren Umkreis von bis zu 20 Kilometern Schäden an Gebäuden, Grundstücken, Wegen und technischen Anlagen entstehen. Anders als etwa beim untertägigen Steinkohlebergbau gibt es beim Braunkohletagebau keine gesetzliche Bergschadenvermutung. Betroffene, die Bergschäden vermuten, müssen diese Ursache jeder für sich mit zum Teil enormem Aufwand nachweisen, wenn der Bergbautreibende Schadenersatz zunächst ohne Prüfung ablehnt.
Bereits vor etwa 5 Jahren wurde in Nordrhein-Westfalen eine außergerichtliche Anrufungsstelle Bergschäden Braunkohle eingerichtet. Sie dient der Beilegung von einzelfallbezogenen Streitigkeiten zivilrechtlicher Art, die sich zur Frage der bergbaulichen Verursachung von Sachschäden durch Auswirkungen der Sümpfungsmaßnahmen des Braunkohlenbergbaus oder zur Frage der Entschädigungshöhe ergeben.
Sie unterstützt dabei einerseits Privatpersonen oder kleine und mittlere Handwerks- und Geschäftsbetriebe und andererseits den Bergbautreibenden.
Die Erfahrungen mit einer solchen Schlichtungsstelle, die Betroffenen Beratung und Unterstützung bietet, sind positiv. Sie hat sich als vorteilhaft für beide Seiten – Betroffene und Unternehmen – herausgestellt.
Wir fordern die Staatsregierung in unserem Antrag dazu auf, mit den Bergbautreibenden und der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) Gespräche über die Einrichtung einer Schlichtungsstelle für Bergschäden zu führen, dem Landtag bis Ende 2015 ein Schlichtungsstellen-Konzept vorzulegen und eine Schlichtungsstelle bis April 2016 einzurichten.
Unser Antrag wird gemeinsam mit einem Antrag für eine gemeinsame Schlichtungsstelle der Länder und des Bundes der linken Fraktion im Sächsischen Landtag debattiert.
Im Rot-Rot-regierten Nachbarland Brandenburg existiert seit 2013 ein Landtagsbeschluss zur Einrichtung einer Schlichtungsstelle. Jedoch hat die folgende, zähe Diskussion mit Bund, Nachbarländern und Unternehmen zum gemeinsamen Vorgehen bis heute jeden greifbaren Fortschritt für die Betroffenen verhindert.
Am letzten Freitag hat der Staatssekretär des Brandenburger Ministeriums für Wirtschaft und Energie, Herr Fischer, auf einer Veranstaltung in Spremberg erklärt, man hätte ja gewollt, aber man hätte am Ende eine klare Absage vom Bund bekommen. Bereits am 16. September hatte der Brandenburger Landesminister Gerber im Wirtschaftsausschuss des Brandenburger Landtages einen Brief vom 14.9. verlesen, in dem sich der Bund weigerte, eine Schiedsstelle einzurichten.
Fazit: Brandenburg und Sachsen haben sich gemeinsam für diese Stelle ausgesprochen, konnten den Bund aber nicht zum Einlenken bewegen.
Warum also, liebe Linke, wollen Sie uns hier in Sachsen über eine Brücke führen, die soeben zusammengebrochen ist? Wenn es Ihnen, so wie uns, um die rasche Einrichtung der von den Betroffenen so sehr vermissten Anlaufstelle geht, so sollten wir die Staatsregierung auch dazu auffordern, nach wirklich gangbaren Wegen zu suchen!
Deshalb bauen wir im Unterschied zu den Linken nicht ausschließlich auf eine Bund-Länder-Lösung, sondern halten im Interesse realer Fortschritte ausdrücklich auch einen zunächst sächsischen Vorstoß in Zusammenarbeit mit den hier ansässigen Bergbauunternehmen nach dem Vorbild der NRW-Schlichtungsstellen für denkbar. Das wäre nicht die große Lösung, aber immerhin ein Signal und eine wichtige Unterstützung für die Betroffenen.
Die Staatsregierung sehen wir in der Verantwortung, ernsthaft nach einer raschen und pragmatischen Lösung zu suchen. Wer mit energiepolitischen und landesplanerischen Leitlinien den Rahmen für Planung, Genehmigung und Betrieb dieser Tagebaue liefert, der ist auch bei den Folgen dieser Entscheidungen gemeinsam mit den bergbautreibenden Unternehmen in der Pflicht, die Betroffenen nicht allein zu lassen. Die Herstellung von Augenhöhe bei der Vertretung ihrer Interessen – das ist doch wohl das Mindeste, was eine Staatsregierung ihren von solchen Entscheidungen unmittelbar betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen sollte!
Da wurde und wird im Vorfeld von großen Tagebau/Kraftwerksprojekten mit tollen Perspektiven geworben. Es wird geworben, um diese Projekte trotz bekannter Risiken und Nebenwirkungen gesellschaftlich akzeptabel zu machen und umzusetzen. 7000 Arbeitsplätze wurden Anfang der 90iger Jahre versprochen, wenn man in Lippendorf ein neues Kraftwerk baue und dafür im benachbarten Tagebau das Dorf Heuerdorf schleife. Etwa jeden Zehnten dieser Arbeitsplätze gibt es heute. Jahrzehntelang wurde der Erde dort und anderswo das schwarzbraune Gold entrissen. Man sollte meinen, die Teilhabe an der Wertschöpfung sollte eigentlich dort und im Ruhrgebiet prosperierende Kommunen mit exzellenter Infrastruktur hinterlassen haben, oder? Schauen Sie sich doch heute Espenhain, schauen sie sich Borna an. Richten Sie Ihren Blick auf Hoyerswerda, auf Weißwasser. Welche Teilhabe bleibt dort von all den der Erde entrissenen Reichtümern, wenn die Kohle geht?
Wir hören von der Staatregierung, aus schmutzigen Kohlelöchern würden schließlich attraktive Folgelandschaften werden. Haben Sie da nicht vergessen, dass dort zunächst attraktive Landschaften waren, die in schmutzige Kohlelöcher verwandelt wurden? Was also genau ist denn die Teilhabe der Menschen an den Schätzen, die genau unter ihrer wunderschönen Kulturlandschaft lagen?
Und so kommt in den Revieren nach dem Abzug der Bagger die Erkenntnis, nur so lange wirklich wichtig gewesen zu sein, so lange man die Kohle in der Nachbarschaft noch nicht herausgeholt hatte. Verstärkt noch durch die Erfahrung Betroffener, allein gelassen zu werden, wenn Bergbaufolgen das eigene Haus, das eigene Grundstück treffen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns aus diesem hohen Haus den Betroffenen, die bisher allein gelassen wurden, das Signal senden, dass sich staatlich Handelnde auch dann noch kümmern, auch dann noch Verantwortung zeigen, wenn keine Bodenschätze mehr locken, wenn es ans Aufräumen geht.