Gerd Lippold: Für ernst gemeinte parlamentarische Kontrolle ist ja die Opposition da

Rede des Abgeordneten Gerd Lippold zum Antrag der CDU und der SPD-Fraktion "Energieforschung und Speichertechnologie in Sachsen stärken" ( Drs 6/2974) 
23. Sitzung des Sächsischen Landtags, 19. November 2015, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Es scheint durchaus sinnvoll nachzufragen, welche Akteure in Sachsen in der Energie- und Speicherforschung (noch) existieren, woran sie arbeiten und wie der Freistaat unterstützen kann.  
Die Stellungnahme der Staatsregierung zu Ihrem Antrag erklärt, warum Sie von der Regierungskoalition in Ihrem Ministerium auf diesem zeitraubenden Weg nachfragen.
Sie haben nachgeschaut, was die Staatsregierung bereits tut, um dann die Staatsregierung nochmal zu ersuchen, es zu tun.
Das SMWA hat bereits im September genau den Prozess gestartet, zu dem sie die Staatsregierung nun im November aus dem Landtag heraus auffordern wollen.
Nun gut – für ernst gemeinte parlamentarische Kontrolle ist ja die Opposition da.
Auch in der Politik ist es zuweilen wie beim Fußball. Die Akteure spielen sich innerhalb ihrer Mannschaft mit wechselndem Geschick die Bälle zu, um möglichst Treffer zu landen.
Ausreichende Präzision ist da wie dort schon erforderlich, denn so ein Ball kann sonst überall landen – auf dem Fuß der Gegenseite, im Aus oder schlimmstenfalls sogar im eigenen Tor.
Kommen wir also zur Präzision. Wenn sich Ihr Antrag tatsächlich an den Sächsischen Landtag richtet und nicht ausschließlich Stichwortgeber für das SMWA ist, dann müssen Sie hier – und zwar in Ihrem Antrag – schon aufschreiben, worum es eigentlich geht.
Was sie unter Energieforschung verstehen wollen, bleibt im Antragstext Ihr Geheimnis: wollen sie jetzt neue Generationen von Kernreaktoren voranbringen, wollen sie neue Kohle-Kombikraftwerke als Bestandteil ihrer „egal wofür – Hauptsache Löcher baggern“-Strategie fördern (ich denke, das haben sie auch im Sinn), oder wollen Sie Sachsens Position im globalen Megatrend der Energieeffizienz- und Regenerativenergietechnologien stärken? 
Auch ihren Auftrag an die Staatsregierung zum Thema Speichertechnologie konkretisieren Sie nicht: an was denken Sie denn da? Wärme, elektr. Energie, chemische Energieträger?
Immerhin tauchen ja in der Antragsbegründung auch Begriffe wie Energiewende, dezentrale Speicher- und Stromerzeugungstechnologien auf. Ich vermute also, dass es darum auch in Ihrem Antrag gehen soll und beschränke mich im Weiteren auf dieses Feld.
Und da geht es nun um die Frage, in welches Tor der Ball dabei geht – um bei dem Fußballbild zu bleiben.
Sie wollen die Förderung der Entwicklung von Speichern. Ja, dafür kann und sollte man Geld ausgeben, auch wenn das keineswegs die heute dringlichste Flexibilitätsoption für die Energiewende ist. 
Was aber nützt das, wenn Sie die Umsetzung dann mit Ihrer eigenen Energiepolitik konterkarieren? Wenn Sie den wirtschaftlichen Perspektiven etwa am Markt für Flexibilitätsoptionen mit Ihrer Energiestrategie einfach den Boden entziehen? Die nötigen Preissignale für Investoren-taugliche Flexibilitätsgeschäftsmodelle, die die Energiewende wirklich braucht, werden aktiv verhindert, wenn sie riesige, unflexible, fossile Überkapazitäten wider alle klimapolitische Vernunft am Netz halten wollen!
Mit Ihrem energiepolitischen Ansatz, meine Damen und Herren, hätte man nach erfolgreicher Entwicklung und Einführung der Eisenbahn zunächst einmal die Rettung der Postkutsche für vorrangig erklärt. Um sich dann beide – jeweils mit viel Geld unterstützt – jahrelang gegenseitig im Weg stehen zu lassen. 
Ja, meine Damen und Herren, eine starke Position sächsischer Forschungseinrichtungen und Unternehmen beim Thema elektrische Speicher – und zwar herunter dekliniert bis zu den Basiskomponenten Elektrode und Zelle – wäre wichtig für die Wettbewerbsposition entlang der gesamten Wertschöpfungskette für viele zukunftsfähige Anwendungen.
Das ist allerdings keineswegs nur eine Frage der Forschungserfolge. Das lässt sich auch an sächsischen Beispielen belegen. Am Standort Kamenz sind u.a. in die innovativen Stromspeicherentwicklungen bei Ionity und Li-Tec viele Millionen an Fördergeldern und Beteiligung geflossen. Unternehmen und Technologie wurden mit Preisen ausgezeichnet und bekamen namhafte Partner, die am Ende entschieden, die Batteriezellenproduktion in Sachsen….einzustellen und diese lieber aus Asien zu beziehen. Das Produkt selbst sei zwar durchaus wettbewerbsfähig, werde aber nicht in ausreichender Stückzahl nachgefragt, damit sich die Produktion rechne.
Eine der wichtigsten Pilotanwendungen liegt im Bereich der Elektromobilität. Auch hier: statt entschlossener Marktanreizprogramme vor allem Symbolpolitik in Deutschland. Auch Sachsen, obwohl es doch Produktionsstandort hochinnovativer elektrischer Automobile ist, hat sich da keineswegs mit Initiativen hervor getan. Immer wieder lassen wir uns gerade im Energie- und Speicherbereich nach Forschungserfolgen die Butter vom Brot nehmen und rufen dann nach immer neuen Forschungsrunden. 
Warum macht sich Sachsen im Umgang mit der Energiewende immer dann vom Acker, wenn es tatsächlich ans Ernten von Erfolgen, ans Geld verdienen geht?
Schaut man sich etwa die Salden der EEG-Zahlungsflüsse an, so kommt aus diesem Topf unserem Nachbarland Sachsen-Anhalt jährlich etwa eine halbe Milliarde Euro zu Gute, Brandenburg 0,8 Milliarden, Thüringen hat eine etwa ausgeglichene Bilanz, während Sachsen Nettozahler mit fast einer Viertelmilliarde Geldabfluss pro Jahr ist. Ein teures Ergebnis der Energiewende-Blockadepolitik der letzten Staatsregierung!
Stattdessen stellen sie sich immer wieder dort an, wo es teure Schilder fürs Schaufenster gibt – für die Präsentation einer Politik, in der es darum geht, darzustellen, wie viel man in etwas gesteckt hat ohne wirklich zu hinterfragen, was dabei nachhaltig heraus kommt – zumindest bei ungeliebten sächsischen Energiewende-Fortschritten.
Die Ersuchen an die Staatsregierung in Ihrem Antrag sind – für sich allein betrachtet – auch aus unserer Sicht nicht falsch. Es kommt aber auf den Kontext an. Und im Kontext Ihrer energiepolitischen Strategie, meine Damen und Herren von der Koalition, erscheint das Ganze dann doch nur als eine Demonstration von Schaufensterpolitik. Meine Fraktion wird sich deshalb bei der Abstimmung enthalten.
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