Gerd Lippold: In Sachen Klimaschutz und Kohleausstieg sind die Hauptgegner der CDU-Fraktion nicht die GRÜNEN oder die LINKEN hier im Landtag. Ihr Hauptgegner ist die Realität.

Redebausteine des Abgeordneten Gerd Lippold zur Aktuellen Debatte:
"Mit der Braunkohle als Brückentechnologie den Strukturwandel gestalten – Die Lausitz braucht Zukunft und keine Gewalttäter" (CDU/SPD)
34. Sitzung des Sächsischen Landtags, 26. Mai 2016, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin schon sehr verwundert, meine Damen und Herren, über die Art der Debatte. Da erzählen Sie – insbesondere Sie von der CDU − uns in diesem hohen Haus wieder und wieder, wie wichtig es ist, bei Pegida-Aufmärschen und ausländerfeindlichen Demonstrationen zu unterscheiden zwischen ein paar rechtsextremen Figuren und einem Gros an Menschen, deren Sorgen Politik ernst zu nehmen habe.
Und dann liefern Sie hier Beispiele von völlig undifferenzierter Betrachtung ab, die einfach nur absurd sind.
Ja, meine Damen und Herren, die Wenigen, die die Grenzen und den vereinbarten Konsens der Nichtregierungsorganisationen in nicht tolerierbarer Weise überschritten haben, sehen sich mit Ermittlungsverfahren und eventuell auch Strafverfolgung konfrontiert. Das ist richtig und das ist gut. Das ist gut, weil nur so sauber und ohne ideologische Aufgeregtheiten und Vorverurteilungen geklärt werden, ob und wenn ja ,welche Straftaten von wem begangen worden sind.
Und genau das ist auch die Vorgehensweise im Rechtsstaat, während Sie hier faktisch verlangen, diejenigen, die friedlich demonstrieren, mögen doch jene kontrollieren, die das nicht tun und sich für diese in Kollektivhaftung nehmen lassen. Das ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar und das wissen Sie und deshalb ist das in diesem Haus schon eine sehr verwunderliche Vorstellung.
Nicht nur der Rechtsstaatlichkeit wegen lehnten und lehnen wir die Grenzüberschreitungen Einzelner ab – sie sind darüber hinaus auch unsinnig.
Es gibt nämlich eine breite gesellschaftliche Mehrheit für entschlosseneren Klimaschutz und für den möglichst raschen Abschied von der Kohle.
Selbst in den Revieren ist vielen Entscheidungsträgern klar – viel klarer übrigens als manchem hier im Landtag − dass diese Ära zu Ende geht und der Blick nach vorn gerichtet werden muss. Man muss diese Menschen nicht zum Jagen tragen. Man muss mit ihnen reden und gemeinsam Konzepte für die Zukunft erarbeiten.
Das haben wir vor dem Pfingstwochenende getan, das haben wir während des Wochenendes getan und das tun wir auch danach.
Was wir seit Tagen erleben, meine Damen und Herren, ist ein durchsichtiger Versuch zur Spaltung der Klimaschutzbewegung nach demselben Schema, wie das schon mit der Anti-Atombewegung versucht worden ist, was im Übrigen auf ganzer Linie gescheitert ist.
Ich denke gar nicht daran, meine Damen und Herren, in Ihrer Lehrbuch-Framing-Strategie die gewünschte Rolle zu spielen und mich von tausenden Menschen zu distanzieren, die um die Erhaltung der Lebensgrundlagen für künftige Generationen ehrlich besorgt sind und deshalb zu Demonstrationen und friedlichem Protest ins Braunkohlerevier gefahren sind.
Wenn Sie nicht endlich anfangen, sich über die Ursachen Gedanken zu machen, dann fällt Ihnen die undifferenzierte Stigmatisierung dieser Menschen selbst auf die Füße.
Begreifen Sie doch: diese Bewegung wird nie wieder kleiner, solange die Ursachen für ihre Entstehung nicht erfolgreich in einem gesellschaftlichen Konsens aufgelöst werden.
Der Konflikt wird sich im Konsens auflösen oder er wird sich noch weiter zuspitzen, bevor er aufgelöst wird. Wir haben am Pfingstwochenende den ersten Schritt in Richtung Zuspitzung erlebt. Nicht Wir, sondern Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben es in der Hand, wie weit er sich noch zuspitzt.
Mit der Art, wie Sie hier tausende Menschen pauschal diffamieren und diskreditieren, haben Sie sicherlich mit Stand heute bereits wesentlich mehr Klimaschutz-engagierte Menschen auf die Straßen und an die Tagebaukanten gerufen, als meine Partei das mit Demonstrationsaufrufen je geschafft hätte.
Das ist dann vielleicht auch Ihre größte Leistung für den nationalen Klimaschutz in dieser Wahlperiode.
In Sachen Klimaschutz und Kohleausstieg sind Ihre Hauptgegner doch nicht die GRÜNEN oder die LINKEN-Abgeordneten hier im Landtag. Nicht dass Sie auf falsche Ideen kommen – wir geben uns da schon Mühe – aber das wäre doch zu viel der Ehre. Ihr Hauptgegner ist die Realität. Die Realität einer Energiewende, in der an den letzten Wochenenden rund 90 Prozent der gesamten Stromversorgung der viertgrößten Wirtschaftsnation der Welt aus Sonne, Wind, Biomasse und Wasser erfolgte.
Nur noch wenige Prozent der Gesamtlast bleiben da stundenlang für den gesamten fossilen Kraftwerkspark. Es ist vorbei, das Geschäftsmodell der unflexiblen Grundlastkraftwerke, meine Damen und Herren. Und es kommt nicht wieder. Lassen Sie uns endlich daran arbeiten, den gesteuerten Ausstieg aus der Braunkohle so zu gestalten, dass er sich zu einem neuen Geschäftsmodell entwickeln lässt.
Angesichts der wirtschaftlichen Perspektiven können Sie doch nicht ernsthaft glauben, die Braunkohle sei das Geschäftsmodell, das den Strukturwandel in der Lausitz bezahlen könne!?
Sie kann ja nicht mal mehr genug verdienen, um die Schäden zu bezahlen, die sie angerichtet hat. So äußerten sich jene, die mit ganzen Expertenteams im Vattenfall-Datenraum tief in die Bücher schauen konnten und sich dann entschlossen haben, kein Angebot für die modernste Braunkohlenkraftwerksflotte Europas abgeben zu wollen.
Und wenn da der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke vor wenigen Tagen auf dem Braunkohlentag meinte, die Veräußerung an den einzig verbliebenen Bieter EPH – der übrigens einen Haufen Geld bekommt statt bezahlt – sei "Gold" wert, so kann das sogar sein. Es ist nur die Frage, wessen Geld das am Ende kostet. Es ist unsere Aufgabe in diesem Parlament, meine Damen und Herren, uns darum zu kümmern, dass es nicht das Geld der Bürgerinnen und Bürger, der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ist.
Beschäftigen Sie sich endlich mit den realen Problemen um die Braunkohle, meine Damen und Herren, anstatt immer wieder Ihre Gebetsmühle mit dem Brückentechnologie-Mantra zu drehen, die schon heftig knirscht.
Glauben Sie denn wirklich, sie könnten sich, indem Sie in der Lausitz eine Wagenburg aufbauen und die Wagen enger rücken, von einem nationalen und globalen Entwicklungspfad abkoppeln? Wenn das ihr Plan ist, meine Damen und Herren, dann berauben Sie sich nicht nur der Möglichkeit, in einer gesellschaftlichen Konsensfindung zum Ende der Kohleära in Deutschland Teil der Lösung zu werden.
Sie laufen darüber hinaus Gefahr, hier in Sachsen, ob nun in Rohne oder in Pödelwitz, das Wackersdorf der deutschen Braunkohlenwirtschaft zu erleben.

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