Geschlechtsspezifische Medizin: Es braucht ein gutes Konzept für eine wirklich individuelle Prävention und Behandlung von Männern und Frauen

Rede der Abgeordneten Katja Meier zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD: "Männer, Frauen und Gesundheit – Versorgung, Forschung und Lehre in Sachsen stärken" (Drs. 6/12499)
73. Sitzung des Sächsischen Landtags, 31. Mai, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –  

Herr Präsident, meine Damen und Herren,
die Koalitionsfraktion haben mit ihrem Antrag erfreulicherweise ein sehr wichtiges gesundheits- und gesellschaftspolitisches Thema aufgegriffen.

Medizinische Erkenntnisse darüber, dass Frauen und Männer unterschiedliche Risikofaktoren für Krankheiten mitbringen, unterschiedliche Krankheitssymptome aufweisen und unterschiedlich auf Medikamente reagieren, gehören mittlerweile zum Allgemeinwissen.

Vor einigen Jahren hat sich die Deutsche Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin gegründet.

Die hier versammelten Medizinerinnen und Mediziner sind überzeugt, dass Menschen noch mehr von Prävention und Therapie profitieren, wenn geschlechtsspezifische Unterschiede wahrgenommen und adäquat bei Frauen und Männern angesprochen werden.

Und wie sieht es in diesem Bereich im Freistaat Sachsen aus?
Leider ziemlich schlecht.
Die Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag ist so unzureichend wie die Bemühungen der Sozialministeriums auf dem Gebiet der geschlechtsspezifischen Medizin und entsprechenden gesundheitlichen Aufklärung.

Abgesehen von Allgemeinplätzen, ausweichenden Verweisen oder schlicht inhaltsleeren Antworten offenbaren die Ausführungen von Frau Staatsministerin Klepsch die traurige Realität:

Wenn in vom Sozialministerium geförderten Projekten auch geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt werden, ist das eher ein Zufall.

Geschlechterspezifische Fragen werden eventuell mitgedacht und abgehandelt – das kennen wird ja von der CDU – Frauen sind immer mitgemeint, konkrete Auswirkungen auf sie interessieren aber nur wenig.

In der Gesundheitsberichterstattung spielt das Geschlecht nach Aussage von Frau Klepsch eine Rolle, wenn es bei der Datenerhebung berücksichtigt wurde.
Aber wann dieses Merkmal bei der Datenerhebung berücksichtigt wird und wer eigentlich darüber entscheidet, ob es eine Rolle spielt – das weiß keiner so richtig und wird wohl nach gutdünken entschieden.

Die Antworten des SMS zu den medizinischen Fakultäten in Sachsen waren erschreckend:

Gefragt nach Lehrinhalten zu geschlechterspezifischer Medizin präsentiert die Uni Leipzig die „Karriereplanung für Medizinerinnen“.
Das ist ja grundsätzlich löblich, hat aber nichts mit geschlechterspezifischer Medizin zu tun!

Dann wird auf urologische und gynäkologische Lerninhalte verwiesen.

Es geht im Antrag der Koalition weder um Karrierewege von Medizinerinnen noch um althergebrachte, natürlich bedingt unterschiedliche Lehrinhalte.
Es geht darum, dass die Gesundheitsforschung die gesundheitlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern angemessen berücksichtigt – in der Gesundheitsberichterstattung, in der Entwicklung von Diagnoseverfahren und bei Therapien.

Es geht um eine geschlechtersensible Struktur des Gesundheitswesens, die in der gesundheitlichen Versorgung und bei der Gesundheitsförderung den Bedürfnissen von Frauen und Männern entspricht.

Das schafft das Uniklinikum Dresden schon eher, zumindest im Bereich der Psychiatrie.

Auf die Forderung der Koalitionsfraktionen nach einem ganzheitlichen, umfassenden und von allen Beteiligten gemeinsam erarbeiteten Konzept antwortet das Sozialministerium, dass „perspektivisch weitere konzeptionelle Überlegungen absehbar“ seien.
Unkonkreter und auch unmotivierter geht es ja gar nicht.

Dabei werden unter ihrem Dach, nämlich im Gleichstellungsministerium erste Schritte in diese Richtung getan:

Der Gleichstellungsbeirat hat eine Arbeitsgruppe zur Frauen- und Männergesundheit, das SMGI fördert Projekte sowohl zur Frauen- als auch zur Männergesundheit.

Offensichtlich haben die zuständigen Referate beider Ministerien noch nicht zueinander gefunden.

Liebes Sozialministerium, liebe Frau Klepsch:

Es braucht ein gutes Konzept für eine wirklich individuelle und damit auch geschlechtsspezifische Prävention und Behandlung der Menschen in Sachsen.

Deswegen unterstützen wir die Forderungen der Koalitionsfraktionen.

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