Gesetz zu Ausreisegewahrsam − Zais: Ausreisegewahrsam macht krank und wir stehen dafür, Alternativen zur Inhaftnahme zu stärken

Rede der Abgeordneten Petra Zais zur Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung: "Sächsisches Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz (SächsAusrGewahrsVollzG)", 54. Sitzung des Sächsischen Landtags, 17. Mai, TOP 3, Drs 6/6352

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das wir den Gesetzentwurf zum Ausreisegewahrsam ablehnen, haben wir mit unserem Antrag zum letzten Plenum deutlich gemacht. Ausreisegewahrsam macht krank und wir stehen dafür, Alternativen zur Inhaftnahme zu stärken.

Unsere Ablehnung aus tiefster Überzeugung beruht auf 2 Argumentationslinien, die ich ihnen hier nochmals darlegen möchte. 

Die Ablehnung bezieht sich zunächst auf die bundesrechtliche Grundlage in Form des § 62 b Aufenthaltsgesetz. Hier teilen wir die Auffassung des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, dass dieser Paragraf gegen Europarecht und Bundesrecht verstößt.

Alle bisher vorgebrachten Argumente für das Gesetz beziehen sich im Kern auf die Erleichterung der Durchsetzung der Abschiebung. Damit steht die Zulässigkeit einer solchen Haftform in Frage, denn der Eingriff in die Freiheit als persönliches Rechtsgut ist nicht zu rechtfertigen mit dem reibungslosen Ablauf von Verwaltungsvorgängen – nichts anderes sind Abschiebungen.

Die EU-Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) verlangt für die Verhängung von Abschiebungshaft, und nichts anderes ist der Ausreisegewahrsam, die zuvor festgestellte Fluchtgefahr. Die Kriterien für die Fluchtgefahr müssen objektiv sein und in einem Gesetz definiert sein. Das ist in § 62b AufenthG nicht passiert.

Zudem ist § 62b AufenthG verfassungsrechtlich bedenklich. Es bestehen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit. Außerdem ist der verfassungsrechtlich garantierte effektive Rechtsschutz gefährdet. Wie soll ein Mensch während einer viertägigen Inhaftierung eine gerichtliche Überprüfung einer Haftanordnung erreichen? Das ginge nur, wenn die Staatsregierung entsprechende Rechtsberatung und -vertretung vor Ort bereit stellen würde, so wie bei Untersuchungsgefangenen. Zur komplizierten Rechsmaterie habe ich mich bereits im April geäußert.

Auch der Gesetzentwurf der Staatsregierung verstößt gegen Bundesrecht und Europarecht.

Der ‚Ausreisegewahrsam‘ – so der Bundesgesetzgeber – soll nicht in normalen Abschiebungshafteinrichtungen, sondern im Transitbereich von Flughäfen oder in einer Unterkunft vollzogen werden, von der aus die Ausreise möglich ist. Beides trifft für den gewählten Standort hier in Dresden nicht zu. Ja, vom Flughafen Dresden aus sind nicht einmal Flüge in aufnahmebereite außereuropäische Länder möglich. § 62b Absatz 2 AufenthG ist zwingend! Darin steht nicht, dass die Länder entscheiden könnten, wo der Ausreisegewahrsam vollzogen wird.

Seit einem Urteil des EuGH im Jahr 2014 darf Abschiebungshaft nicht mehr in Strafhaftanstalten vollzogen werden. Die Bedingungen der Abschiebungshaft müssen sich wesentlich vom Vollzug einer Strafe unterscheiden. Sie aber verweisen ausschließlich und pauschal auf Regelungen des Strafvollzugsgesetzes, was sowohl dem Trennungsprinzip als auch der Rückführungsrichtlinie widerspricht.

Außerdem sind Ihre Verweise unsinnig. Welchen Sinn macht der Verweis auf die Regelung zum Hafturlaub oder zur Anstaltskleidung oder zur Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt? Auch die Eile beim Gesetzgebungsverfahren rechtfertigt nicht Schluderei.

So wie Sie das Gesetz formuliert haben, sollen sich die Normadressaten – und das sind hier die Bediensteten, die in der Ausreisegewahrsamseinrichtung arbeiten und auch diejenigen, die in der Einrichtung inhaftiert sind – dann wohl selbst aussuchen, welche Norm anwendbar ist und welche nicht! Das kann es ja wohl nicht sein! Das ist absoluter Unfug!

Selbst wenn Sie der Auffassung sind, dass die begrenzte Geltungszeit des Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetzes die Mühe nicht wert ist, kann ich ihnen nur entgegenhalten:
Das geht so nicht! Das entspricht nicht rechtsstaatlichem Handeln! Hier geht es nicht um eine Lappalie. Es geht um Menschen, in deren Grundfreiheit durch eine Inhaftierung massiv eingegriffen wird. Der Gesetzentwurf ist deshalb abzulehnen.

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