GRÜNER Gesetzentwurf Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten – Zais: Integration kann nur dort gelingen, wo es umfassende Teilhabemöglichkeiten gibt

Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke zum Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE zum Thema:
"Gesetz für Chancengerechtigkeit und zur Verbesserung der Teilhabe von Migrantinnen und Migranten im Freistaat Sachsen"
(Prioritätenantrag der Fraktion GRÜNE, Drs 6/15236, 8. November, TOP 6)  


– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir leben in Sachsen in einer Gesellschaft, die gekennzeichnet ist von Vielfalt von Herkunft, Sprache, Religion oder kulturellem Hintergrund. In Zahlen heißt das: Im Freistaat Sachsen leben derzeit circa 200.000 Menschen mit Migrationshintergrund. Das entspricht einem Anteil von rund 7,2 %.

Menschen mit Migrationshintergrund verfügen aber in Bezug auf Bildungserfolge, Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung sowie das gesellschaftliche Leben erkennbar noch nicht über die gleiche Teilhabe. Integration kann jedoch nur dort gelingen, wo es umfassende Teilhabemöglichkeiten zum Mitmachen und Gestalten des eigenen Lebensumfeldes gibt.

2017 arbeiteten in der öffentlichen Verwaltung rund 94.300 Deutsche und nur 325 Ausländer. In Kindertagesstätten und Schulen ist der Anteil ähnlich gering. So arbeiteten in Kindergärten rund 15.200 Deutsche und 183 Ausländer. In Schulen waren es rund 33.220 Deutsche und 636 Ausländer (vgl. Zahlen aus dem Jahresbericht 2017, S. 151 ff, Quelle Bundesagentur für Arbeit 31.12.2016)

Die Stimme und Anliegen von Menschen mit Migrationshintergrund sind im Freistaat Sachsen nur wenig bis gar nicht in demokratische Prozesse eingebunden. Angesichts dieser Befunde können teilhabefördernde und diskriminierungssensible Strukturen, Verfahren und Verhaltensweisen einen Beitrag dazu leisten, die beschriebenen Ungleichheiten zu beseitigen.

Integration ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft und sie braucht Leitplanken um gelingen zu können. Genau das will dieses Gesetz auch bewirken. Wir brauchen in Sachsen ein Teilhabe- und Integrationsgesetz. Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Anfang 2018 erarbeitetes Gutachten des Zentrums für Integrationsstudien der TU Dresden, welches das Sächsische Ministerium für Gleichstellung und Integration selbst in Auftrag gegeben hatte.

Danach ist der politische Handlungsbedarf dringlich. Das zeige sich auch mit Blick auf die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen sowie antidemokratischer Strömungen die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden. Anstrengungen im Bereich Integration seien daher nicht nur von Seiten der Zuwanderer und Personen mit Migrationshintergrund zu erwarten. Auch die Aufnahmegesellschaft und die Politik ist gefragt. Das sehen wir auch so. Das Staatsministerium für Gleichstellung und Integration hat bisher lediglich ein neues Zuwanderungs- und Integrationskonzept erarbeitet. Das finden wir auch begrüßenswert, aber es braucht mehr.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wie Baden-Württemberg, Berlin oder Nordrhein Westfahlen gibt es bisher in Sachsen kein Gesetz, dass die Teilhabe von Migrantinnen und Migranten verbessern und zum Abbau von Benachteiligung beitragen kann. Auch in Schleswig-Holstein wird gerade vom Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration (CDU) ein solches Gesetz erarbeitet.

Dabei gibt es eine gesetzgeberische Tradition in Sachsen zur Verbesserung der Teilhabe von spezifischen Gruppen, so zum Beispiel für Menschen mit Behinderung das sächsische Integrationsgesetz oder für im öffentlichen Dienst beschäftigte Frauen das Sächsische Frauenförderungsgesetz.

Mit dem Gesetz wollen wir eine verbindliche Rechtsgrundlage schaffen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen wesentlichen Bereichen der Gesellschaft: KITA, Schule, Beruf, in der Verwaltung und Politik.

Der Gesetzesentwurf sieht die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung sowie den Erwerb von interkultureller Kompetenz vor. Bisher fehlt es hier an aufeinander abgestimmten Konzepten. Das heißt: es soll der Erwerb von interkultureller Kompetenz durch Fortbildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen für alle Beschäftigten sichergestellt werden. Bei Stellenausschreibungen ist verpflichtend darauf hinzuweisen, dass Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht sind.

Weiterhin sieht der Gesetzesentwurf als Möglichkeit der politischen Teilhabe auf Landesebene einen Beirat für Migration und Integration vor. Damit wird erstmals eine rechtliche Grundlage geschaffen, welche die Zusammensetzung, Aufgaben und Befugnisse der Mitglieder eines solchen Beirates regelt. Bisher gibt es den Beirat für Migration und Integration, welcher nur das Staatsministerium für Gleichstellung und Integration berät. Die Zusammensetzung der Mitglieder ist nicht verbindlich geregelt, das wollen wir ändern.

Durch den Beirat besteht die Möglichkeit zur Integrationspolitik beitragen. Entscheidungsträger wie unser Landesparlament werden durch eine repräsentative Vertretung über Standpunkte und Bedürfnisse von Zuwandern informiert. Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung tut dies schon auf einem anderen Gebiet.

Die Teilhabe an politischen Entscheidungen und Prozessen ist neben Bildung und Arbeit wichtig für die Integration.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf den ebenfalls von den GRÜNEN vorgelegten Gesetzesentwurf zur Einführung des Kommunalwahlrechts hinweisen. Mit diesem fordern wir eine Rechtsgrundlage für die aktive und passive Teilhabe an Kommunalwahlen für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Denn das Wahlrecht ist das wichtigste demokratische Mittel für die direkte Mitgestaltung des Zusammenlebens.

Unser Teilhabegesetz bekräftigt daher auch die herausragende Bedeutung der Einbürgerung für den Integrationsprozess und hebt hervor, dass die Einbürgerung von hier lebenden Ausländern und Ausländerinnen Landesinteresse ist.

Auch die Teilhabemöglichkeiten im Bildungsbereich wie in KITAs, Schulen und Hochschule sollen verbessert werden. Menschen mit Migrationshintergrund sollen in den entsprechenden Gremien als beratende Mitglieder beteiligt werden, etwa dem Landesbildungsrat oder dem Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderung.

Alle fünf Jahre ist ein Bericht zur Lage von Menschen mit Migrationshintergrund im Freistaat Sachsen vorzulegen.

Außerdem sollen die bestehenden Feiertage mit muslimischen und jüdischen Feiertagen ergänzt werden, damit auch Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Beschäftigte muslimischen oder jüdischen Glaubens das Recht haben, von Unterricht, Ausbildung oder Arbeit freigestellt zu werden. Auch das Bestattungsrecht soll angepasst werden, um Bestattungen nach muslimischen Recht zu ermöglichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ein echtes Recht auf Teilhabe geht uns alle an.

Solange immer noch Politiker und Politikerinnen auf kommunaler und Landesebene sich der Aufgabe zur Integration prinzipiell verweigern, bedarf es klarer politischer Zeichen für eine demokratische Integration der in Sachsen lebenden Menschen.

Wir brauchen nicht erst demnächst eine Debatte über ein sächsisches Integrationsgesetz, wie die Staatsministerin für Gleichstellung und Integration Köpping in ihrer Rede im sächsischen Landtag am 30.05.2018 meint, sondern jetzt.