Haushaltsdebatte Innenpolitik − Lippmann: Der Haushalt bleibt ein halbherziges Unterfangen, denn Sie ignorieren die wesentlichen Herausforderungen!
Rede von Valentin Lippmann in der Haushaltsdebatte zum Einzelplan 03 (Staatsministerium des Innern)
Donnerstag, 84. Sitzung des Sächsischen Landtages, 13. Dezember, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren,
die heutige Generalaussprache zum Einzelplan des Innenministeriums ist nicht nur eine Debatte über den Haushaltsplan, sondern wohl oder übel auch eine Aussprache über die Bilanz von einem Jahr Innenminister Prof. Wöller.
Weil man sich nicht nur hier im Landtag, sondern auch in der Öffentlichkeit fragt, was sich eigentlich seit der Demission von Markus Ulbig geändert hat. Das Ergebnis fällt bei Lichte betrachtet so ernüchternd aus, dass man sich unweigerlich wundert, warum der ehemalige Innenminister eigentlich den Platz räumen musste.
Wir erleben dasselbe halbherzige Herangehen an die Personalprobleme im Innenbereich, es ist derselbe frappierende Umgang mit schief gelaufenen Polizeieinsätzen wie zuvor und es ist dieselbe Gier nach neuen Überwachungsmaßnahmen gegen die Bürgerinnen und Bürger wie bei Ihrem Vorgänger. Der einzige Unterschied: Sie inszenieren Ihr Handeln stärker und machen noch wolkigere Versprechungen.
Aber: Schöne Fotos in Feldherrenattitüde und wöchentlich neue Ankündigungen sind keine solide Innenpolitik, sondern bestenfalls Ignoranz gegenüber einer Vielzahl von Problemen im Freistaat.
Sie ignorieren Fakten: Sie haben zwischendurch angekündigt, die 1.000 Stellen mehr bei der Polizei schneller auf die Straße zu bringen. Nur allein dafür hätte im Haushalt ein noch höherer Einstellungskorridor kommen müssen und dann hätten Sie sich vorher mal über die Zahl der angeblich so reichlich vorhandenen Polizeibeamten auf Verwaltungsstellen informieren müssen. Anders als behauptet gibt es die kaum! Zumindest konnte Ihr Ministerium mir die Zahl nicht mal beziffern!
Sie ignorieren, dass unsere Sicherheitsarchitektur einen Neustart braucht. Und zwar nicht mit einem Frontalangriff auf die Bürgerrechte durch ein verschärftes Polizeigesetz, sondern durch gut aufgestellte Behörden. Und dazu gehört neben mehr Polizei auch mal eine klare Betrachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz. Wir können wir uns – gerade in Zeiten schwerer Bedrohungen – keine Behörde leisten, die dysfunktional arbeitet und die stets dann überrascht, wenn was passiert.
Aber vielleicht wollen Sie die heilige Kuh des Trennungsgebotes auch deswegen schlachten und der Polizei immer weiter geheimdienstliche Befugnisse geben, weil Sie es dem Verfassungsschutz einfach nicht mehr zutrauen seinen Job zu machen. Aber dann sein Sie doch mal konsequent und machen Sie die Bude doch endlich zu, anstatt es immer weiter aufzublähen.
Sie ignorieren dramatische neue Herausforderungen. Der Klimawandel ist real und Dürren mit Waldbränden keine singulären Ereignisse. Deshalb müssen wir jetzt die Feuerwehr jetzt fit für die Bekämpfung von Waldbränden machen. Das bedeutet, dass wir den Feuerwehren passende Fahrzeuge finanzieren müssen und ja wir brauchen auch wieder Löschtechnik aus der Luft, um die Arbeit der Feuerwehren zu erleichtern.
Sie ignorieren die gewaltigen Probleme beim sozialen Wohnungsbau. Zwar hat die Koalition hier erheblich nachgebessert. Aber auch das Ergebnis ist nur der halbe Weg. Unser Problem ist bezahlbarer Wohnraum in den Ballungsgebieten – dort muss das Geld hin, was der Bund hierfür zur Verfügung stellt. Unsere Aufgabe ist es dort bezahlbare Wohnungen zu fördern und nicht den Flächenfraß durch den Bau von Eigenheimen in der Peripherie.
Und schlussendlich ignorieren Sie weiter das Personalproblem im Bereich des Innenministeriums. Behörden, die Ihre Aufgaben teilweise nicht mehr erfüllen können, wie die Landesdirektion brauchen keinen halbgaren Demografiepool, sondern endlich ausreichend Personal, damit Planfeststellungsverfahren zügig laufen und die Arbeitsschutzverwaltung mehr tun kann, als sich selbst zu verwalten.
Werte Kolleginnen und Kollegen der Koalition,
dass Sie wichtige Probleme angehen können und wirklich neue Wege gehen können, hat die Koalition durchaus gezeigt. Mit der deutlichen Aufstockung der Mittel für kommunale Prävention machen Sie es aus unserer Sicht genau richtig. Auch die Mittelaufstockung für den Katastrophenschutz löst eine große Ungerechtigkeit und stellt den Freistaat in diesem Bereich gut für die Zukunft auf. Von solchen Ideen, das sage ich ausdrücklich, wünsche ich mir mehr.
Aber, Sie können in diesem Haushalt so viele richtige Dinge tun – so lange Sie die wesentlichen Herausforderungen – fernab der Behauptung nun das Personalproblem der Polizei gelöst zu haben – ignorieren, ist und bleibt es ein halbherziges Unterfangen.
Wir GRÜNE stehen für eine neue, moderne Sicherheitsarchitektur, mit mehr Polizei vor Ort und ohne ein aufgeblähtes Landesamt für Verfassungsschutz, nicht aber für eine weitere Einschränkung von Bürgerrechten.
Wir stehen für ein entschlossenes Anpacken der Herausforderungen wie der Schaffung bezahlbaren Wohnraums oder der zeitgemäßen Ausstattung der Feuerwehren.
Dazu passt dieser Haushalt nicht. Deshalb lehnen wir ihn ab.
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