Kulturräume – Maicher: Aufstockung für Entlohnung war überfällig, ohne gesetzliche Absicherung im Kulturraumgesetz ist es aber keine langfristige Strategie

Rede der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und SPD: "Kultur in Sachsen – gut gemacht und gut bezahlt"
75. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. Juni, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort – 

Sehr geehrter Herr Präsident, loiebe Kolleginnen und Kollegen,
wir GRÜNE begrüßen die Aufstockung, zu der sich die Staatsregierung jetzt endlich durchgerungen hat. Das war angesichts einer Entlohnung von bis zu 30 Prozent unterhalb der Tarife für die Angestellten der Theater und Orchester überfällig.
Jahrelang haben wir uns für eine Aufstockung der Mittel eingesetzt. Bereits 2014 hat die GRÜNE-Fraktion konkretere Kriterien für eine Evaluation des Gesetzes eingefordert, damit diese die finanzielle Entwicklung langfristig betrachtet.
2015 haben wir auf der Basis vieler Gespräche einen Beschluss gefasst, eine wirksame Dynamisierung der Kulturraummittel einzufordern. Denn es war klar, es muss etwas passieren, damit Kulturräume ihre doppelte Herausforderung meistern können: Erhalt der kulturellen Infrastruktur und ihre Fortentwicklung. Die Förderung von neuen kulturellen Ausdrucksformen und bürgerschaftlichen Initiativen, die noch nicht etabliert sind.
Etwas irritiert bin ich von dem Vorgehen der Koalitionsfraktionen. Denn so aktuell die Lage der Kultur jederzeit ist, warum brennt das Alarmsignal bei Ihnen erst jetzt? Nachdem viele Jahre lang klar war, dass die Kulturräume geradezu "ausbluten". Die bisherigen Aufstockungen haben nicht einmal annähernd die Kostensteigerungen ausgeglichen, die sich über die vielen Jahre in einer Kürzungsspirale niedergeschlagen haben.
Ich hätte mir gewünscht – und das wäre doch im Geiste des breiten Konsens zum Kulturraumgesetz zwischen den meisten Fraktionen drin gewesen − dass Sie sich bereits bei der Novellierung dieses für Sachsen so wichtigen Gesetztes unseren Änderungsvorschlägen geöffnet hätten, wenn sie die Aufstockung ohnehin in der Pipeline gehabt haben. Stattdessen gab es überhaupt keine Aufstockung, sondern nur die Bestätigung der Mittelhöhe, die ohnehin im Haushalt stand.
Jetzt, drei Monate später, machen Sie das auf einem öffentlich besser verkaufbaren Sonderweg im Zuge der Haushaltsberatung in diesem Vorwahljahr 2018. Wenn Sie sich jetzt hier auf die Schulter klopfen wollen, dafür dass sie für eine Einsicht doch etwas lange gebraucht haben, bitte. Es ist jedenfalls für die Diskussion im Landtag und auch gegenüber der Öffentlichkeit nicht konstruktiv, wenn sie im Parlament nicht mit offenen Karten spielen.
Aber gut, besser ein spätes, als gar kein Einlenken nach so vielen Jahren Debatten und Konsultationen, Expertenanhörungen und Offenen Briefen. Die Kulturschaffenden nehmen die Erhöhung positiv auf, egal auf welchem Weg.
Es bleiben jedoch einige weitere Kritikpunkte. Das Thema ist nicht abgeräumt:
– Jetzt bekommen wir wieder eine Aufstockung nur im Haushalt. Die Kontinuität ist damit aber nicht so gesichert, wie über das Gesetz, das muss ihnen immer klar sein. Mit einer langfristigen Strategie hat das nicht viel zu tun. Langfristig verantwortungsvoll wäre es, die Kosten- und Angebotsentwicklung in den Kulturräumen zu beobachten und die Finanzierung dynamisch im Gesetz anzulegen.
Und jetzt sagen Sie nicht, das ist doch geschehen. Im Gesetz ist es höchst unverbindlich geregelt. Ein Kulturraumbericht reicht dafür nicht, wenn er nicht in der Verantwortung der Staatsregierung liegt und auf einer umfassenden Datengrundlage fußt, wie wir das bei der Novellierung vorgeschlagen haben.
– Das Ausreichen von sieben Millionen Euro als Strukturmittel ist ja faktisch ein Zuschuss für laufende Betriebskosten – aber außerhalb der allgemeinen Kulturraummittel. Das entspricht nicht so ganz der Idee des Gesetzes, wonach Kulturräume selbst über die Verteilung und Entwicklung aller Sparten entscheiden. Über diese Konstruktion werden wir weiter diskutieren müssen.
– Bei der Bezahlung in den Theaterhäusern schauen Sie genau hin, dass das Geld bei den Angestellten ankommt. Bei den anderen Sparten vertrauen Sie darauf, dass die Summe für eine gerechtere Bezahlung eingesetzt wird. Welche Zusicherung haben sie dafür von den Kulturräumen?
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an den Titel dieser Aktuellen Debatte erinnern: "Gut gemacht – gut bezahlt".
Für einen Werbeslogan ist das vielleicht in Ordnung. Aber auf die Gesamtsituation in der Kultur passt das nicht. Es klingt nach "auskömmlicher Finanzierung". Überlegen Sie sich eigentlich, welche Signale zu senden? Wie soll denn mit den weiteren drei Millionen für die restlichen Sparten eine wirklich "gute Bezahlung" in den Soziokulturellen Zentren, Bibliotheken und für die freien Kulturschaffenden erreicht werden? Hier nehmen Sie für meine Begriffe den Mund etwas zu voll. Lesen sie bitte die Stellungnahme der IG Landeskulturverbände zum ersten Teil des zweiten Sächsischen Kulturwirtschaftsbericht oder das Positionspapier der Deutschen Orchestervereinigung vom Mai 2018. Dann werden sie daran erinnert, wie finanziell prekär es um viele Kulturschaffende, vor allem freie Künstlerinnen und Künstler bestellt ist. Wir müssen weiter diskutieren, wie wir es schaffen können, für sie eine einigermaßen faire Vergütung zu erreichen. » Alle Infos zum 74./75. Plenum » Alle GRÜNEN Reden