Landesaktionsplan Vielfalt: zu spät, halbherzig, wenig konsequent

Rede der Abgeordneten Katja Meier zur Aktuellen Debatte "Landesaktionsplan Vielfalt von Lebensentwürfen jetzt konsequent umsetzen"
60. Sitzung des Sächsischen Landtags, 27. September, TOP 3
 
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Menschenbild von Herrn Wendt und der AfD ist gerade wieder offenbar
geworden. Sie wollen Menschen in Kategorien stopfen, weil es einfach ist, Menschen
in Kategorien zu stopfen. Aber Menschen leiden, wenn sie in Kategorien gestopft
werden, weil Kategorien ausschließen. Wir als Gesellschaft sollten es nicht wollen,
dass Menschen ausgeschlossen werden. Alle gehören zu dieser Gesellschaft dazu,
seien sie hetero-, seien sie homo-, seien sie trans- oder intersexuell.

Ich möchte es an drei Beispielen illustrieren: Stellen Sie sich vor, Ihre Enkelin wohnt
im Erzgebirge. Sie ist 17 Jahre alt, lesbisch und wird von ihren Mitschülern auf dem
Schulhof beschimpft. Stellen Sie sich vor, ein Kind wird geboren, und die Ärztinnen
und Ärzte können das Geschlecht nicht eindeutig festellen. Stellen Sie sich vor, Ihr
Kollege Wippel, der Polizist ist, hat einen Kollegen, der homosexuell ist und von
anderen Kollegen mit dummen Sprüchen belegt wird.

Ich möchte, dass Eltern in Sachsen unterstützt werden, wenn sie hier ein Kind
bekommen, das nicht eindeutig einem Geschlecht zuordenbar ist. Ich
möchte, dass der Polizist einen Ansprechpartner bei der Polizei hat. Ich möchte,
dass "schwul“ kein Schimpfwort auf sächsischen Schulhöfen ist. Genau dafür gibt es
diesen Aktionsplan für die Vielfalt von Lebensweisen. Seit Jahren ist er gefordert
worden. Unsere Fraktion hat dies in der vergangenen Legislaturperiode, im Jahr
2011, getan.

Die Erarbeitung hat lange gedauert. Zwischendurch habe ich schon gedacht, er sei
verschollen. Jetzt ist er da, er ist verabschiedet. Das ist — wir haben es heute schon
gehört — auf jeden Fall ein Verdienst von Frau Köpping.

Aber dieser Aktionsplan kommt zu spät. Er ist zu halbherzig und zu wenig
konsequent. Vom ersten Entwurf bis zur Verabschiedung durch das Kabinett hat es
über ein Jahr gedauert. Trotzdem finden sich in diesem Aktionsplan neun
Maßnahmen, die lediglich Prüfaufträge sind. Aber dieser Aktionsplan zur Vielfalt ist
doch keine Fortsetzung Ihres Koalitionsvertrags, der auf Prüfaufträgen aufbaut, sondern
es geht hier um konkrete Maßnahmen. Ich verstehe nicht, warum die Ministerien es
innerhalb eines Jahres nicht geschafft haben, aus konkreten Prüfaufträgen Maßnahmen zu entwickeln.

Wenn man genau hinschaut, wo die Prüfaufträge liegen, stellt man fest: Es sind die
CDU-Ministerien, wo geprüft werden soll.

Ein Stichwort — Frau Raether-Lordieck hat es gesagt —: Das Justizministerium soll
prüfen, ob die Justizbehörden für LSBTIQ-Themen sensibilisiert werden sollen. Aber
gerade mit Blick auf das Amtsgericht Leipzig stellen wir fest: Dort wird eine
zumindest fragwürdige Praxis bei Personenstands- und Vornamensänderungen von
Transpersonen angewandt, die über das Maß an richterlicher Unabhängigkeit
hinauszugehen scheint. Auch ich sehe wirklich Handlungsbedarf — Frau Raether
Lordieck hat es gesagt —‚ hierfür die Richterinnen und Richter, die Staatsanwältinnen
und Staatsanwälte zu sensibilisieren.

Gleiches gilt für die Polizei. Wenn ich in dem Aktionsplan lese, dass wegen zu
weniger Fallzahlen keine Maßnahmen zur Sensibilisierung und Qualifizierung von
Polizeibeamtinnen und -beamten ergriffen werden sollen, dann finde ich das
geradezu perfide, haben doch gerade bei der Erstellung des Plans die Betroffenen,
die Vereine und Verbände angemerkt, dass sie mangelndes Vertrauen in die
sächsische Justiz und die sächsische Polizei haben. Hier besteht wirklich
Handlungsbedarf. Aber insgesamt habe ich, vor allem mit Blick auf die CDU-Ministerien,
Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens.

Ein weiteres Problem — wir haben es gehört —: Es gibt keinen Datumsstempel für die
Maßnahmen. Keine Ahnung, wann sie konkret umgesetzt werden sollen. Aber wenn
man die Fristen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verlegt, dann braucht man sich nicht
zu wundern, wenn es hier zum Stillstand kommt. Wenn die CDU-geführten
Ministerien nichts umsetzen, dann brauchen sie noch nicht einmal ein schlechtes
Gewissen zu haben.

Dass es anders geht, zeigt der Blick nach Hessen. Dort ist Anfang des Jahres ein
Aktionsplan verabschiedet worden. Ich glaube, die CDU in Hessen ist genauso wenig
progressiv wie die CDU in Sachsen. Trotzdem hat man dort einen Aktionsplan
verabschiedet, der den Namen verdient. Der beste Plan ist doch nichts wert,
wenn die Umsetzung dem Zufall überlassen wird.

Deswegen, liebe Frau Köpping: Schauen Sie genau hin, was Ihre Kabinettskollegen
machen! Nehmen Sie sie in Verantwortung! Fangen Sie am besten beim
Ministerpräsidenten an, der sich gestern noch damit hat zitieren lassen —

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