Landesbeteiligungen – Schubert: Es geht nicht, dass der Freistaat in Größenordnung unternehmerisch tätig ist und gleichzeitig nicht ernsthaft darüber berichten will

Rede der AbgeordnetenFranziska Schubert zu Beschlussempfehlung und Berichte der Ausschüsse zu Anträgen: "Konsequenzen für die Beteiligungspolitik des Freistaates Sachsen aus dem Beteiligungsbericht 2016" (Drs 6/12376)
70. Sitzung des Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25. April, TOP 13

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
die Kollegin Meiwald hat bereits eingeführt, warum wir den Antrag hier aufrufen. Grundsätzlich habe ich kein Verständnis dafür, warum der Bericht nicht als Drucksache überwiesen wurde. Das Finanzministerium hat das bis heute nicht erklärt. Der Waldzustandsbericht zum Beispiel hat eine Drucksachennummer und ich kann mich nicht erinnern, dass die parlamentarische Befassung mit diesem Bericht jemals in Frage gestellt wurde.
Zu unserm Anliegen:
In der Sächsischen Haushaltsordnung § 65 ist die Beteiligung des Freistaates an privatrechtlichen Unternehmen geregelt.
(1) Der Staat soll sich, [außer in den Fällen des Absatzes 3], an der Gründung eines Unternehmens in einer Rechtsform des privaten Rechts oder an einem bestehenden Unternehmen in einer solchen Rechtsform nur beteiligen, wenn
1. ein wichtiges Interesse des Staates vorliegt und sich der vom Staat angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt
2. die Einzahlungsverpflichtung des Staates auf einen bestimmten Betrag begrenzt ist
3. der Freistaat einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat oder in einem entsprechenden Überwachungsorgan erhält
4. gewährleistet ist, dass der Jahresabschluss und der Lagebericht, soweit nicht weitergehende gesetzliche Vorschriften gelten oder andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Dritten Buchs des Handelsgesetzbuches für große Kapitalgesellschaften aufgestellt und geprüft werden.
Das ist der Rahmen, in dem sich der Freistaat unternehmerisch bewegen kann. Unsere Aufgabe hier im Parlament ist es auch, nach diesen Maßstäben diesen Bereich zu kontrollieren und darauf zu achten, dass dem so ist.
Ein Beteiligungsbericht kann maßgeblich zur Transparenz der wirtschaftlichen Betätigung des Freistaates Sachsens und seiner Kapitalbeteiligungen beitragen.
Die Staatsregierung und die jeweiligen Regierungskoalitionen haben die Berichterstattung acht Jahre lang ausgesessen. Wir wurden über Jahre immer wieder auf die Jahresabschlüsse der Unternehmen im Bundesanzeiger verwiesen.
Wie gesagt: Der Waldzustandsbericht erscheint jedes Jahr mit Drucksachennummer und da würde keiner auf die Idee kommen, die Abgeordneten in den Wald zu schicken, damit sie sich die Bäume einzeln anschauen und sich so ein Bild von der Lage machen.
Jetzt liegt ein Bericht vor. Das ist durchaus eine Arbeitsgrundlage. Und ich finde, hier gehört sich eine Diskussion, was dieser Bericht schon leisten kann und was er leisten sollte.
Der Rechnungshof veröffentlicht in seinen Jahresberichten regelmäßig seine Prüfergebnisse zu den Nebenhaushalten und den Unternehmensbeteiligungen des Freistaates. Auch die Prüf- und Sonderberichte sind informativ, wenn auch nicht immer der Öffentlichkeit zugänglich. Es sind trotzdem wichtige Anregungen und Hinweise für unsere Arbeit hier.
Die Ausführungen zu den verschieden Beteiligungen können in den Berichten nachgelesen werden. Der Rechnungshof stellt diese alle auf seiner Homepage gut auffindbar zur Verfügung.
Der Rechnungshof hat auch immer wieder einen Beteiligungsbericht der Sächsischen Staatsregierung angemahnt. So in den Jahresberichten 2013 (Beitrag Nr. 3), 2015 (Beitrag Nr. 8) und 2016 (Beitrag Nr. 30)
Der Rechnungshof hat die Erstellung eines Beteiligungsberichtes zu Beteiligungen des Freistaates an Unternehmen des privaten und öffentlichen Rechts wiederholt gefordert, nachdem ein Beteiligungsbericht zuletzt 2009 erstellt worden war.
Im Frühjahr 2016 hat das Finanzministerium dem Landtag einen Beteiligungsbericht 2015 bestehend aus einem Textteil zu Veränderungen in den Beteiligungen des Freistaates, der bereits im Internet veröffentlichten grafischen Beteiligungsübersicht sowie durch Ausdruck der im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse der Beteiligungsunternehmen übersandt.
"Der vorgelegte Beteiligungsbericht 2015 der Staatsregierung genügt nicht den gestellten Anforderungen und sollte im nächsten Jahr umfänglicher ausgestaltet werden."
Der Rechnungshof empfiehlt folgende Bestandteile:

  • Grundsätzliche Überlegungen zum Eingehen und Halten von Beteiligungen
  • übersichtliche Darstellungen zum Unternehmensgegenstand, der Besetzung der Organe (Geschäftsführung, Mandatsübertragung im Aufsichtsrat)
  • zu Kennzahlen sowie den Entwicklungsperspektiven der Gesellschaften.

"Der SRH empfiehlt dem Parlament, sich diesbezüglich weiter berichten zu lassen."
Das tun wir. Wir haben eine regelmäßige und strategische Berichterstattung gefordert. Genauso, wie es für Kommunen und ihre unternehmerischen Aktivitäten verpflichtend ist. Es ist Voraussetzung für eine sachkundige Entscheidung des Parlamentes über Zuschüsse, Kapitalerhöhungen usw. 
Mir ist bekannt, dass im Bundesanzeiger die Jahresabschlüsse veröffentlicht werden. Und wenn ich die Zeit finde, schaue ich mir diese an. In der Regel entstehen bei mir dadurch eher mehr Fragen.
Ein Beispiel: Der Jahresabschluss 2016 der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meissen. Unter VIII. Nachtragsbericht steht: Außerdem hat der Gesellschafter (Anm. der Freistaat Sachsen) mit Beschluss vom 14. September 2017 eine Einlage in die Kapialrücklage in Höhe von 28 Millionen Euro beschlossen.
Unter IX. Vorschlag für die Ergebnisverwendung heißt es dann "Die Geschäftsführung schlägt eine Entnahme aus der Kapitalrücklage (25,154 Millionen Euro) zum teilweisen Ausgleich des Bilanzverlustes vor."
Für Löhne, Gehälter, Soziale Abgaben etc. braucht die Porzellanmanufaktur ungefähr 25 Millionen Euro im Jahr. Schaut man sich den Jahresabschluss an, ist zu sehen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der größte Wert dieses Unternehmens sind.
Stellt sich also die Frage, ob wir hier gerade aus dem Grundstock für ein weiteres Jahr die Gehälter der Manufaktur sichergestellt haben, oder ob mit den 28 Millionen Euro die Pleiten in In- und Ausland jetzt endlich abgegolten sind? Und natürlich: wie geht es weiter?
Im Bericht steht dazu: Ziel für 2016 ist eine Stabilisierung des Unternehmens, das Ergebnis wird dennoch negativ erwartet. Das ist zu viel Prosa. Ich vermute, die meisten Menschen denken bei Stabilisierung an "wirtschaftlich stabil". Ich glaube nicht, dass aus diesem Satz Dritte erkennen, dass eine Stabilisierung der Fehlbeträge in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages gemeint war.
Und noch mal: Meine Kritik ist – wir als Haushaltsgesetzgeber haben keine Vorstellung, was die unternehmerischen Aktivitäten des Freistaates für Kosten verursachen. Und das nur, weil die Staatsregierung, wenn überhaupt, stark verkürzt und sehr einzeilig berichtet.
Weil das so ist, habe ich zum Beispiel nach der Haftung des Freistaates für seine Beteiligungen (Drs. 6/12830) gefragt. Und da heißt es: Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH haftet für die Meissen Asia Pacific Ltd. Da steht zwar eine zeitliche Befristung bis zum 31. Dezember 2017, aber der Fußnote ist zu entnehmen: Dass finanzielle Unterstützung soweit notwendig zugesagt wurde, um zumindest für die nächsten zwölf Monate den Verbindlichkeiten nachzukommen und die operativen Fähigkeiten fortzuführen. Zudem sind fällige Forderungen solange nicht zurückzufordern, bis die Gesellschaft in der Lage ist, Forderungen ohne negative Beeinträchtigung der finanziellen Situation zurückzuzahlen.
Aber es ist nicht nur die Porzellanmanufaktur. Die Sächsische Lotto GmbH kauft Wertpapiere in Millionenhöhe. Der Flughafen Leipzig/Halle plant für 45 Millionen Euro einen Neubau und weder Fachausschuss noch Parlament wurden informiert. Wir haben es dann wieder einmal aus der Presse erfahren. In den Kaptialrücklagen der Beteiligungen liegen über 1,2 Milliarden Euro. Die Besetzung der Aufsichtsgremien … es gibt so viele Aspekte.
Landesbeteiligungen sind Eigentum der Bürgerinnen und Bürger des Freistaates. Es geht nicht, dass der Freistaat in Größenordnung unternehmerisch tätig ist und gleichzeitig nicht ernsthaft darüber berichten will.
Wir erwarten: dass das Finanzministerium nach den Vorgaben in der Sächsischen Haushaltsordnung berichtet und nicht nur einzeilig, oberflächlich und weichgespült den Ist-Zustand der Unternehmen vage umreißt, dass dem Landtag der nächste Beteiligungsbericht noch in diesem Jahr mit Drucksachennummer übermittelt wird. (Der vorliegende Bericht informiert über Zahlen aus dem Jahr 2015), und dass der nächste Beteiligungsbericht ganz normal und dem Thema angemessen in diesem Rahmen besprochen werden kann.
Und zum Schluss will ich noch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. November 2017 hinweisen. Da ging es darum, dass die Bundesregierung Auskünfte zur Deutsche Bahn AG verweigert hat. Das Bundesverfassungsgericht sieht eine erheblich ausführlichere Berichterstattung und Informationspflicht zur Beteiligung, als es die Bundesregierung gehandhabt hat oder als es, wie in unserem Fall, die Staatsregierung praktiziert. » Alle Infos zum 70./71. Plenum » Alle GRÜNEN Reden