Lehramtsausbildung − Maicher: Mit diesem Gesetzesentwurf bringen wir das Lehramtsstudium auf die Höhe der Zeit
Rede der Abgeordneten Maicher zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zum Thema: "Gesetz zum Studienakkreditierungsstaatsvertrag"
64. Sitzung des Sächsischen Landtags, 13. Dezember, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich erzähle Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen sage: Das Lehrerthema drängt. Leider inzwischen durch Aussitzen und Schönrechnen in den ganzen letzten Jahren in einer Art, die eine vernünftige, ausgewogene Lösungsdiskussion fast unmöglich macht.
Ständig gibt es neue Vorschläge, Hauptsache es geschieht irgendetwas bis zur Landtagswahl 2019.
An den Hochschulen werden plötzlich Stellen entfristet. Es war lange, lange überfällig die Lehrerausbildung in Chemnitz zu verstetigen! Überall wird hektisch gedreht und geschraubt – oder auch nur irgendwas angekündigt.
Und mitten in diese kopflose Betriebsamkeit kommen wir GRÜNE und bringen ein Gesetz zur Reform des Lehramtsstudiums ein. Eine der ersten Reaktionen, die wir sicher auch nachher wieder zu hören bekommen werden ist: Muss das sein?
Die Antwort ist ein ganz klares JA!
Ja, wir brauchen endlich ein Gesetz, dass die Lehramtsausbildung regelt, statt weiter zwei Ministerien vor sich hin wursteln zu lassen.
Ja, die Zeiten, in denen die Ausbildung des Lehrernachwuchses am Landtag vorbei als Experimentierlabor dienen konnte, müssen ein Ende haben.
Ja, ich bin überzeugt, dass wir heute weitaus weniger Probleme hätten, wenn unser Gesetz schon vor fünf Jahren in Kraft gewesen wäre.
Aber nein, wenn wir das Gesetz heute verabschieden, ist das Lehrerdesaster nicht sofort beendet, dafür wiegen die Folgen des politischen Versagens zu schwer. Aber es würde die Weichen dafür stellen, dass uns so eine Situation wie wir sie heute haben, in Zukunft nicht wieder passiert.
Mit dem heute von uns eingebrachten Gesetzesentwurf zur Lehramtsausbildung bringen wir das Lehramtsstudium auf die Höhe der Zeit.
Wir machen Schluss mit unterschiedlichen Ausbildungslängen von Grundschul-, Oberschul- und Gymnasiumslehrerinnen und Lehrern.
Es wird ja niemand ernsthaft behaupten wollen, dass jüngere Kinder zu unterrichten weniger anspruchsvoll wäre, als ältere Kinder oder gleichalte Jugendliche auf der Oberschule als am Gymnasium.
Damit würde im Übrigen auch der Weg für eine gleiche Bezahlung frei – was auch eine längst überfällige Würdigung der Arbeit der Grundstufenpädagogen bedeuten würde.
Wir wollen außerdem weg von dem reinen Schulartdenken in der Ausbildung.
Angehende Grundschullehrerinnen und Lehrer müssen genauso selbstverständlich ein Verständnis dafür haben, was in Klasse 5 und 6 passiert, wie Lehrkräfte an Gymnasien für den Unterricht an Oberschulen und andersherum.
Wer mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem will, muss dafür auch in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer sorgen.
Es ist zwar sehr erfreulich, wenn jetzt wieder mehr Lehramtsstudierende immatrikuliert werden. Nur sollten wir auch dafür sorgen, dass das Studium so attraktiv ist, dass es erfolgreich bis zum Abschluss geführt wird. Und wir am Ende motivierte Lehrer in Sachsen behalten.
Die letzte Absolventenstudie hat eine große Unzufriedenheit mit dem Studium gerade bei den Lehramtsstudierenden festgestellt.
Um Studienabbrüche zu vermeiden, sehen wir zweierlei Dinge vor: mehr Praxis und bessere Qualität. Wir wollen den berüchtigten Praxisschock vermeiden.
Wir setzen einerseits auf Praktika gleich zu Beginn des Studiums und andererseits auf ein ganzes Semester, das der Praxis gewidmet ist, eng verzahnt und abgestimmt mit paralleler Reflexion an der Hochschule. So kann das theoretisch Gelernte immer wieder mit der Realität abgeglichen werden.
Zum Thema Qualität: Da brauchen wir einerseits den Blick von außen, was konkret bedeutet, dass die Lehramtsausbildung regelmäßig evaluiert wird und die Studiengänge akkreditiert werden müssen.
Wir wollen auch die völlig unnötige Verantwortungsdiffussion bei der Ausbildung beenden. Die Zentren für Lehrerbildung werden zu echten Koordinationsstellen weiterentwickelt und mit einer eigenen Ressourcenkompetenz ausgestattet. Das wird sie dazu in die Lage versetzen, als zentrale Informations-, Beratungs-, und Entscheidungsstelle in der Lehramtsausbildung zu fungieren.
EINE Anlaufstelle für die Studiernden ist das Ziel.
In den Klassenzimmern kommen verschiedene soziale und kulturelle Hintergründe, unterschiedliche Stärken und Schwächen und vielfältige Bedürfnisse zusammen. Moderne Lehrerinnen und Lehrer wollen dazu befähigt werden, mit dieser Vielfalt umzugehen.
Heute kann man ein Lehramtsstudium absolvieren ohne ein einziges Mal mit dem Thema Inklusion in Berührung zu kommen. Das ändern wir, indem wir das Thema in allen Lehramtsstudiengängen verpflichtend verankern. Denn Inklusion geht alle an!
Und darüber hinaus wollen wir das Lehramt für Sonderpädagogik deutlich aufwerten und somit Einsatzmöglichkeiten auch an Regelschulen bzw. als Integrationslehrkraft schaffen. Wir brauchen die Sonderpädagogik eben nicht nur an Förderschulen, sondern überall.
Ich möchte noch ein paar Worte zur Studienstruktur selbst verlieren. Ich denke, hier scheiden sich die Geister am meisten. Wir möchten das Studium auf eine Bachelor/Masterstruktur überführen. Ich bin überzeugt, dass wir langfristig von einer ordentlichen, planvollen, behutsamen Umsetzung profitieren und mit der gesetzlichen Grundlage auch das Hin und Her der Vergangenheit vermeiden können.
Dafür gibt es viele gute Gründe: Die meisten anderen Bundesländer haben uns das längst vorgemacht. Außerdem ist die Prüfungslast besser verteilt. Sie kommt nicht am Ende geballt in Form einer Staatsprüfung.
Wer es sich im Laufe des Studiums mit dem Lehramtsstudium anders überlegt, hat mit dem Bachelor eine Exit Option, auf der aufgebaut werden kann, statt drei Jahre in den Sand gesetzt zu haben.
Das letzte was wir aber bei dieser Umstellung brauchen können, ist Chaos an den Hochschulen. Deshalb sehen wir in unserem Gesetzentwurf weitreichende Übergangsregelungen von zwei Jahren vor. Und unser Gesetz garantiert, dass niemand, der heute studiert, aus der Umstellung einen Nachteil erleidet − nicht im Studium und auch nicht beim Referendariat.
Ein letzter Punkt: Wir GRÜNE wissen, dass wir in Sachsen den grassierenden Lehrermangel nicht allein durch junge Menschen mit Erstberuf Lehrer/Lehrerin heilen können. Wir werden auf Seitensteigerinnen und Seiteneinsteiger an unseren Schulen nicht verzichten.
Und wir sehen, dass flexible Erwerbsbiografien auch einen späteren Lehrerberufswunsch ermöglichen. Das finde ich gut.
Die Voraussetzung dafür, aber ist eine vernünftige Ausbildung. Deshalb haben wir zwei Masteraufbauprogramme in unserem Gesetz verankert und auch hier darauf geachtet, dass sowohl genügend Praxis als auch inhaltliche Standards gegeben sind.
Wir regeln damit unabhängig von akuten Bedarfszeiten den Seiteneinstieg und eröffnen einen regulären weiteren Weg in den Lehrerberuf.
Die Anhörung hat gezeigt:
Wir brauchen endlich ein Lehrerbildungsgesetz.
Alle Sachverständigen lehnten eine unterschiedliche Ausbildungslänge der Lehrämter ab.
Die Praxisanteile müssen ausgebaut und besser in das Studium integriert werden.
Unser Gesetzentwurf bringt endlich Planungssicherheit in die Lehramtsausbildung und ein Studium, das angehende Lehrerinnen und Lehrer optimal auf ihre spätere Tätigkeit vorbereitet. Deshalb bitte ich um ihre Zustimmung.
Einbringung Änderungsantrag
Bereits bei der Einbringung des Gesetzesentwurfes haben wir versprochen, dass wir unsere Vorschläge mit allen besprechen werden, die an der Lehramtsausbildung mitwirken oder von ihr betroffen sind.
Nicht um Beteiligung nur anzudeuten – wie beim Schulgesetz – sondern mit dem Anspruch, sinnvolle Vorschläge wirklich aufzunehmen. Und genau das haben wir getan. Der Änderungsantrag ist das Ergebnis.
Wir verankern Medienkompetenz als Teil der Lehramtsausbildung. Selbst der Kultusminister hat es ja auf eine Anfrage meiner Kollegin Petra Zais eingeräumt, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer in die Lage versetzt werden müssen, den verantwortungsvollen Umgang mit Kommunikationsmedien an ihre Schülerinnen und Schüler zu vermitteln.
Bei den Praxiselementen haben wir uns entschieden, die Vorgaben zu den schulpraktischen Übungen in der Bachelorphase zu liberalisieren. Die Hochschulen und Ausbildungsschulen wissen selbst am besten, welche Art von Praxis in welchem Semester am gewinnbringendsten sind.
Damit das Praxissemester für die Studierenden noch sinnvoller wird, haben wir deutlicher verankert, dass schulische Praxis und Reflexion dazu an der Hochschule abwechselnd stattfinden.
Bei den Zentren für Lehrerbildung haben wir die entscheidende Stellung der Zentren bei der Studienplanung noch einmal geschärft und klarer herausgearbeitet, dass sie außerdem für die Bildungsforschung und die Qualitätssicherung zuständig sind.
Wenn die Zentren zur zentralen Koordinierungsstelle der Lehramtsausbildung werden sollen, ist es außerdem wichtig, dass sie auch in den Gremien vertreten sind. Dort werden Entscheidungen über Studiendokumente und Professurenberufungen gefällt oder zumindest beraten. Deshalb erhalten die Zentren in den akademischen Senaten und Fakultätsräten einen beratenden Sitz.
Wie schon ausgeführt, ist uns wichtig, dass die Hochschulen ausreichend Zeit für die Vorbereitung der Reform haben. Ursprünglich hatten wir dafür ein Jahr vorgesehen, aber die Sachverständigen haben uns davon überzeugt, diese Frist auf zwei Jahre zu erweitern.
Wir sind davon überzeugt, dass der Landtag überprüfen muss wie die Gesetze umgesetzt werden. Deshalb möchten wir im Änderungsantrag regeln, dass ein Jahr vor Inkrafttreten der neuen Studienstruktur dem Landtag berichtet wird, wie es um den Umsetzungsstand bestellt ist.
Wir haben für den vorliegenden Gesetzentwurf viel Zuspruch aus der Praxis erhalten. Die heute vorgelegten Änderungen nehmen viele Punkte aus den zahlreichen Fachgesprächen, Diskussionsrunden und der Anhörung auf.
Wir bitten Sie um Zustimmung.
» GRÜNER Gesetzentwurf "Gesetz zur Reform der Lehrerausbildung im Freistaat Sachsen" » Der Änderungsantrag
» Unter https://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Gesetzentwuerfe/Gesetzentwurf_Lehrerbildung_konsolidierte_Fassung_2017-11.pdf finden Sie eine konsolidierte Version des Gesetzentwurfes. Dieser dient ausschließlich dem besseren Überblick, wie sich der Gesetzentwurf nach Annahme des Änderungsantrages darstellen würde.
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