ÖPNV-Reform – Meier: Der Antrag macht einen regelrechten Rundumschlag

Redebeitrag der Abgeordneten Katja Meier zum Antrag der Fraktion LINKE:
"ÖPNV-Reform Sachsen 2019", Drs 6/17160
93. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Freitag, 24. Mai, TOP 12

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

nach dem gestern der Tourismusminister von seinem Engagement der letzten fünf Jahre berichtet hat, hat Martin Dulig heute in seiner Funktion als der Arbeits- und Wirtschaftsminister Bilanz gezogen und auch noch einen Schlenker über die Verkehrspolitik genommen. Und gestartet ist die Legislatur gerade in der Verkehrspolitik nicht nur mit großen Zielen, sondern vor allem auch mit großen Versprechen.

Mit großem TamTam wurde 2015 die ÖPNV Strategiekommission eingerichtet und hat 2,5 Jahre nicht nur sehr viel gearbeitet sondern auch viel Papier produziert. Nur leider schlummern die vielen Vorschläge seit 1,5 Jahren im Giftschrank des Ministers. Das nun die Linke die Umsetzung der Vorschläge aus der Strategiekommission fordert, ist also mehr als verständlich. Denn es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns, um den ÖPNV in Sachsen leistungsstark und attraktiv zu machen.

Und das ganz klar mit dem Ziel, Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren und gleichzeitig grundlegende Elemente der Daseinsvorsorge im Freistaat Sachsen auch abseits der Großstädte in der Fläche zu erhalten. Der Antrag bezieht sich aber nicht nur auf die Umsetzung der ÖPNV Kommissionsvorschläge, sondern Sie machen hier einen regelrechten Rundumschlag.

Die knapp auf drei Seiten zusammengeschriebenen Forderungen hätten locker Material für vier Anträge geliefert. Gleich zu Beginn im Punkt I fordern Sie, den ÖPNV zur kommunalen Pflichtaufgabe zu machen. Das ist eine sehr weitreichende Forderung und es bedürfte einer Änderung der sächsischen Gemeindeordnung durch den Landtag. Zusätzlich wäre eine Änderung des Finanzausgleichsgesetzes notwendig, um den Kommunen für ihre neue Pflichtaufgabe die entsprechenden allgemeinen Zuweisungen zukommen zu lassen. Wir sollten als Parlament aber nicht die Staatsregierung auffordern Gesetze zu novellieren, da wissen wir nämlich nicht was dabei rum kommt. Was wir aber wissen ist, dass es nicht so wäre, wie Sie und ich uns das vorstellen.

Das im Punkt I.4. formulierte Ziel, dass Fahrzeiten für Schüler*innen je Richtung zur Grundschule nicht mehr als 15 Minuten und zur weiterführenden Schule nicht mehr als 30 Minuten betragen soll, ist von der Sache her gedacht absolut richtig. Die Umsetzung quasi über eine ‚Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung‘ ist aus meiner Sicht aber der falsche Weg.

Nicht zuletzt kann diese Forderung vor allem durch eine ausreichend große Dichte an Schulen erfüllt werden. Ein Weg dazu übrigens auch die in Ihrem Antrag bereits erwähnte Gemeinschaftsschule, die es in Sachsen wegen der Beharrungskräfte der CDU leider noch gar nicht gibt. Fahrgastrechte und Servicegarantien allgemeingültig zu definieren wie in röm. II, ist ein sehr sinnvoller Vorschlag.

Viele Menschen haben Bedenken, den ÖPNV zu nutzen, weil ihnen die Tarifstrukturen zu unübersichtlich vorkommen oder weil ihnen Informationen zu Fahrplänen, Verbindungsauskünften, Mitnahmeregelungen usw. nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Entsprechende sachsenweit gültige Rahmenbedingungen wären also ein Beitrag zum Hauptziel, neue Fahrgäste zu gewinnen.

Beim nächsten Punkt geht es um Pönalen, also Vertragsstrafen für die Verkehrsunternehmen, wenn sie bestimmte Leistungen oder Services nicht oder nicht ausreichend gut erfüllen. Der Sinn ist klar: Wenn Reisende Einschränkungen hinnehmen müssen, sollen sie auch entschädigt werden.

Das klingt natürlich gut, aber man muss sich im Klaren sein, dass die Beauftragten Unternehmen diese Kosten in ihre Angebote einpreisen. Vielleicht kann man deshalb an dieser Stelle aber auch über ein ergänzendes Bonussystem nachdenken. Das heißt, wenn das Verkehrsunternehmen beispielsweise nachweisen kann, dass es eine bestimmte Pünktlichkeitsquote eingehalten hat, erhält es eine Bonuszahlung.

Um diese durch landesrechtliche Bestimmungen vorzugeben braucht es aber ein Gesetzesänderungsvorhaben – jedenfalls wird die im Antrag adressierte Staatsregierung einen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Verkehrsunternehmen nicht erreichen können.

Das in IV geforderte Konzept, die ÖPNV-Finanzierung langfristig auf sichere Füße zu stellen ist wichtig, aber auch hier lohnt ein Blick auf die Details: Wenn man, wie in 2. gefordert, 100 Prozent der Regionalisierungsmittel an die Zweckverbände weiterreicht, kann man die in 1. erwähnte Rücklage aber nicht bilden.

Insgesamt sehe ich inhaltlich viele sinnvolle Punkte im vorliegenden Antrag. Vor allem sehe ich den ganz klaren Handlungsbedarf, Dinge endlich anzuschieben, weil die Regierung Ihrer Arbeit in diesen Punkten nur halbherzig nachkommt, und das ist noch höflich ausgedrückt.

Dennoch überzeugt mich der Antrag, der ein bisschen wie ein Schnellschuss daherkommt nicht voll umfänglich, so dass wir eine punktweise Abstimmung beantragen.
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