Petra Zais: Es ist widersinnig, freie Schulen zu beschneiden, um öffentliche zu retten oder finanziell besser auszustatten

Redebausteine der Abgeordneten Petra Zais zur abschließenden Lesung zum "Sächsischen Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft"
16. Sitzung des Sächsischen Landtags, 8. Juli 2015, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es gibt eine Reihe von Gesetzesänderungen, die wir mittragen:
– Die Verkürzung der Wartefrist bis zum Einsetzen der staatlichen Finanzhilfe für freie Schulen von vier auf drei Jahre und die anteilige Förderung im Umfang von 80 Prozent der Zuschüsse innerhalb der Wartefrist.
– Im neu formulierten Teilhabeanspruch sehen wir einen wichtigen Schritt zu mehr Gleichberechtigung zwischen Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft. Das eröffnet den freien Schulen die gleichberechtigte Nutzung von Unterstützungsangeboten wie Lehrerweiterbildung oder den Einsatz von Schulpsychologen.
– Begrüßenswert ist zudem, dass die Staatsregierung verpflichtet wird, den Umfang der staatlichen Finanzhilfe regelmäßig zu überprüfen und dem Landtag darüber zu berichten. Auch die Anpassung des Paragraph 1, der die Aufgabe der Schulen in freier Trägerschaft umschreibt, passt.
Folgendes geht aus unserer Sicht überhaupt nicht:
– Im Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes vom 15. November 2013 wurde ausgeführt, "dass das öffentliche und das Privatschulwesen gleichermaßen Adressaten des Bildungsauftrags der Verfassung des Freistaates Sachsen sind, ohne dass ein Vorrang des Einen oder Anderen besteht". Der vorliegende Gesetzentwurf trägt diesem Grundsatz nicht Rechnung.
– Die Auskömmlichkeit der staatlichen Zuschüsse ist fraglich: Im Gesetzentwurf wird wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass "der Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft auf Dauer ohne zusätzliche Finanzierungsquellen möglich [ist]. Ein darüber hinaus gehender Ausgleich bei Verzicht auf Schul- und Lernmittelfreiheit ist folgerichtig entbehrlich". Eine Begründung für diese Annahme sucht man indes vergeblich. Dabei ist der Ausgleich für den Verzicht auf Schul- und Lernmittelgeld ein verfassungsunmittelbarer Anspruch, der eine sächsische Besonderheit darstellt. Wenn diesem Ausgleichsanspruch schon nicht in Form eines gesonderten Zuschusses entsprochen wird, muss seine Berücksichtigung zumindest in der Berechnung der staatlichen Finanzhilfe insgesamt nachvollziehbar sein. Das sehen wir nicht.
– Lehrerinnen und Lehrer an freien Schulen: 100 Prozent Leistung bei 90 Prozent Bezahlung? Das Gesetz sieht einen Absenkungsfaktor von 0,9 vor. Dieser bewirkt, dass die Arbeit von Lehrkräften an Schulen in freier Trägerschaft weiterhin deutlich schlechter honoriert wird als die der Lehrkräfte an Schulen in öffentlicher Trägerschaft. Wir lehnen es entschieden ab, freie Schulen beim Wettbewerb um Lehrkräfte systematisch schlechter zu stellen als Lehrkräfte an Schulen in öffentlicher Trägerschaft.
Wartefrist – ja – aber: Obwohl innerhalb der Wartefrist 100 Prozent Schule gemacht wird, bleiben die Gründer auf 20 Prozent der Kosten sitzen und müssen durch die Streckung der Rückzahlung dem Freistaat auch noch einen zinslosen Kredit gewähren. Das benachteiligt kleine Träger.
Bewährte Trägerregelung – leider nein! Ein Standortwechsel oder ein neuer Bildungsgang sind keine Neugründungen.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Erweiterung um eine Schulart, einen Förderschultyp oder einen beruflichen Bildungsgang der Errichtung einer Schule gleichkommt, ebenso die Veränderung oder Erweiterung eines Standortes. Jede Änderung ist einzeln zu genehmigen und löst eine erneute dreijährige Wartefrist aus. Dies stellt eine enorme Hürde sowohl für lange bestehende als auch für neu gegründete freie Schulen dar, die sich erweitern oder einfach nur umziehen wollen.
Weitreichende Befugnisse der Schulaufsicht erzeugen Misstrauen und datenschutzrechtliche Probleme. Die weitere Gestaltung der Mitwirkungspflichten bleibt dem Kultusministerium überlassen, wie im Übrigen viele weitere "Details", die statt im Gesetz in einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung geregelt werden sollen.
Mitwirkungsrechte der Eltern und Schüler bleiben außen vor. Das ist eine verpasste Chance.
Gleiches gilt für die fehlenden Übergangsregelungen für die Schulen, die sich im 4. Jahr der Wartefrist befinden Hier wäre eine Chance zur Befriedung gewesen. Das Urteil hat nicht untersagt, ein Gesetz eher in Kraft zu setzen oder eine solche Regelung zu finden….
Das Land ist verpflichtet, Schulen zu finanzieren, gleich in welcher Trägerschaft, sei es als staatliche Daseinsvorsorge oder aufgrund verfassungsunmittelbarer Finanzierungsansprüche freier Träger. Ich sage ganz klar: es ist widersinnig, freie Schulen zu beschneiden, um öffentliche zu retten oder finanziell besser auszustatten, und es ist unseriös, Angst zu schüren, dass das Geld, was die freien Schulen bekommen, am Ende den öffentlichen Schulen fehlt.
In der Anhörung hat Volker Schmidt von der Evangelischen Schulstiftung gesagt, dass auch "das neue Gesetz den Geist des alten atmet". So blieben auch die Änderungen der Koalition weit hinter dem zurück, was mit Recht nach dem Urteil von 2013 hätte erwartet oder zumindest gehofft werden können.
Insbesondere bei den Themen Mitwirkung von Schüler- und Elternvertretungen und Schulen im verfassungswidrigen 4. Jahr der Wartefrist gab es überhaupt keine Bewegung.
Wir GRÜNE haben eine Reihe von Änderungsanträgen zur Beschlussvorlage eingereicht, die ich gesondert einbringen und begründen werde.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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