Petra Zais: Menschenwürdige Flüchtlingsunterbringung – Das schwarze Loch des mittlerweile jahrelangen Nichtstuns

Redebausteine der Abgeordneten Petra Zais (GRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE:
"Nicht nur lenken, sondern schnell handeln: Ganzheitliches Handlungs- und Kommunikationskonzept für eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und eine bedarfsgerechte Flüchtlingssozialarbeit in Sachsen"
4. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 17. Dezember 2014, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren!
Frau Kersten, das Problem, das Sie geschildert haben, dass in der Bundesrepublik Deutschland zu wenig abgeschoben würde und wir deshalb Probleme mit steigenden Asylbewerberzahlen hätten, mögen Sie vielleicht in der „Welt“ oder irgendwo im Internet so gelesen haben, aber auf Sachsen trifft das ganz sicher nicht zu. Wenn Sie einmal recherchieren, in welchem Land am meisten abgeschoben wird, stellen Sie fest, dass Sachsen trauriger Spitzenreiter ist und bleibt. Wenn andere Bundesländer ihre humanitäre Verantwortung wahrnehmen und zum Beispiel auf Winterabschiebungen oder die Abschiebung von Familien, wenn Kleinkinder involviert sind oder Kinder, die sehr gut zum Beispiel in eine Kita oder in eine Schule integriert sind, verzichten, sondern humanitäre Lösungen finden, dann ist das nach unserer Auffassung gut und richtig.
Ich finde, das ist wieder ein typisches Beispiel. Wenn es darum geht, in dieser Debatte gemeinsam nach Verbesserungen für die Situation zu suchen, sagen Sie: Wir wollen aber eigentlich diese Masse der Flüchtlinge hier nicht haben. Also, schiebt ab — das ist Ihre Botschaft —‚ dann werden wir auch keine Probleme haben, dann müssen wir nicht über Geld reden und Ähnliches. Das, sehr geehrte Frau Kersten, ist hier in einem demokratischen Gremium natürlich völlig deplatziert.
Zu dem, was Herr Hartmann gesagt hat: Es ist nachzuvollziehen und überrascht uns sicher nicht, dass die CDU diesen Antrag ablehnt. Es wurde gesagt, die Staatsregierung habe sich schon seit Längerem dieser Aufgabe gestellt, sich im Rahmen dieses Informations- und Kommunikationskonzeptes mit den Fragen der Unterbringung, der Information, der Kommunikation zu befassen. Leider ist das aber nicht so. Es ist maximal seit zwei Monaten so.
Vorher hatten wir über ein Jahr lang ein schwarzes Loch, und das war auch Koalition, und da gehörte auch die CDU-Fraktion dazu. Ich erinnere nur an die Situation 2013 in der Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz. Das hat sich bis heute nicht geändert. Da gab es nichts weiter als warme Worte, was die Verbesserung der Situation in der Stadt Chemnitz anbelangt.
Es hat dann sozusagen eine zweite Erstaufnahmeeinrichtung, eine  Außenstelle in Schneeberg in der alten Feldjägerkaserne gegeben. Aber bis heute — und da muss ich fragen, was die CDU-Fraktion bis heute gemacht hat — ist nicht einmal ansatzweise das Wort eingelöst worden, einen zweiten und dritten Standort einer Erstaufnahmeeinrichtung in den Städten Leipzig und Dresden aufzumachen.
Ich komme aus Chemnitz und frage Sie: Wann wollen Sie eigentlich dieses Wort einlösen? Diese Frage geht natürlich auch an die SPD. Das muss man einfach so sagen. Die Situation ist problematisch. Der Winter kommt. Chemnitz und Schneeberg befinden sich an der Grenze der Aufnahmekapazität. Wie viel Zeit wollen Sie noch vergehen lassen, ehe Sie den Kommunen sagen, sie möchten bitte dezentral unterbringen und ihre eigene Verantwortung — und das ist die Verantwortung der Staatsregierung bezüglich der Erstaufnahmeeinrichtungen — wahrnehmen?
Insofern, sehr geehrte Damen und Herren, ist dieser Antrag der LINKEN durchaus berechtigt, denn er reagiert auf das monatelange, mittlerweile eigentlich jahrelange Nichtstun.
Liebe Kollegin Friedel, ich würde so gern Ihren Optimismus teilen, dass also jetzt ein neues Zeitalter angebrochen ist. Man kann — das sage ich ehrlich — der SPD dankbar dafür sein, dass es im Koalitionsvertrag doch Ansätze gibt, bei denen man meint, dass es gegebenenfalls zu Verbesserungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik kommen sollte. Wie verlässlich und belastbar das sein wird, bleibt natürlich abzuwarten.
Im Antrag der LINKEN wird zu Recht auch die Frage der Finanzierung
angesprochen. Auch die AfD ist darauf eingegangen. Die Bundesregierung hat
zugesagt, den Kommunen jährlich eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung zu stellen, wohlgemerkt als Kredit. Ich bin gespannt, wie viel Geld die Regierungskoalition darüber hinaus den Kommunen tatsächlich für die Erfüllung der Aufgaben zur Verfügung stellen wird. Und da geht es nicht nur um Information, sondern da geht es um Wohnen, um Sprache, um Arbeiten.