Regionalpolitik der Europäischen Union – Günther: Es ist wieder klar geworden: Die AfD hat das Prinzip der Europäischen Union überhaupt nicht begriffen

Rede des Abgeordneten Wolfram Günther in der Ersten Aktuellen Debatte zum Antrag der Fraktion CDU und SPD zum Thema:
"Die Regionalpolitik der Europäischen Union muss auch nach 2020 die regionalpolitische Entwicklung in Sachsen spürbar und zukunftsweisend unterstützen."
68. Sitzung des Sächsischen Landtags, 14. März, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe es fast befürchtet, aber es ist wieder klar geworden: Die AfD hat das Prinzip der Europäischen Union überhaupt nicht begriffen.
Man sagt, dass wirtschaftliche Erfolge, wirtschaftliche Vorteile mit Fördermitteln identisch sind, die über die EU fließen. Es werden Sachen durcheinander geworfen und viele Aspekte überhaupt nicht betrachtet. Die Europäische Union ist vor allen Dingen erst einmal aus einer Reaktion gegründet worden, auf Zeiten, die wir davor hatten. Aus Europa sind zwei Weltkriege hervorgegangen. Wir haben in einer Situation gelebt, in der sich Staaten gegenseitig als Erbfeinde angesehen haben.
Man hat genau geschaut, ob man von den anderen etwas erobert, weil sie dort ihre Montanindustrie haben. Das war das, wo wir herkamen. Diese Situation haben wir aufgelöst und deshalb hat die Europäische Union auch einen Friedensnobelpreis bekommen.
Die Grundlage für Wohlstand und auch für den Wohlstand, in dem Sie fröhlich leben können, ist in erster Linie Frieden und zweitens, damit es wirtschaftlich funktioniert, der freie Austausch von Menschen und Gütern. Das organisiert die Europäische Union in mustergültiger Art und Weise.
Zum nächsten Aspekt: Wenn man auf dieser Basis arbeitet und vor allen Dingen europaweit den Gedanken der gegenseitigen Solidarität hat, dann bedeutet es auch, dass nicht immer jeder alles zurückbekommt, was er einzahlt, weil es manchmal noch einen Vorteil bringt, wenn in seinem Umfeld – das kennen wir auf unserer Basis – Sozialausgaben hin- und hergeschoben werden und den Atmeten etwas zur Verfügung gestellt wird. Das kennen wir auf jeder Ebene und das funktioniert auch in der Europaischen Union so. Das ist Grundlage von all dem. Sie verstehen das nicht, und man kann Ihnen wahrscheinlich auch nicht mehr wirklich weiterhelfen.
Der gesamte Wohlstand und wie sich Sachsen entwickelt hat, ist ohne Solidarität aus der Europäischen Union nicht denkbar. Es gibt kein nennenswertes größeres Investitionsprojekt, in das keine europäischen Gelder hineingeflossen sind, auch im gesamten Bereich der Wirtschaft, ob das Technologieförderung ist, ob das Weiterbildung ist für jeden Meister, überall fließt europäisches Geld hinein, wenn es um ländliche Raumförderung geht, die in den Regionen entschieden wird – sehr unbürokratisch weitgehend – da geht viel Geld hinein. Nehmen Sie einmal teil in diesen Regionen und sehen Sie, wie das funktioniert.
Das passiert alles nur mit europäischen Geldern. Wir sollten dankbar sein, dass wir sie bekommen haben. Wir hatten es schon einmal zur GAP-Debatte: Wir sind Netto-Empfänger in Sachsen und werden es noch eine Weile bleiben.
Aber klar ist: Wir müssen schauen, wie wir das diskutieren und wie es weitergeht.
Der Topf wird nicht größer, auch nicht durch den Brexit, das ist völlig klar. Wenn wir den Punkt Solidarität und die Kohäsionspolitik ernst nehmen,  dann heißt das auch, dass es, wenn wir uns in Sachsen besser entwickeln und Erfolge haben, es sicherlich nicht immer weitergehen kann, dass wir
auf Höchstmaß gefördert werden.
Es gibt dabei zwei Perspektiven: Unsere sächsische, dort ist immer jeder Cent gut, den wir bekommen. Verantwortung heißt aber auch, eine europäische Perspektive aufzumachen. Dort heißt es: Es nützt uns auch, wenn es in den anderen europäischen Regionen besser wird. Deshalb wird es wohl auch so kommen, und es ist für uns vertretbar, wenn bei uns die Förderung nach unten geht.
Deshalb müssen wir darüber diskutieren, wie wir diese noch zielorientierter dorthin bekommen, wo wir jetzt noch unsere Defizite haben, wie wir einen technologischen, einen industriellen Wandel hinbekommen, wie wir die Fragen des Klimawandels in den Griff bekommen, aber auch soziale Fragen. Es gibt ein weites Themenfeld, in dem europäische Gelder hineinfließen können und worüber wir diskutieren müssen, sicherlich auch die Mittelvergabe.
Ich möchte noch eines ausführen: Es gibt immer das große Lamento über die bürokratische EU. Das mag in manchen Fällen so sein. Es gibt aber auch genügend Fördermittelempfänger, die sagen: Ja, man kann sich durchaus einarbeiten. So kompliziert ist es nicht, und deswegen machen wir das auch, weil wir unter dem Strich einen großen Gewinn haben. Es ist auch nicht so, dass jedes Förderprogramm des Landes oder des Bundes nun so etwas Einfaches ist, was auf einen Bierdeckel passt, sondern die Verantwortung und wie man etwas gestaltet, ist überall sehr heterogen, also auch da ist es schwierig, wenn man Vielfalt erkennen will im Leben. Es ist nicht alles über einen Kamm zu scheren. Das gilt genauso für die EU-Mittel.
Da muss man sagen: Es ist wohlfeil, auf die EU zu schimpfen und zu sagen, wie bürokratisch das ist, sie nehmen unser Geld weg. Erstens nimmt uns die EU in Sachsen kein Geld weg, sondern gibt es uns nur. Und zweitens hätten wir ohne Beantragung von Geld auch keine Bürokratie. Wir gewinnen unter dem Strich und wir werden auch in Zukunft weiter gewinnen in diesem Umfang. Wenn wir jetzt schauen: Bei den neuen Herausforderungen könnte man konkret werden, bisher ist das Bruttoinlandsprodukt der Hauptmarker, wofür es Geld gibt. Jetzt stellen wir in Sachsen fest, dass es noch andere Probleme gibt. Das teilen wir auch mit Ost- und Mitteleuropa. Es droht, dass in Regionen die Bevölkerung massiv zurückzugeht.
Vielleicht ist das auch ein Indikator, der da mit hineinkommen sollte. Das sind alles Sachen, die wir weiterentwickeln können. Es gibt Ideen wie LEADER oder auch lokale Arbeitsgruppen, die gebildet werden, bei denen es gut funktioniert.
Es kann ausgebaut werden, dass mehr Verantwortung vor Ort kommt.
Ich verstehe gar nicht, warum Sie jetzt ein Problem haben. Erstens, dass es Vorgänger gibt, habe ich an keiner Stelle ausgeschlossen, zweitens die Notwendigkeit, genau zwei Weltkriege, davon habe ich gesprochen. Man hat schon nach dem ersten Weltkrieg gemerkt, dass das so nicht weitergehen kann und dass man viel mehr Verbindendes und Gemeinsames hat als das, was einen trennt. Es ist ziemlich idiotisch ist, sich den Kopf gegenseitig einzuschlagen. Es hängt auch mit den Strukturen zusammen, warum es so weit gekommen ist. Das ist nämlich eine Art Fehleranalyse gewesen, warum es den europäischen Bürgerkrieg gegeben hat, der das gewesen ist.
Und natürlich Frieden: Es ging um die Montanunion, genau das zu sagen, was den Schwerpunkt ausgemacht hat. Wo findet Montan statt? Saarland, unser Ruhrgebiet, das waren alles Fragen, bei denen man sagt: Das klären wir jetzt einmal anders, damit man deshalb keinen Krieg mehr führen muss, und es waren gute Überlegungen.
Versetzen Sie sich doch einmal in die Zeit zurück und lesen Dokumente von damals.
Schlagen Sie einmal eine Zeitung auf, und dann stellen Sie einmal fest, wenn Sie eine Zeitung von etwa 1937 aufschlagen, wie da übereinander geredet wurde und wie heute miteinander geredet wird.
Das sind alles Entwicklungen. Das haben Leute – Frauen und Männer – in die Hand genommen. Sie haben gesagt: Wir lernen aus der Vergangenheit. Wenn Sie nicht lernen wollen, dann kann man Sie nicht dazu zwingen. Aber wir haben daraus gelernt, wie man merkt. Deshalb werden wir die EU auch weiterentwickeln.
Vielen Dank!

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