Schlüsseltechnologie Leichtbau − Lippold: Wenn Sie Leichtbau-Schlüsseltechnologien voranbringen wollen, frage ich mich, warum Sie damit bei ihrem Antrag anfangen. Der ist in Leichtbauweise ausgeführt − nicht schlank, sondern dünn

Rede des Abgeordneten Gerd Lippold zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD: "Schlüsseltechnologie Leichtbau in Sachsen weiterentwickeln" (Drs 6/12500)
70. Sitzung des Sächsischen Landtags, Mittwoch, 25. April, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
wenn es Ihnen darum geht, sächsische Leichtbau-Schlüsseltechnologien voranzubringen, so verstehe ich nicht, warum Sie damit ausgerechnet bei ihrem Antrag anfangen. Den haben sie in Leichtbauweise ausgeführt.
Da wird geschwurbelt was das Zeug hält und die Rolle der Bedeutung wird nur noch von der Bedeutung der Rolle übertroffen.
Warum sagen Sie nicht einfach, wo das Problem liegt, für das wir hier in Plenum und Ausschüssen und vielleicht auch in der Haushaltsdebatte gemeinsam Lösungen diskutieren und eventuell beschließen müssen?
Aus meiner Sicht stellt sich die Problemlage so dar: Im Herbst 2017 wurde klar, dass das Bundesexzellenzcluster MERGE an der TU Chemnitz bis auf die Auslauffinanzierung keine weitere Bundesförderung erhalten würde. Dort waren bis dahin 34 Millionen Euro geflossen, drei Viertel davon vom Bund, plus weitere Mittel für die Forschungsinfrastruktur. Viele Projekte wurden begonnen, Netzwerke geknüpft, Industriekooperationen angeschoben. Jetzt steht vieles davon angesichts der wegfallenden Exzellenzförderung im Regen.
Zugleich ist aber die Leichtbaukompetenz wirtschafts- und technologiepolitisch ganz sicher eines der sächsischen Kernthemen, das ein Hebel für Wettbewerbsvorteile vieler sächsischer Unternehmen werden kann.
Nun muss dringend nach Finanzierungslösungen gesucht werden, damit hier nicht Kompetenz und Arbeitsfähigkeit wegbricht.
Also, wollen sie etwas tun, was man immer zuerst tut, wenn das Geld nicht reicht, um alle Aktivitäten wie bisher zu bezahlen: man sucht zunächst nach Möglichkeiten, durch Bündelung aller ähnlichen Aktivitäten an verschiedenen sächsischen Forschungsstandorten insgesamt einzudampfen und dann mit einer Summe von Einzelprojekt-Maßnahmen und anderen Fördertöpfen möglichst viel fortführen zu können.
Dieser Ansatz klingt logisch, man kann ihn kommunizieren und dennoch ist er zu hinterfragen.
So halte ich den Denkansatz der "Koordinierung" und "Verzahnung" im Antrag zwar für verständlich, dennoch aber für kritikwürdig. Es geht hier nämlich nicht um Verwaltungsaußenstellen, wo man durch Vermeidung von Dopplungen und Zusammenlegungen bei vorab bekannten Aufgabenstellungen und Prozessen Effizienz erhöhen und Geld sparen kann.
Es geht vielmehr um Forschung und Entwicklung. Leichtbau ermöglicht einen ganzen Blumenstrauß von völlig neuen Anwendungen und Lösungen. Es geht um Wissenschaft an vorderster Front. Da entsteht der Weg vielfach erst beim Gehen. Wer da vorab meint, Themen und Aufgaben zuteilen zu wollen und zu können, der muss für sich in Anspruch nehmen, schon vornweg zu wissen, was rauskommen soll. Der muss vorab wissen, welcher Forschungsansatz am Ende zu einem Erfolg führt und welcher nicht. Wenn man das vorab weiß, meine Damen und Herren, dann ist es nicht wirklich Forschung. Zumindest nicht an der Innovationsfront.
Forschung ist dann gut und effektiv, wenn sie in einem kompetitiven Umfeld stattfindet. Da ist es völlig sinnlos, Geld dadurch sparen zu wollen, dass jedes Themenfeld nur an einer Labortür steht. Die Zeiten, wo "Staatsplanthemen" vom Politbüro aufgesetzt und zugeteilt wurden, sind vorbei, meine Damen und Herren!
Ich kann ja irgendwo nachvollziehen, dass man als Hüter öffentlicher Finanzen unzufrieden werden kann, wenn sich da an benachbarten Hochschulen Professoren mit großem Ego ihre kleinen oder großen, meist aber ziemlich teuren Reiche aufbauen, die aus Sicht des Außenstehenden Doppelstrukturen bilden, die ihre Arbeit so gar nicht koordinieren, sondern hart konkurrieren.
Doch wissen Sie, was ein Unternehmen tut, wenn ein Entwicklungsziel im Wettbewerb wirklich überlebenswichtig ist, meine Damen und Herren? Es setzt parallel auf mehrere Wege zum Ziel und schafft eine hoch kompetitive Atmosphäre dazu. Weil es zwar billiger wäre, sich zu fokussieren – doch die Konsequenzen viel zu teuer kämen, wenn man dabei den falschen Ansatz auswählt. Und diese Gefahr besteht, meine Damen und Herren.
Und deshalb, meine Damen und Herren von der Koalition: wenn Sie das Thema Leichtbaukompetenz in Sachsen wirklich als besonders wichtig erkannt haben, dann müssen Sie auch konsequent handeln. Das funktioniert nicht durch Eindampfen und Aussortieren. Fordern Sie die Staatsregierung auf, bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes entsprechende Vorschläge zu machen!
Wenn Sie mehr Kooperation der Beteiligten wollen, dann fördern Sie speziell Verbundprojekte. Die Wissenschaftler wissen selbst am besten, wo die Entwicklungen durch Verzahnen stärker werden.
Unterstützen Sie die Leichtbauforschung dabei, Kriterien für andere Fördertöpfe zu erfüllen. Die Bridge-Konferenz in Chemnitz, auf der Ministerpräsident Kretschmer erst in der letzten Woche war, unterstützt etwa auf dem Wege der länderübergreifenden Cluster-Bildung Zugänge zu EU-Fördermaßnahmen. Das ist doch schon mal ein guter Schritt.
Mit dem Fraunhofer Kunststoffzentrum Oberlausitz, Leichtbauthemen an den Hochschulen und hoher Kompetenz im Fahrzeugbau gäbe es auch in der Lausitz einen Kristallisationskeim, um die überall diskutierten Bundesmittel für die Strukturwandelförderung in den Kohleregionen auch und vor allem in dieses aussichtsreiche sächsische Forschungsgebiet zu lenken.
Dann müsste vielleicht der eine oder andere das, was er bisher in Dresden oder Chemnitz tut, künftig in Zittau, Görlitz, Bautzen oder Kamenz machen. Am Ende zählt doch aber, was dabei rauskommt. Und welche Hebelwirkung sächsische Haushaltsmittel auf andere Finanzierungsquellen für ein so wichtiges Entwicklungsfeld auslösen können!
Das haben wir mit unseren Schlüsselprojekten für die Lausitz vor fast einem Jahr konkret vorgeschlagen.
In Ihrem Antrag spiegelt sich jedoch eine vorwärtsgewandte Lösungssuche nicht wieder.
Nur für den Berichtsteil aber ist uns der Antrag keine Zustimmung wert.
Wir werden uns deshalb enthalten. » Alle Infos zum 70./71. Plenum » Alle GRÜNEN Reden