Schub für den Nahverkehr − Meier: Wenn Sie etwas erreichen wollen, siedeln Sie ihre Forderungen im Ministerium an, nicht bei einer Koordinierungsstelle ohne Durchsetzungskraft
Rede der Abgeordneten Katja Meier zum Antrag der Fraktionen CDU und SPD zum Thema:
"Neuer Schub für den Nahverkehr: Sachsentarif einführen, Beförderung harmonisieren, Digitalisierung fördern"
67. Sitzung des Sächsischen Landtags, 1. Februar, TOP 5
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
ein Antrag der CDU und SPD zum Thema ÖPNV auf der Tagesordnung.
Das ist erfreulich und lässt die Hoffnung aufblitzen, dass das Thema bei Ihnen endlich einen höheren Stellenwert bekommt.
Der Blick ins Detail führt allerdings zu Ernüchterung.
Der Teil des Berichtsantrags: geschenkt.
Kommen wir zu Ihren Forderungen:
Die Beförderung von Menschen mit Behinderungen soll erleichtert und die Mitnahme von elektrischen Rollstühlen im sächsischen ÖPNV rechtssicher möglich werden.
Das ist natürlich in Ordnung.
Dazu sind wir bereits gesetzlich verpflichtet, denn die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet Sachsen, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit alle Menschen gleichberechtigten Zugang zu Transportmitteln haben.
Die Forderung, einen einheitlichen Sachsentarif zu schaffen, und die Beförderungs- und Tarifbestimmungen der verschiedenen Zweckverbände zu harmonisieren, teilen wir als GRÜNE ausdrücklich.
Allerdings darf ich Sie daran erinnern, dass sie wertvolle Zeit haben verstreichen lassen.
Wir GRÜNEN haben bereits vor drei Jahren den Antrag "sachsenweiten ÖPNV-Tarif und landesweite Ticketangebote für Schüler und Schülerinnen, Studierende, Seniorinnen und Senioren einführen" eingebracht.
Diesen haben Sie – liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD – allerdings abgelehnt.
Und das, obwohl die große Mehrheit der zur Anhörung geladenen Sachverständigen (also auch Ihre) nicht nur das Anliegen "endlich die Fahrgastinteressen in den Mittelpunkt der ÖPNV-Politik zu stellen", unterstützt, sondern sich auch für die Einführung eines einfachen, verständlichen und kundenfreundlichen ÖPNV-Tarifs ausgesprochen haben.
Sie haben Ihre Ablehnung damals damit begründet, dass der ÖPNV durch die kommunalen Aufgabenträger organisiert sei und Sie das Konnexitätsprinzip nicht verletzen wollen.
Die Lösung des Problems sei somit Sache der Aufgabenträger. Wie man sieht, hat ihre Haltung "wunderbare Erfolge" gezeigt:
Nun sind drei Jahre nach der CDU- und SPD-Ablehnung unseres GRÜNEN-Antrags ins Land gegangen.
Gerade für Menschen, die in den Übergangsgebieten der gegenwärtigen Tarifzonen leben, hat sich nichts verbessert.
In den Übergangsgebieten zwischen den Verkehrsverbünden in Sachsen herrscht noch immer ein Tarifwirrwarr, der viele Nutzerinnen und Nutzer massiv überfordert.
Die Fahrpreisgestaltung ist insbesondere an den aktuellen Verbundgrenzen absurd.
Warum man gleich deutlich mehr zahlen soll, nur weil man beispielsweise eine kurze Station später aussteigt, erschließt sich vielen Fahrgästen nicht.
Manche müssen für eine Alltagsfahrt drei verschiedene Tickets lösen.
Auf den Teilstrecken herrschen für die Altersgrenzen der Kindertarife oder die Fahrradmitnahme unterschiedliche Regeln.
Wer mehr Fahrgäste in Bus und Bahn haben will, muss einen einfachen und kundenfreundlichen Zugang zum ÖPNV ermöglichen.
Dazu gehört zwingend ein verständliches ÖPNV-Tarifsystem.
Sie haben zum Leidwesen der Fahrgäste so viel Zeit verstreichen lassen und den ÖPNV künstlich kleingehalten.
Und es wird vermutlich weiter so gehen:
Die Empfehlungen der ÖPNV-Strategiekommission, die sie vermutlich in den nächsten Jahren als das alleinseligmachende Instrument zu Rate ziehen werden, bleiben vage und ungenau.
Denn gerade die SPD- und CDU-Vertreter in dieser ÖPNV-Strategiekommission hatten nicht den Willen, die Organisationsstruktur als Ursache des Tarifdschungels anzugehen.
Gegen das entschlossene Auftreten der Zweckverbandsge-schäftsführer sind Sie von der Idee einer Zusammenlegung der Verkehrsverbünde abgerückt.
Und dann muss man einfach konstatieren, dass sie sich nach Ihren vollmundigen Presseankündigungen einfach weggeduckt haben.
Was in Ihrem Antrag gänzlich fehlt, sind Aussagen mit welchen Instrumenten und Maßnahmen sie einen Landestarif einführen und die Tarif- und Beförderungsbestimmungen harmonisieren wollen.
Da hilft dann ein Blick in den Abschlussbericht der Strategiekommission: eine Koordinierungsstelle soll es richten.
Es ist aber völlig unklar, wie diese Koordinierungsstelle diese Mamutaufgaben umsetzen soll, zumal sie auch keinerlei realen Einfluss und Durchsetzungskraft haben wird.
Eigentlich ist das Scheitern schon vorprogrammiert.
Wenn Sie hier wirklich gewillt wären etwas zu erreichen, dann hätten Sie die Umsetzung der in ihrem Antrag formulierten Forderungen direkt im Ministerium angesiedelt.
Da unsere Hoffnung als GRÜNE darin besteht, dass der stete Tropfen unserer Hinweise auch den Stein des Beharrungsvermögens dieser Koalition aushöhlt, werden wir ihrem Antrag zustimmen.
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