Valentin Lippmann: Das derzeitige Standortkonzept ist keine verlässliche Struktur, sondern staatlich organisierte Mangelverwaltung

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion
"Aktualisierte Kosten-Nutzen-Bilanz zur Umsetzung des Standortekonzepts unverzüglich vorlegen"
9. Sitzung des Sächsischen Landtags, am 11. März 2015, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
im Oktober legte der Sächsische Rechnungshof seinen Jahresbericht 2014 vor. Neben interessanten Erkenntnissen über diverse Mittelverwendungen stach eine Feststellung ins Auge, ich zitiere:
"Die Staatsregierung hat bei der Nutzen-Kosten-Bilanz zur Umsetzung der Standortkonzeption im Bereich der Finanzämter gegenüber dem Parlament die erwarteten Einsparungen zu hoch und die anfallenden Kosten zu niedrig angesetzt."
Eine Klatsche für das Standortkonzept. Denn offensichtlich wurde es auf der Basis falscher Zahlen beschlossen. Dem Landtag wurde offenbar über die tatsächliche Wirtschaftlichkeit des Behördenkarussells offensichtlich die Unwahrheit erzählt. Diese Feststellung des Rechnungshofes, bei welcher für den geneigten Leser die Befürchtung entsteht, dass dies nicht nur ein Problem mit den Finanzämtern sein könnte, macht es einmal mehr notwendig, dass der Landtag das Standortkonzept überprüft.
Im Rahmen des Haushaltsverfahrens beraten wir gerade, welche Mittel wir welchem Ministerium, welcher Behörde, welcher sonstige Institution zur Erledigung ihrer Aufgaben zur Verfügung stellen. Das Standortkonzept hat massive Auswirkungen auf dieses Haushaltsverfahren. Die staatliche Hochbau- und Liegenschaftsverwaltung allein hat in den kommenden beiden Jahren einen Etat von rund 690 Mio. Euro jährlich.
Anfang 2011 hat die damalige Regierung von CDU und FDP beschlossen, auf diese Ausgaben noch einmal über 369,5 Mio. Euro draufzupacken – nicht im Haushaltsplan 2013/2014 – nein, gleich für alle Haushaltspläne der nächsten acht Jahre. Sie hat eine Neuordnung der sächsischen Behördenlandschaft beschlossen, bei der es in erster Linie darum ging, Gerichte, Staatsanwaltschaften, Finanzämter, Polizeidirektionen und -reviere zu schließen und die dabei leer ausgehenden Landkreise anschließend mit der Ansiedlung des sächsischen Rechnungshofes, der Aufbaubank, des Landesamtes für Archäologie etc. zu beschwichtigen.
Wir GRÜNEN haben dieses Behördenkarussell stets kritisiert. Wir waren damit keinesfalls alleine. Die SPD kritisierte dies übrigens auch. Frau Kollegin Friedel, Sie bezeichneten das Standortgesetz damals als Staatsabbau und Zentralisierung und lehnten den gesamten Gesetzentwurf ab. Herr Pecher, Sie spotteten damals über die Rechnung der FDP, dass sich die Einsparungen bei der Miete der Standorte bis 2051 amortisieren.
Nun – heute, eine Wahl später – sind Sie offensichtlich damit zufrieden. Im Koalitionsvertrag sucht man vergeblich nach Äußerungen zum Standortkonzept. Bei der Polizei, die nahezu die Hälfte aller Reviere schließen musste, setzen Sie nun auf "Kontinuität und Verlässlichkeit", will heißen, keine weitere Polizeireform in den nächsten Jahren, aber auch keine Rückkehr zur alten Struktur.
Das derzeitige Standortkonzept ist aber keine verlässliche Struktur, sondern staatlich organisierte Mangelverwaltung.
Und die Erkenntnis lautet nach der Feststellung des Rechnunghofes einmal mehr: Diese Mangelverwaltung spart offenbar kaum einen Cent, sondern wir zahlen drauf. Hier zahlt der Freistaat für eine schlechtere Leistung auch noch mehr Geld, weil sich der Finanzminister um ordentliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gedrückt hat. Seriosität sieht anders aus.
Der GRÜNEN Kritik von damals schließt sich nun der Rechnungshof an und bemängelt die fehlenden Informationen an das Parlament. So wurden diesem Hause nur die Baunettokosten mitgeteilt und nicht die tatsächlichen Gesamtkosten.
Wir haben dies zum Anlass genommen, um mit diesem Antrag nochmals nach den aktualisierten Kosten-Nutzen-Bilanzen zur Umsetzung des Standortkonzepts zu fragen.
Wir wollten wissen, welche Baumaßnahmen bereits mit welchen Kosten durchgeführt wurden sind und zu welchen konkreten Einsparungen dies etwa durch Aufgabe von Mietobjekten geführt hat. Die Antwort in der Stellungnahme der Staatsregierung, meine Damen und Herren, suchen wir (und Sie vielleicht auch) bisher vergeblich.
Finanzminister Unland hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, die Projekte aufzuzählen, für die wir als Haushaltsgesetzgeber in den kommenden beiden Jahren Geld bewilligen sollen, geschweige denn, uns die Frage beantwortet, welche konkreten Einsparungen sich bereits realisiert haben. Auch was in den vergangenen Jahren an Geld in die Realisierung geflossen ist und welche konkreten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt wurden, wird uns nicht mitgeteilt.
Die einzige Zahl, die wir auf unseren Antrag hin erhalten haben, ist erstmalig die Gesamtbruttobausumme für alle Projekte des Standortkonzepts. Insgesamt 369,5 Mio. Euro kostet uns das Behördenkarussell.
Ansonsten verweist uns der Finanzminister auf unsere Große Anfrage zum Standortkonzept aus dem Jahr 2011. Mehr hat er uns – vier Jahre danach und etliche Millionenbewilligungen später – nicht mitzuteilen. Offensichtlich weiß der Minister um die Brisanz der Zahlen.
Der Rechnungshof hat ferner kritisiert, dass die Frage der GRÜNEN in der Großen Anfrage zum Standortkonzept, wie denn die genaue Verteilung der Bediensteten bei den Finanzämtern aussehe, nicht beantwortet werden könne, da dieses sog. Feinkonzept gerade erarbeitet werde. Stand 2011.
Eine offensichtliche Lüge, wie wir nun wissen. Denn: Weder der Rechnungshof noch wir haben je ein solches zu sehen bekommen und wenn wir der Antwort der Staatsregierung auf unseren Antrag Glauben schenken dürfen, ist das Feinkonzept bis zum heutigen Tag nicht erarbeitet. Das kann doch nicht ihr ernst sein.
Was aber munter weitergeht, ist die bauliche Umsetzung des Standortkonzepts. Im Entwurf des Haushaltsplans sind für die kommenden Jahre 75,4 Mio. Euro eingestellt. Wir sollen als Gesetzgeber Geld bewilligen für Projekte, die weder einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung unterzogen wurden, noch für die Feinkonzepte zur Unterbringung des Personals vorliegen. Wir sollen Geld bewilligen, obwohl uns die Auskunft darüber verweigert wird, was in den letzten beiden Jahren bereits an Kosten für das Standortkonzept angefallen sind.
Werte Kolleginnen und Kollegen, man braucht kein Prophet sein. In einigen Jahren wird man hier in diesem Landtag zu folgender Erkenntnis kommen:
Die Kosten für das Standortkonzept waren zu hoch und das ganze Projekt unwirtschaftlich, weil man die Kosten als zu niedrig angesetzt hatte. Niemand wird verstehen, warum man keine umfassenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gemacht hat. Niemand will verantwortlich sein.
Oder Anders gesagt: Krokodilen sagt man gemeinhin nach, sie würden heuchelnd ihren Opfern nachtrauern und beim Verzehr der selbigen weinen.
Diese sprichwörtlichen Krokodilstränen wird man irgendwann in diesem Hause weinen, wenn man nach der Zerstörung funktionierender Strukturen feststellen muss, dass ein Staat, der nicht funktioniert, auch nicht modern sein kann.
Um dies zu vermeiden, sollten Sie unserem Antrag zustimmen, damit wir als Parlament endlich valide Zahlen über diese teure Karussellfahrt erhalten und gegebenenfalls dies Fahrt noch beenden kann.
Vielen Dank.