Verselbstständigung der Leitstelle für Informationstechnologie in der Justiz – Meier: Der Gesetzentwurf krankt an so vielen Ecken und Enden, dass meine Fraktion ihn ablehnen wird

Rede der Abgeordneten Katja Meier zum Gesetzentwurf der Staatsregierung:
"Gesetz zur organisatorischen Verselbstständigung der Leitstelle für Informationstechnologie der sächsischen Justiz" (Drs 6/12504)
77. Sitzung des Sächsischen Landtags, Mittwoch, 5. September, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Verselbstständigung der Leitstelle für Informationstechnologie in der Justiz ist wahrscheinlich unumgänglich.
Wie alle anderen Lebens- und Verwaltungsbereiche wird auch die Justiz immer elektronischer.

ABER: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung krankt an so vielen Ecken und Enden, dass meine Fraktion ihn ablehnen wird.
Die LIT soll sich zur Aufgabenerfüllung privater Dritter bedienen dürfen, das klassische Outsourcing also. Dabei scheint sie nach dem Gesetzeswortlaut keinerlei Beschränkungen zu unterliegen, z.B. hinsichtlich der Befugnisse, die auf die Dritten übertragen werden.
Erhalten Administratoren von außen die selben Zugriffsrechte wie die Beschäftigten der LIT?
Wer erstellt Quellcodes und darf sie bearbeiten?
Wer kontrolliert wen?
Das alles ist nicht geregelt!

Die pauschale Anweisung, die Dritten zu Vertraulichkeit, Informationssicherheit und Datenschutz zu verpflichten, genügt bei weitem nicht.
Wir bewegen uns hier in einem hochsensiblen Bereich der staatlichen Gewalt, nämlich dem der Richterlichen Unabhängigkeit.

Richterinnen und Richter dürfen bei der Arbeit mit IT-Programmen zur Verfahrens- und Aktenführung nie das Gefühl haben, dass jemand unbefugtes in ihre Akten schauen kann und ihren Weg der Entscheidungsfindung einsieht – denn schon allein die Möglichkeit kann genau diesen Weg beeinflussen und damit die richterliche Unabhängigkeit gefährden.

Es braucht hier ganz klare Regelungen und konkrete Befugnisse für die Administratoren, um rechtsstaatliche Gerichtsverfahren gewährleisten zu können.
Um die Arbeit der LIT zu kontrollieren, sieht der Gesetzentwurf eine IT-Kontrollkommission vor.
Nach dem Regelungswortlaut ist die Kommission für die Kontrolle beauftragter Dritter nicht zuständig.
Das ist höchst problematisch und auch ineffizient.

Die Kommission kontrolliert die LIT, die wiederum die durch sie selbst beauftragten externen Dritten kontrolliert?
Da muss es ja zu Informations- und Kontrollverlusten kommen.
Es ist auch nicht klar, anhand welcher Maßgaben die Kommission kontrollieren soll.

Der Gesetzentwurf hätte hier weitergehen und der Kommission weitere Befugnisse einräumen sollen, wie z.B. die zur Erstellung fachlicher Standards oder die Einräumung direkter Begehungs- und Kontrollrechte bei von der LIT beauftragten Dritten.
Am heikelsten ist aber die Zusammensetzung der Kommission: Davon abgesehen, dass keinerlei informationstechnische Vorkenntnisse der Mitglieder erforderlich zu sein scheinen, wird auf die Einbeziehung einer oder eines Datenschutzbeauftragten gänzlich verzichtet.

Eine Kommission, die die elektronische Datenverarbeitung in der Justiz kontrollieren soll und in der Datenschutz-Hintergrund keine Voraussetzung ist, kann doch niemand ernst nehmen, meine Damen und Herren!

Ich gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition beschlossen wird.
Ich fordere Sie aber eindringlich auf eine effiziente IT-Betreuung in den Justizbehörden sicherzustellen:
Zum einen braucht es in allen Bereichen, genug Personal!
Bei der IT-Anwenderbetreuung kommt es auf schnelle Hilfe vor Ort an.
Außenstellen der LIT an den verschiedenen Justizstandorten und mit hinreichender Personalausstattung sind daher unerlässlich!

Ich bezweifle, dass die im aktuellen Haushaltsentwurf vorgesehenen acht zusätzlichen Stellen ausreichen werden.
Auf der anderen Seite, also bei den Anwenderinnen und Anwendern, den Beschäftigten in Gerichten, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten braucht es umfangreiche IT-Schulungen.

Der Umgang mit allgemeinen und Fachanwendungen muss selbstverständlich werden.
Nur so kann die allgemeine Akzeptanz der IT-Anwendungen und auch der Arbeit der LIT gestärkt, die Fehleranfälligkeit reduziert und im Ergebnis in den Arbeitsabläufen die Effizienz erreicht werden, die zu den ursprünglichen Zielen der vollständigen elektronischen Verfahrensabwicklung gehört.