Volkmar Zschocke: Statt wiederholt die Umsetzung von Koalitionszielen als Neuigkeit zu verkaufen, möchte ich auf wirklich dringliche Probleme hinweisen: die schleppende Förderung von Familienberatungsstellen und Familienverbänden

Redebausteine des Abgeordneten Volkmar Zschocke zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU uns SPD:
"Eltern stärken, Kinder fördern – KITAS auf dem Weg zu Eltern-Kind-Zentren"
35. Sitzung des Sächsischen Landtags, 27. Mai 2016, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Eltern stärken, Kinder fördern – das ist ein schöner Spruch. Damit sind alle einverstanden. Wer will das nicht? Eltern-Kind-Zentren sind eine gute Sache. Das haben wir uns schon alle gegenseitig gesagt, zum Beispiel als die Koalition ihren Antrag im letzten Jahr dazu hier vorgestellt hat. Ich sage es Ihnen auch gern noch einmal: Ja, es ist gut, dass sich Sachsen nun endlich auch auf den Weg macht, Kitas darin zu unterstützen, Eltern-Kind-Zentren zu gründen. Ja, das ist ein wichtiges Angebot, weil Familienformen heute vielfältiger sind, ebenso wie die Lebenslagen von Familien. Alleinerziehende, Eltern oder Kinder mit Behinderungen, Familien mit Migrationshintergrund − um nur einige Beispiele zu nennen − sind ganz unterschiedlich gefordert. Ja, es ist wichtig, auf die verschiedenen Bedürfnisse von Eltern und Kind zu reagieren und die Familie als Ganzes in den Blick zu nehmen.
Ja, das ist eine Chance, auch "neue Wege in der Familienbildung" zu gehen. Opposition und Koalition sind sich in diesem Anliegen einig. Was, bitteschön, wollen Sie denn aktuell mit uns debattieren? Oder wollen Sie am Beginn der Sitzung deutlich machen, dass natürlich die Koalition der Platzhirsch in Sachen Familienpolitik ist, weil DIE LINKE heute die Große Anfrage zur Lebenssituation von Familien auf die Tagesordnung gesetzt hat?
In der Aktuellen Debatte soll laut Geschäftsordnung über aktuelle Themen debattiert werden, Themen von großer Dringlichkeit, von hohem öffentlichen Interesse. Stattdessen versuchen Sie zum wiederholten Mal die Umsetzung von Koalitionszielen als große Neuigkeit zu verkaufen. Das dürfen Sie natürlich, aber ob das der Sinn der Aktuellen Debatte ist, mag ich bezweifeln.
Ich nutze die Gelegenheit, die Aufmerksamkeit beim Thema "Eltern stärken, Kinder fördern" auf zwei aktuelle und wirklich dringliche familienpolitische Probleme zu lenken:
Erstens: Die schleppende Förderung des Sozialministeriums im Sozialbereich, unter der auch die Arbeit der Familienberatungsstellen und Familienverbände leiden.
Das ist wirklich ein aktuelles und dringendes Thema. Die Konsequenzen für die Eltern und Kinder sind erheblich, wenn Haushaltsmittel erst Monate später ausgezahlt werden. Und das war auch nicht nur im Jahr 2015 so, wo sich die Koalition gern auf die verspätete Verabschiedung des Doppelhaushalts herausredet. Auch in diesem Jahr hatte die Hälfte der Antragsteller im Bereich Familienförderung zwar eine Bewilligung erhalten, aber noch immer kein Geld auf ihrem Konto. Sie stellen immer viel Gutes in Aussicht und reden auch gern in Aktuellen Debatten darüber. Oder wenn zum Beispiel bei der von Ihnen bereitgestellten einen Million Euro für Familienbildung in 2015 nur 440.000 Euro abgeflossen sind, bedeutet das, dass viele von Ihnen angekündigte Verbesserungen für Familien eben vor Ort nicht ankommen. Das sind aktuelle Probleme. Darüber sollten wir mal debattieren.
Und von dem besten Eltern-Kind-Zentrum hat zum Beispiel eine Familie nichts, die nicht als Familie zusammenkommen kann. Familienzusammenführung von geflüchteten Familien ist in Sachsen kaum mehr möglich. Das Innenministerium hat das Landesaufnahmeprogramm für syrische Flüchtlinge nicht verlängert. Es ist am 31. März 2016 ausgelaufen. Es wird laut Innenminister ausgesetzt, weil es legale Einreisemöglichkeiten gäbe. Ich finde das zynisch und ignorant. Seit dem die Grenzen in Mazedonien geschlossen worden sind, das Abkommen mit der Türkei besteht und mit dem Asylpaket II der Familiennachzug eingeschränkt wurde, existieren quasi keine legalen Einreisemöglichkeiten mehr nach Deutschland. Seit dem 6. November 2013 sind 407 Syrer zu ihren Familien nach Sachsen gekommen. Nun verweigert sich auch der Freistaat, im Rahmen seiner Möglichkeiten Familienangehörige, die aus Syrien vor Krieg fliehen, nach Sachsen nachzuholen.
Zu Ihrem schönen Spruch für die Aktuelle Debatte "Eltern stärken, Kinder fördern" passt diese aktuelle Politik leider überhaupt nicht.

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