Datum: 10. Juni 2020

AfD-Antrag gegen Corona-Impfpflicht – Kummer: Unterlassen Sie solche manipulativen Anträge!

Redebeitrag der Abgeordneten Ines Kummer (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion AfD "Bevölkerung schützen und Freiheit wahren! Einer Corona-Impfpflicht entschieden entgegentreten." (Drucksache 7/2464)
10. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10.06.2020, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

dieser Antrag zeigt einmal mehr, dass die AfD das alleinige Ziel verfolgt, Angst in der Bevölkerung zu schüren. Für ihr politisches Überleben brauchen sie diese Verunsicherung. Sie scheut deshalb auch nicht davor zurück, Verschwörungsmythen in den Landtag zu tragen und diese mit verdrehten Fakten und Falschaussagen zu untermauern. Schauen wir daher in ihren Antrag.

In ihrem Begründungstext schreiben interpretieren Sie in Aussagen von Herrn Spahn die Absicht der Einführung einer Impfpflicht hinein. Tatsache ist aber, dass in keinem Gesetzesentwurf eine Coronaimpfpflicht enthalten war. Herr Spahn selbst hat sich nochmals dezidiert gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Es ist lediglich von einem Impfschutz die Rede; und dieser ist wohlgemerkt immer noch freiwillig.

Weiter führen Sie in ihrem Antrag als Beweis die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags an. Diese stammt aus dem Jahr 2016 und hat daher rein gar nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. In der genannten Ausarbeitung wurde geprüft, ob eine Impfpflicht verfassungsrechtlich zulässig wäre. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags ist parteineutral und sachlich objektiv. Die Wissenschaftlichen Dienste bearbeiten nicht nur Aufträge von Abgeordneten, sondern widmen sich auch Themen, die auf der künftigen politischen Agenda stehen könnten. Die Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestags wieder, sondern liegen in der Verantwortung des jeweiligen Fachbereichs. Ihre Implikation, dass der Bundestag eine Impflicht beabsichtige, ist daher völlig falsch und beweist nur, wie manipulativ sie Fakten aneinanderreihen. In der Ausarbeitung wurde lediglich die aktuelle Rechtslage geprüft.

Bemerkenswert finde ich zudem, wie Sie wieder einmal mit zweierlei Maß messen. In ihrem sogenannten „Regierungsprogramm für Sachsen“ fordern Sie auf Seite 62 (ich zitiere): „Neben Aufnahmeuntersuchungen muss gewährleistet werden, dass die hieraus resultierenden ärztlichen Vorgaben eingehalten und angeordnete Maßnahmen durchgeführt werden.“ Weiter im Text fordern Sie einen biometrischen Gesundheitspass, auf dem der aktuelle Impfstatus und alle Untersuchungsergebnisse gespeichert werden sollen. Für mich ist hier kein Unterschied zum aktuell besprochenen Immunitätsausweis zu erkennen. Ungeachtet der Menschenverachtung, die in dieser Passage ihres Wahlprogrammes ablesbar ist, frag ich mich doch: Wofür stehen Sie denn nun? Für oder gegen einen Immunitätsausweis?

Wir Bündnisgrünen sehen die geplante, aber auf Eis gelegte, Immunitätsdokumentation aus vielerlei Gründen sehr kritisch. Zum einen sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das neuartige Coronavirus noch nicht so weit, dass wir mit Sicherheit sagen können, wie lange eine Immunität gegeben ist. Auch die Antikörpertests bieten noch keine absolute Sicherheit vor falsch-negativen Ergebnissen. Zum anderen öffnen Regelungen, welche die Gesellschaft in unterschiedliche Gruppen einteilen, nämlich in immune und nicht-immune Personen, Tür und Tor für soziale Spaltungen und Diskriminierungen. Besonders schwer wiegt zusätzlich, dass diese Regelungen nicht nur auf COVID-19 beschränkt sein könnten. Solche Regelungen müssten gründlich geprüft und abgewogen werden. Die berechtigte Kritik am Immunitätsausweis seitens Mediziner*innen, Daten- und Patientenschützer*innen, Ethiker*innen und Politiker*innen kam an und das Bundesgesundheitsministerium ruderte zum Glück zurück.

Sie schreiben selbst im Punkt I.4. Ihres Antrags, dass die Bevölkerung nicht weiter verunsichert werden darf. Dann befolgen Sie doch ihren eigenen Rat und unterlassen Sie solche manipulativen Anträge.

Wir Bündnisgrünen sowie unsere Koalition, sehen ein dringendes Bedürfnis der Bevölkerung nach Aufklärung und Dialog. Daher hat das grün-geführte Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung zusammen mit der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Projekt »Aus der Krise lernen? Offene Gesellschaft in der Post-Corona-Phase« Onlinedebatten gestartet. Hier werden die Online-Debatten durch eine intensive Informations- und Bildungskampagne in den kostenfreien Wochen- und Anzeigenblättern Sachsens beworben. Damit können 70 Prozent der sächsischen Haushalte erreicht werden.
Die Themenpalette umfasst nicht nur die Bereiche Wirtschaft, Soziales, die Zukunft der Kultur, der Kirchen und des Ehrenamtes oder Fragen zu Bildungsgerechtigkeit; in den Dialogen wird sich auch über das Themengebiet der Medizin ausgetauscht. Zu jedem Thema werden Fachexpert*innen eingeladen, die Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantworten. Wir dürfen Verschwörungsideolog*innen keinen Raum geben.
Um Fake-News und Verschwörungstheorien entgegen zu treten, müssen folgende Punkte nochmals klargestellt werden: Entgegen der Behauptungen, gibt es keine Abstimmung zu einem Impfzwang und auch keinen dahingehenden Gesetzentwurf der Bundesregierung oder irgendeiner demokratischen Fraktion im Deutschen Bundestag oder Landtag. Es wäre auch abwegig, eine Impfpflicht im Bundestag zu beschließen, wo es doch bisher überhaupt keinen Impfstoff gibt.
Nichtsdestotrotz wird unsere Gesellschaft darauf angewiesen sein, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, sobald ein sicherer und wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht. Nur so kann die Pandemie überwunden werden. Von einer Pflicht kann dabei aber keine Rede sein.

Aus den eben genannten Gründen stimmt unsere Fraktion dem Antrag nicht zu. » Mehr Informationen zur 10. und 11. Sitzung des 7. Sächsischen Landtages