Datum: 23. März 2022

Aktionsplan Alleinerziehende – Hammecke: Für ein selbstbestimmtes Leben ohne finanzielle Sorgen braucht es gut aufeinander abgestimmte Maßnahmen

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt stärken – Aktionsplan vorliegen“ (Drs 7/9383)
46. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 23.03.2022, TOP 12

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,

Familien stärken – das heißt auch Alleinerziehende stärken.

Alleinerziehende und ihre Kinder sind Familien wie andere auch. Denn Familien entsprechen immer seltener der klassischen Vater-Mutter-Kind-Konstellation. In Sachsen lebten 2018 circa 93.000 Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. Das heißt, etwa jede vierte Familie in Sachsen ist alleinerziehend organisiert. 

Ein-Eltern-Familien sind dabei natürlich genauso vielfältig und individuell wie der Rest unserer Gesellschaft es ist. Aber eins eint sie: Alleinerziehende tragen die alleinige Verantwortung für ihre Familie und sind daher oft mit besonderen Herausforderungen konfrontiert.

Aufgaben, Pflichten und Zeit, die in Paarbeziehungen geteilt werden können, ruhen allein auf ihren Schultern. Dem eigenen Kind oder den eigenen Kindern, der Arbeit und auch sich selbst gerecht zu werden, ist schwer und kann belasten. Das hat sich insbesondere in der Corona-Pandemie noch einmal besonders deutlich gezeigt und war für Alleinerziehende eine nochmal schwierigere Belastung als sie es für Familien mit mehr als einem Elternteil schon war.

Doch nicht nur zur Pandemiezeiten ist es wichtig, den Fokus auf die besonderen Herausforderungen Alleinerziehender zu legen. Bereits in der vergangenen Legislatur hat meine Fraktion zur Lebenssituation Alleinerziehender in Sachsen eine Große Anfrage eingereicht und einen klaren Fokus der sozial- und familienpolitischen Arbeit auf das Thema gelegt. Besonders meinem Kollegen Volkmar Zschocke möchte ich daher an dieser Stelle danken.

Bei dieser Anfrage kam auch für Sachsen heraus, dass Alleinerziehende besonders häufig auf staatliche Unterstützungen angewiesen sind. 2018 stellten für fast jede fünfte Familie von Alleinerziehenden Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und ähnliche Sozialleistungen die wichtigsten Quellen für ihren Lebensunterhalt dar. Viele Alleinerziehende gehen arbeiten, doch das Gehalt reicht nicht für den Lebensunterhalt der Familie.

Und das sind die Gründe, warum es konkrete Unterstützungsmaßnahmen braucht. Deshalb müssen wir hier in Sachsen helfen, wo wir es können. Und auf Bundesebene auf Reformbedarf drängen!

Den Anfang hat die Staatsregierung mit der Finanzierung der Einrichtung einer ersten Fach- und Anlaufstelle für Alleinerziehende in Ostsachsen gemacht. Daran sollten wir anknüpfen und künftig ein sachsenweites Netzwerk mit entsprechenden Anlaufstellen auch in den Regionen Chemnitz und Leipzig aufbauen. Außerdem soll durch die Anlaufstelle zukünftig eine Internetplattform erstellt werden, die zentral alle Informationen, die relevant für Alleinerziehende sein können, sammelt – und außerdem ein zentrales Notfalltelefon eingerichtet werden. Und ich danke dem Sozialministerium und Staatsministerin Petra Köpping für diese Förderung.
Jetzt gehen wir mit diesem Antrag einen Schritt weiter: Und ich bin froh, dass wir ihn gehen – auch wenn es lange nicht der letzte gewesen sein kann.

Denn damit Alleinerziehende selbstbestimmt und ohne finanzielle Sorgen leben können, braucht es gut aufeinander abgestimmte Maßnahmen. Dafür haben wir uns bereits in den Koalitionsverhandlungen 2019 miteinander auf einen Aktionsplan zur Verbesserung der beruflichen Qualifikation bzw. Ausbildung sowie die Integration von Alleinerziehenden in den Arbeitsmarkt verständigt.

Unser Ziel ist es daher mit diesem Antrag, alle Tätigkeiten im Bereich Alleinerziehende zu bündeln und gemeinsam mit der kommunalen Ebene, der Wirtschaft und den Familienverbänden einen Aktionsplan zu erarbeiten.

Denn – ich hatte es bereits erwähnt – Alleinerziehende sind aktuell besonders häufig auf staatliche Unterstützungen angewiesen. Und das liegt eben daran, dass die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in dieser Lebenslage besonders schwierig ist. 

Diesen Herausforderungen wollen wir auf verschiedenen Ebenen begegnen: Einerseits muss es darum gehen, flexiblere Kindertagesbetreuungsmodelle zu entwickeln, andererseits aber auch flexiblere Ausbildungs- und Erwerbstätigkeitsmodelle zu fördern. Dazu muss es gehören, Studium und Ausbildung in Teilzeit zu ermöglichen, ebenso wie eine Anpassung der Weiterbildungsangeboten an die Zielgruppe Alleinerziehende zu erwirken. Dies sind einige der Maßnahmen, die wir der Staatsregierung mitgeben wollen für die Erarbeitung des Aktionsplans Alleinerziehende.

Aber vor allem wollen wir auch, dass sich gemeinsam hingesetzt wird, und zwar bis zum Ende dieses Jahres – um das gemeinsame Arbeiten, das gebündelte Arbeiten an dem Themenkomplex voranzubringen. Denn wer wüsste besser, was Alleinerziehende in ihrem Lebensalltag brauchen, wenn nicht die Familienverbände, in denen sie organisiert sind. Wer könnte besser sagen, wie bestimmte Forderungen im Bereich der Ausbildung umgesetzt werden können, wenn nicht die Unternehmen, die sie durchführen. Und nicht zuletzt gehören die Kommunen mit an den Tisch, die in vielfältiger Verantwortung für die Menschen sind, die vor Ort bei ihnen leben.

Hier sehen wir ganz klar die Aufgabe des Freistaates – Wissen zu bündeln, zu koordinieren und zu unterstützen. 

UND – und das gehört auch dazu – ganz konkret: als Arbeitgeber als Vorbild zu fungieren. Etwa 210.000 Menschen arbeiten im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen. Dort kann und muss die Staatsregierung auch ansetzen. Das heißt, wie der Antrag es ja auch formuliert: Es zu unterstützen, dass Ausbildungen, die in der Verantwortung des Freistaates oder seiner Unternehmen liegen, in Teilzeit möglich sind. Das heißt aber auch, flexible Möglichkeiten und Teilzeitmöglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst zu schaffen.

Um das mal ganz konkret an einem Beispiel zu zeigen: Das Rechtsreferendariat wird zukünftig auch in Teilzeit möglich sein. Hier ist der Bundesgesetzgeber voran gegangen und hat das Richtergesetz geändert.

Aber – und das muss auch klar sein. Wir hier in Sachsen MÜSSEN und SOLLTEN und GEHEN jetzt Schritte voran. Für einen echten Paradigmenwechsel in der Familienpolitik braucht es aber die Bundesebene. Und daher bin ich dankbar für die angedachte Kindergrundsicherung, die nun ENDLICH kommt. Denn trotz einer Vielzahl der Maßnahmen – oder gerade wegen der verwirrenden Vielzahl der Maßnahmen in der Familienpolitik – können wir nicht von einer gerechten Lösung für alle Kinder und ihren Familien sprechen.

Noch viel zu oft sind Gruppen von Menschen, oft waren es Alleinerziehende, durchs Raster gefallen, mussten viel Zeit und Muße in umständliche Antragsverfahren stecken und das, wo gerade sie, die Zeit mit und für ihre Kinder brauchen. Daher ist klar: Um Kinderarmut wirksam zu bekämpfen, braucht es daher einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie wir an das Problem rangehen. Ich denke die Kindergrundsicherung, wie sie jetzt im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart ist – und von vielen seit Jahren gefordert wird –, wird ein Weg dahin sein.

Aber da hört es natürlich nicht auf . Und auch das ist ein bundespolitisches Projekt, von dem jedoch allein in Sachsen mehrere hunderttausend Menschen profitieren werden: Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Denn eines ist klar: Erwerbsarbeit muss vor Armut schützen und Teilhabe ermöglichen. Und gerade Alleinerziehende, gerade Frauen sind genau dort zu finden: im Niedriglohn-Sektor. Und daher werden sie überproportional von der Erhöhung des Mindestlohns profitieren!

Etwa jede vierte Familie in Sachsen ist alleinerziehend. 90 Prozent davon sind Frauen. Das heißt, wenn wir über Themen wie Armut, Schwierigkeiten mit der Vereinbarkeit, über die konkreten Auswirkungen sprechen, dann betreffen sie zu 90 Prozent Frauen und zeichnen ein Bild fort, über das Deutschland eigentlich nur einmal im Jahr spricht: Und das ist am 8. März.

Sehr geehrte Abgeordnete,
dieser Aktionsplan, den dieser Antrag fordert, hat ein im Koalitionsvertrag festgeschriebenes, konkretes Ziel: die Verbesserung der beruflichen Qualifikation und der Integration in den Arbeitsmarkt. 

Natürlich werden dadurch weder alle Problemlagen noch alle Unterstützungsnöte für Alleinerziehende abgedeckt werden. Vieles davon ist auch eher auf Bundesebene anzusiedeln: von einer grundlegenden Reform der Grundsicherung, zu einer Reform des Unterhaltsrechts, zur konkreten Frage, wo Alleinerziehende es sich nach einer Trennung noch leisten können, mit ihren Kindern zu wohnen, zur Frage des Kinderkrankengeld – das Feld ist breit und auch mit den von mir genannten Stichworten noch nicht abgedeckt.

Alleinerziehende verdienen unsere Unterstützung – und ich freue mich sehr, dass wir uns innerhalb der Koalition auf die im Antrag genannten Punkte einerseits und das Bündeln von Wissen und Ressourcen andererseits einigen konnten.

Nun freue ich mich auf die Debatte – und würde mich natürlich auch über eine breite Unterstützung für das Anliegen dieses Antrags freuen.

Vielen herzlichen Dank!