Aktuelle Debatte Klimaschutz & Strukturwandel – Kummer: Es braucht eine moderne, transparente und niedrigschwellige Bürgerbeteiligungskonzeption
Redebeitrag der Abgeordneten Ines Kummer (BÜNDNISGRÜNE) zur Zweiten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion BÜNDNISGRÜNE zum Thema: „’Fit for 55′ und der Koalitionsvertrag im Bund: Neue Leitplanken für ambitionierten Klimaschutz und nachhaltigen Strukturwandel in Sachsen“
42. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 22.12.2021, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Klimaschutz ist die zentrale Zukunftsaufgabe, für die wir hier im Sächsischen Landtag genau wie die Verantwortlichen in anderen Parlamenten, in Verwaltungen, Unternehmen und Institutionen den jungen Menschen und den nachfolgenden Generationen Rechenschaft schulden.
Das mit Abstand größte Potential zur Vermeidung der Klimakrise hat der Ausstieg aus der Kohleverstromung. Glücklicherweise sind die Rahmenbedingungen dafür auf EU- und Bundesebene festgelegt worden und die neue Bundesregierung favorisiert einen möglichst raschen Kohleausstieg, der ja in Gesetzen und Verträgen von vornherein angelegt war und in Umsetzung der verbindlichen Sektorziele auch unvermeidlich ist. Sachsen kann und wird seinen Beitrag dazu leisten. Es ist mir wichtig, dass wir diese Fakten und ihre Konsequenzen offen und ehrlich debattieren.
Die Transformationsaufgaben, die aus dem Ende der Kohle-Ära erwachsen, sind in mehreren europäischen Ländern zu bewältigen. Und zwar jeweils vor Ort in den Regionen, die davon bis heute geprägt sind. Wir können diesen Strukturwandel jetzt mit milliardenschwerer Unterstützung des Bundes aktiv mitgestalten. Der große Umbruch, den nicht nur die Lausitz und das Mitteldeutsche Revier in den Jahren nach 1990 erlebten, war ungleich härter. Insgesamt 140.000 Menschen lebten damals in den beiden Revieren direkt von der Kohle. Heute sind es rund 8.000 in der Lausitz und 2.000 im Mitteldeutschen Revier – das sind etwa sieben Prozent im Vergleich mit 1990.
Entscheidungen aus der Vergangenheit haben längst Fakten geschaffen, mit denen wir heute umgehen müssen. Infolge des großen Verlusts an Arbeitsplätzen sind viele Jüngere aus Sachsen weggezogen. Wir sind deshalb das Bundesland mit dem höchsten Altersdurchschnitt. Gleichzeitig ist die Ansiedlung neuer Unternehmen in Sachsen gar nicht so einfach, weil es an Fachkräften mangelt, die die Arbeit übernehmen könnten. Und am von den Unternehmen nachgefragten Strom aus Erneuerbaren.
Wir hier im Landtag können nur die Rahmenbedingungen definieren. Den Wandel bestreiten aber die Bürgerinnen und Bürger. Deshalb ist es uns BÜNDNISGRÜNEN so enorm wichtig, Bürgerbeteiligung hoch zu halten. Strukturwandel ist nur dann ein positiver Prozess, wenn er von vielen getragen und gestaltet werden kann.
Das habe ich an dieser Stelle schon oft ausgeführt und ich würde es sehr begrüßen, wenn die nötigen Grundlagen in einer modernen, transparenten und niedrigschwelligen Bürgerbeteiligungskonzeption endlich geschaffen werden. Ich hoffe, Herr Staatsminister Schmidt, dass wir dazu nun endlich in produktiven Austausch kommen.
Es ist besonders kritisch, wenn junge Erwachsene ihrer Heimat den Rücken kehren. Um dem vorzubeugen, ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei so weitreichenden Entscheidungen unbedingt notwendig. Sie können den Strukturwandelprozess verbessern, weil ihre Ideen neue Impulse geben und weil sie letztendlich diejenigen sind, um deren Zukunft es geht. Da sollten sie mehr als eine beratende Stimme in den regionalen Begleitausschüssen haben.
Die ersten Erfahrungen mit den Förderverfahren und ‑instrumenten zeigen: Hier gilt es jetzt nachzusteuern, um mit den verfügbaren Mitteln ein Maximum an Zukunftsfähigkeit für die Regionen zu schaffen.
Außerdem ist mir ein weiterer Punkt sehr wichtig. Beim Strukturwandel haben wir oft vor allem Männer im Blick. Da wird der Kohlekumpel abgebildet und der Betriebselektriker, die Chefs, die Minister – fast immer Männer. Abgesehen davon, dass natürlich auch Frauen in der Energiewirtschaft tätig sind und diese Bilder in unseren Köpfen oft gar nicht den ganzen Reichtum unserer Gesellschaft wiedergeben, brauchen wir für den Strukturwandel auch die Frauen. Und Frauen brauchen manchmal eine andere Ansprache oder Unterstützung als Männer. Daher setzen wir uns beispielsweise für eine spezielle Gründungsförderung und -beratung für Frauen ein. Wir brauchen keine Herdprämie, sondern passende Förderung, Gehör, Engagement und Vernetzung. Und wir brauchen ein gesellschaftliches Klima in den Revieren, das Menschen die Entscheidung erleichtert, ihren Lebensmittelpunkt zum Beispiel in der Lausitz zu finden.
Zukunftssicherung, Klimaschutz, Jugendbeteiligung und Frauenförderung – es gäbe noch viel mehr Themen, die zu einem nachhaltigen Strukturwandel gehören. Es ist gut, dass die neue Koalition in Berlin das auf dem Schirm hat und beispielsweise zugesagt hat, das mehrfach überzeichnete STARK-Programm zu erweitern. Die Rolle der Union hat sich auf Bundesebene nun geändert. Aber mir gefällt, was der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion zur Energiewende sagte. Er will unter anderem jede Kilowattstunde aus erneuerbaren Energien nachzählen. Da hätte er in Sachsen zur Zeit leider nicht viel zu zählen. Unsere Unterstützung hat er jedenfalls, damit sich das – in Umsetzung des EKP und im Rahmen des Strukturwandels, den wir als sächsische Koalition gemeinsam meistern wollen – schnell ändert.
Vielen Dank!