Aktuelle Debatte Preisanstieg – Čagalj Sejdi: Es braucht kein Gießkannenprinzip, sondern gezielte Unterstützung
Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zur Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Gas wird knapper, Strom und Sprit werden teurer, Warmwasser wird rationiert: Höchste Zeit zum Handeln – Verbraucher*innen schützen. Soziale Infrastruktur weiterentwickeln“
54. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 14.07.2022, TOP 1
Sehr geehrter Präsident,
meine Damen und Herren,
die heutige Debatte liegt mir sehr am Herzen. Deutschland droht eine Gasknappheit, die Preise für Energie und Lebensmittel steigen weiter. Und wir müssen natürlich politische Antworten darauf finden. Deshalb ist die erneute Debatte dazu heute auch richtig und wichtig.
Dennoch ist Armut kein neues Thema in Deutschland. Auch in der Vergangenheit waren viele Menschen von Armut betroffen. Viele Familien leben am Existenzminimum oder darunter. Ich kenne Familien, die monatelang, ja manche sogar über mehrere Jahre ohne Heizung oder ohne Strom gelebt haben oder leben – in Deutschland. Doch die Bekämpfung von Armut war leider nicht die Priorität der bundesdeutschen Vorgängerregierung.
Jetzt haben wir aber auf einmal die Aufmerksamkeit für die Brisanz von Armut. Auch Konservative leugnen das Problem nicht mehr. Warum? Weil plötzlich auch Menschen aus dem Mittelstand fürchten müssen, ärmer zu werden und weil unbezahlbare Heizkosten plötzlich alle betreffen können.
Diese Abstiegsängste sind ernst zu nehmen, die Entlastung der Mittelschicht angesichts der Inflation ist notwendig, der Niedriglohnsektor muss nun endlich zurückgedrängt werden – beispielsweise durch die Anhebung des Mindestlohns, die nun endlich geschieht.
Doch das ist nicht alles. Ein höherer Mindestlohn schützt nicht vor Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt immer noch „geschenkte“ oder erzwungene Überstunden, die nicht bezahlt werden. Es gibt erzwungene, unterbezahlte Selbstständigkeit, wie zum Beispiel im Sektor der Liefer- und Kurierdienste, durch dubiose Subunternehmer und durch Abhängigkeiten, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hergestellt werden. All diese Konstellationen bringen Menschen in Armut und das ist nur eine Auswahl davon. Was fehlt, ist zum einen eine sichere und kritische Kontrolle der Arbeitgeber und zum anderen ein gutes und breites Netz an Unterstützung. Es braucht in Sachsen zum Beispiel eine Stärkung der Unabhängigen Beratung für Erwerbslose und prekär beschäftigte Menschen.
Die aktuelle weltpolitische Lage lässt befürchten, dass es diesen Winter zu Problemen bei der Wärmeversorgung kommt. Dafür brauchen wir in Sachsen einen Notfallplan. Wir können nicht erst reagieren, wenn es soweit ist. Das sollten wir aus über zwei Jahren Corona-Krisenmodus gelernt haben.
Was wir in den vergangenen Jahren durch Corona aber auch gelernt haben, ist der Zusammenhalt, der uns stärkt. Neben den Entscheidungen, die wir auf politischer Eben treffen können, ist es auch wichtig, dass wir alle zusammenhalten, dass wir uns gemeinsam engagieren, dass wir uns dabei unterstützen, wie wir Energie sparen können und dass wir sie einsparen – auf der Arbeit, im öffentlichen Raum, im Privaten. Denn nur wenn wir alle mitmachen und zusammenhalten, sind wir stark in der Krise.
Dass auf Bundesebene bereits vieles in Arbeit ist, haben wir ja in den letzten Debatten zum Thema Armut diskutiert, das muss ich heute nicht wiederholen. Wir kennen die vielfältigen Entlastungspakete. Neu hinzu kommt der BÜNDNISGRÜNE Vorschlag eines Moratoriums für Gas- und Stromsperren – ein Ziel, das wir auch als Freistaat Sachsen dringend unterstützen sollten. Der Städte und Gemeindebund (Gerd Landsberg) schlägt zum Beispiel kommunale Wärmeräume vor – Angebote, die bereits für Wohnungslose bestehen und die ausgebaut werden sollten.
Die Probleme liegen auf der Hand und wir müssen dringend handeln, da stimme ich der Linksfraktion voll und ganz zu. Doch das Versprechen der Linksfraktion, mit Preisdeckelungen, Steuersenkungen und kostenlosen Angeboten in Größenordnungen auf Dauer die Probleme in den Griff zu bekommen, ist unhaltbar. Viele ihrer Forderungen werden von Ihnen selbst nicht laut durchgerechnet. Und das ist durchaus ein Problem, denn wir müssen auch die Kostenentwicklung im Blick behalten und ehrlich über die Verwendung von Steuergeldern reden.
Ein Beispiel: Gestern hat die Linksfraktion ein kostenloses Mittagessen in Schule und Kita für alle Kinder in Sachsen gefordert. Das Mittagessen aller Kitakinder zu übernehmen, würde etwa 150 Millionen Euro jährlich kosten. Für die Schulen kämen noch einmal etwa 300 Millionen Euro dazu, davon allein über 100 Millionen für die Grundschulen. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen hier durchaus Erleichterungen, aber nicht per Gießkanne, sondern gezielte Unterstützung und gleichzeitig eine qualitativ gute Essensversorgung sicherstellen, nicht alles nur kostenfrei machen.