Datum: 21. September 2022

Aktuelle Debatte Rundfunk – Maicher: Statt Symbolpolitik braucht es differenzierte Aufklärung und wirksame Konsequenzen

Redebeitrag der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion AfD zum Thema: „Grundfunk statt Prunkfunk“
56. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 21.09.2022, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

wahrscheinlich gibt es keine politische Strömung, die auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dringender angewiesen ist, als die hinter der AfD. Denn es gibt wohl keinen besseren Blitzableiter für all die Verbitterung über die gesellschaftliche Modernisierung.

Darüber, dass viele Menschen heute bei Rassismus nicht mehr wegschauen oder mit den Schultern zucken. Darüber, dass die Realität des Klimawandels abgebildet wird, dass Klimaschutz ein Thema ist.

Was Sie stört, ist doch unabhängiger Qualitätsjournalismus an sich, der auch offenlegt, wenn politischen Forderungen sich gegen das Grundgesetz richten.

Für die AfD bedeuten Fakten Gegenwind! Das erklärt ihre erbitterte Abwehr gegen moderne öffentlich-rechtliche Medien. Sie würde ihre Propaganda lieber unwidersprochen verbreiten. Deshalb ist die AfD immer auf der Suche, wie man dem verhassten Öffentlich-Rechtlichen ein Bein wegschlagen kann.

Da ist das Versagen im RBB, die offenkundige Selbstbedienungsmentalität und Vetternwirtschaft, natürlich ein gefundenes Fressen: „Seht her, das ganze öffentlich-rechtliche System ist kaputt und muss weg“. So war jüngst von AfD-Parteivize Stephan Brandner zu hören, dass ARD und Co. „in ihrer heutigen Form nicht weiter existieren“ dürften.

Machen wir uns nichts vor. AfD-Politiker wären die ersten, die den Rundfunkbeitrag wieder einführen würden, wenn sie damit einen ihnen wohlgesonnenen staatlichen Propagandasender finanzieren könnten.

Weil man aber nicht so einfach ins Programm hereinreden kann, zerstört man eben die finanzielle Grundlage, schafft den Rundfunkbeitrag ab und spricht von „Grundversorgung“.

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich halte es immer wieder für geboten, dem Unfug der AfD zu widersprechen. Worauf es aber ankommt, ist, wie die demokratischen Fraktionen handeln. Bei aller notwendigen Kritik dürfen wir uns nicht von den Kampagnen treiben lassen.

Man kann Mittelverschwendung anprangern, ohne dies mit allen möglichen Sorgen zum Programm zu vermengen. Politik sollte sich tunlichst aus Programmangelegenheiten heraushalten. Dafür gibt es die Aufsichtsgremien, in denen vorrangig vielfältige gesellschaftliche Stimmen das Programm kontrollieren.

Wir sollten jetzt besonnen reagieren. Gefragt ist keine Symbolpolitik, sondern eine differenzierte Aufklärung und wirksame Konsequenzen.

Dabei gilt es, Vorschläge auch zu Ende zu denken. Die Forderung der Linksfraktion in Sachsen-Anhalt nach einem Zusammenlegen von RBB und MDR war eher eine fixe Idee. Seit wann löst man Probleme bei Governance und Compliance mit einer noch größeren Struktur? Eine Fusion bringt auch keine wesentlichen Spareffekte, wenn die regionale Vielfalt nicht leiden soll.

Überhaupt wird die Behauptung, es fehle am Willen zum Sparen, jetzt auch wieder mit in den Topf gerührt. Das versucht die AfD heute im TOP 21 zum Rechnungshofbericht zu den Telemedienangeboten des MDR. Wir werden uns anhören müssen, wie verschwenderisch es da zugeht.

Aber eigentlich geht es darum, dass die Messung von Programmkosten im Onlinebereich noch einheitlich aufgestellt werden muss, damit man die Effekte umfassend prüfen kann.

Im Übrigen muss doch klar sein, dass der Umbau in Richtung Onlineangebote nicht automatisch weniger kostet. Denn journalistische Qualität behält ihren Preis – unabhängig vom Ausspielweg.

Womit ich bei der Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen bin. Diese darf bei aller wichtigen Kritik an eindeutigem Fehlverhalten nicht unter die Räder kommen.

Ich warne davor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Ganzes an den Pranger zu stellen. Kontrolle und Transparenz sind in den Landesrundfunkanstalten momentan unterschiedlich ausgeprägt. Die Vorgänge im RBB müssen lückenlos aufgeklärt werden. Das darf nicht mehr passieren!

Der MDR hat seine Hausaufgaben schon machen müssen, in Folge eines Skandals, der längst Geschichte ist. Die hier getroffenen Compliance-Regeln können Vorbild für andere Sender sein. Sie dürfen jetzt nicht darauf warten, dass die Politik striktere Regeln vorschreibt. Das ist enorm wichtig, um weiteren Vertrauensverlust zu verhindern.

Als Landespolitik müssen wir selbstverständlich diskutieren, welche bundeseinheitlichen Vorgaben die Leistungsfähigkeit der Gremien, Transparenz und Einhaltung von Regeln sicherstellen. Es erscheint aber wenig sinnvoll, den weit gediehenen Staatsvertrag zur Auftragsnovellierung im Schnellschussverfahren zu befrachten. Der aktuelle Entwurf enthält eine stärkere Kontrolle durch die Aufsichtsgremien. Die Sender sind gefordert, diese dazu in die Lage zu versetzen.

Eine Verzögerung der Auftragsreform müssen wir vermeiden. Sie ist dringend notwendig in Zeiten von Desinformation und dem großen Einfluss marktgetriebener Algorithmen auf die Mediennutzung.

Vielen Dank!