Datum: 23. März 2022

Aktuelle Debatte Sozial- und Erziehungsberufe – Hammecke: Systemrelevante Arbeit verdient bessere Arbeitsbedingungen und faire Löhne

Redebeitrag der Abgeordneten Lucie Hammecke (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Mehr braucht mehr: Bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen für die in Sozial- und Erziehungsberufen in Sachsen Beschäftigten sichern!“
46. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 23.03.2022, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Abgeordnete,

vor zwei Wochen, am 8. März, wurden Kitas bestreikt. Die Verbindung zwischen dem feministischen Kampftag und dem Erziehungsberuf liefert ein einfacher Blick auf die Zahlen: 92 Prozent der Erzieher*innen sind Frauen. Auch im sozialen Bereich allgemein sind die Beschäftigten in überwältigender Mehrheit weiblich, ganze 84 Prozent.

Diese für das Funktionieren einer Gesellschaft essenziellen Berufsfelder sind seit jeher weiblich geprägt. Und wenig überraschend – wenn man sich mit patriarchalen Strukturen, auch im Erwerbsleben, befasst – sind die Arbeits- und Lohnbedingungen unterdurchschnittlich schlecht.

Spätestens am Equal Pay Day eines jeden Jahres, dieses Jahr am 7. März, werden diese Zahlen, die sich im unbereinigten Gender Pay Gap kumulieren, in der Öffentlichkeit diskutiert. Denn es sind überproportional Frauen, die im Niedriglohnsektor tätig sind. Frauen, die bereits zu Hause im Schnitt 87 Minuten mehr Sorgearbeit übernehmen und das Ganze dann unterdurchschnittlich bezahlt, aber sehr gut ausgebildet auch tagsüber ihre Jobs machen.

Das ist kein Zustand, dem man als Gesellschaft hinnehmen oder schlicht auf die unvorteilhafte Jobwahl jeder Einzelnen verweisen kann: Im Sinne von „na, hätten sie sich doch einen besser bezahlten Job gesucht“. Das ist ein Zustand, der keiner sein sollte!

Denn Menschen in den Sozial- und Erziehungsberufen übernehmen für die Gesellschaft sogenannte „systemrelevante“ Aufgaben. Das hat sich ganz praktisch in der Pandemie gezeigt: Ohne Kinderbetreuung könnten auch die restlichen Dinge in einer Gesellschaft nicht laufen. Was noch einmal deutlich zeigt, dass wir, anstatt Frauen vorzuwerfen, sie mögen sich doch einfach besser bezahlte Berufe suchen, uns glücklich schätzen können, dass Fachkräfte diese Tätigkeit ausüben!

Aber – und auch das möchte ich betonen – es geht eben auch sehr zentral um die Arbeitsbedingungen der Menschen in Sozial- und Erziehungsberufen. Denn es macht einen Unterschied, ob eine Erzieherin sich um zwölf oder sieben Kinder kümmern muss! Das zeigt sich auch in den aktuellen Zahlen des Berufsatlas der Krankenkasse Barmer. Menschen, die sich tagtäglich um andere Menschen in Kindergärten, Horten, Krippen oder als Tagesmütter kümmern, sind deutlich häufiger krank als die meisten anderen Berufsgruppen. Häufigster Grund für Krankschreibungen waren psychische Erkrankungen gefolgt von Muskel-Skelett-System-Erkrankungen.

Die Initiative „mehr braucht mehr“ von verdi macht daher zurecht klar: „Mehr Bildung braucht mehr Fachkräfte!“, „Mehr Verantwortung braucht mehr Gehalt!“, „Mehr Entlastung braucht mehr Personal!“ Die Gewerkschaften leisten mit den gerade stattfindenden Tarifverhandlungen einen wichtigen Beitrag für mehr Lohngerechtigkeit und bessere Arbeitsbedingungen!

Aber auch wir hier in Sachsen können und müssen daran weiterarbeiten, dass die Arbeitsbedingungen sich verbessern, die Berufe für junge Menschen attraktiv bleiben und sie gleichzeitig fair entlohnt werden.

Nachdem es zuvor bereits einen Zuschuss zum Schulgeld gab, wurde nun auch die Schulgeldfreiheit für angehende Erzieher*innen und Heilerziehungspfleger*innen eingeführt. Die mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten werden angerechnet, und Praxisanleiter*innen werden für zwei Stunden pro Woche vom Gruppendienst freigestellt. Und mit einem Fachkräftemonitoring soll regional differenziert der Bedarf an Erzieher*innen in der Ausbildung und den Einrichtungen frühzeitig erkannt werden, um darauf dann reagieren zu können.

Mittel und langfristig braucht es mehr Fachkräfte in den Einrichtungen! Deshalb soll die berufsbegleitende und akademische Ausbildung gestärkt und langfristig die Fachkraft-Kind-Relation verbessert werden. Als ein wichtiger Einflussfaktor für gute Arbeitsbedingungen: Entlastung für das Personal, kleinere Gruppen, mehr Zeit für das einzelne Kind.

Sehr geehrte Abgeordnete,
mehr braucht mehr. Deshalb danke ich der Linksfraktion für die Anmeldung dieser Aktuellen Debatte.

Vielen Dank!