Datum: 05. Mai 2022

Aktuelle Debatte Tourismus – Liebscher: Nachhaltigkeit steigert Attraktivität des Freistaates als Reiseziel

Redebeitrag des Abgeordneten Gerhard Liebscher (BÜNDNISGRÜNE) zur Ersten Aktuellen Debatte auf Antrag der Fraktion CDU: „Neustart Tourismus – wichtigen Wirtschaftszweig jetzt nachhaltig unterstützen““
50. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 05.05.2022, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

zunächst möchte ich meinen herzlichen Dank an die CDU-Fraktion aussprechen, für den Anstoß dieser wichtigen Debatte heute und hier im Plenum.

Die Corona-Pandemie hat den sächsischen Tourismus stark getroffen, daran gibt es keinen Zweifel. Die Übernachtungszahlen sind auch in 2021 im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 im Freistaat Sachsen abermals um 37 Prozent eingebrochen, der geschätzte Umsatzverlust der gesamten Branche betrug eine ähnliche Größenordnung. Aufsummiert für 2020 und 2021 verringerte sich der Umsatz um geschätzte 7 Milliarden Euro.

Dass wir die Tourismusbranche damit nicht allein lassen können und wollen, ist selbstverständlich. Denn der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Freistaat und insbesondere in den ländlichen Regionen ein treibender Entwicklungsmotor.

Mit über 8,5 Millionen Gästeankünften im Land zog der Freistaat Sachsen noch in 2019 mehr Besucher an als je zuvor. Insgesamt erwirtschaftet die Tourismusbranche des Freistaates ca. 4,7 Prozent des BIP des Freistaates. Rund 200.000 Arbeitsplätze werden im Freistaat mit dem Tourismus verbunden. Diese Arbeitsplätze zu erhalten, ist natürlich unser Anliegen mit der Neuauflage der Richtlinie Neustart Tourismus.

Mit der Richtlinie möchten wir als Koalition die Wettbewerbsfähigkeit der sächsischen Branche wieder stärken. Die coronabedingten Umsatzverluste dürfen nicht dazu führen, dass die Unternehmen nicht in den Erhalt ihrer wichtigen Wirtschafts-Infrastruktur investieren oder gar ihren Betrieb aufgeben. Daher auch ein klares Ja von uns BÜNDNISGRÜNEN, neue Finanzmittel zum Erhalt des touristischen Angebotes bereitzustellen.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Geld ist nicht alles! Nein, es braucht auch gute Konzepte und Strategien für den Neustart!
Geld kann zwar monetäre Sorgen lindern, aber die Tourismuswirtschaft in Sachsen muss sich weiterentwickeln und den aktuellen Herausforderungen stellen, wenn sie wettbewerbsfähig sein und bleiben will.

Eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, die wir BÜNDNISGRÜNE immer wieder gebetsmühlenartig auf das Tableau rufen, ist natürlich die Klimakrise.

Auch wenn der Titel dieser Aktuelle Debatte unbedarft interpretiert, das Wörtchen „nachhaltig“ beinhaltet, vermute ich doch, dass es der Antragstellerin eher weniger um die ressourcenschonende Ausgestaltung als um die dauerhafte bzw. wirksame Unterstützung der Tourismusbranche geht.
Leider bleibt die Belange der Nachhaltigkeit im sächsischen Tourismus nach wie vor viel zu oft eine leere Worthülse, nicht untersetzt mit konkreten und messbaren Zielen oder Maßnahmen trotz Erwähnung in der sächsischen Tourismusstrategie 2025.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns viele gute Ziele für die Weiterentwicklung der sächsischen Tourismusstrategie, im Sinne der Nachhaltigkeit, zum Klimaschutz und Klimaanpassung gesetzt. Neben der Krisenbewältigung gilt es, diese nun mit neuer Energie anzugehen und nicht wegen der vorangegangenen Krise auf die lange Bank zu schieben. Denn gerade jetzt, wo es um den Neustart des sächsischen Tourismus nach Corona geht, ist es umso wichtiger, einen Beitrag zu ernstgemeinter Nachhaltigkeit im ökologischen, ökonomischen und sozialen Sinne zu leisten und die Branche so krisenfest und wettbewerbsfähig aufzustellen. Wann, wenn nicht jetzt, kann ein echter Neustart besser gelingen? Wann, wenn nicht jetzt, um der nächsten Krise vorzubeugen?

Werte Damen und Herren,

wenn wir nicht an dem Ast sägen wollen, auf dem wir sitzen, müssen wir handeln, den guten Worten Taten folgen lassen und den sächsischen Tourismus nachhaltig neu aufstellen.
Wie eng und fragil insbesondere im Tourismus diese Zusammenhänge sind, zeigen mahnende Beispiele aus zahlreichen Regionen, in denen das natürliche Potenzial überstrapazierte wurde und so auch deutlich an Attraktivität einbüßten.

Dabei muss das Rad gar nicht neu erfunden werden: Der Deutsche Tourismusverband hat gemeinsam mit der Bundesregierung bereits 2016 einen Praxisleitfaden zur Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus mit klar nachvollziehbaren Handlungsfeldern herausgegeben. Für die Umsetzung braucht es, neben dem politischen Bekenntnis, aber auch die Verabredung zu messbaren Zielen und Kennzahlen.

Werte Damen und Herren,

Nachhaltigkeit eröffnet nachweisbar Impulse für Innovationen und trägt dazu bei, dass die Angebotsqualität der Reiseziele gehalten oder verbessert werden kann. Nicht nur für die Besucher*innen, sondern auch für die einheimische Bevölkerung. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam den Grundstein für die weitere erfolgreiche Entwicklung des sächsischen Tourismus und damit auch der ländlichen Regionen in Sachsen legen. Jetzt. Natürlich, nachhaltig!

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Damen und Herren,

gern gehe ich noch einmal auf angesprochene Nachhaltigskeitsaspekte konkreter ein und erkläre, warum diese so wichtig sind:

Nachhaltigkeit im Tourismus ist ja nicht nur die Verhinderung von Übertourismus oder den Gästen ein regionales Biofrühstück zu servieren. Aber es ist schön, wie Nachhaltigkeit und wir BÜNDNISGRÜNE als altbewährter Trigger funktionieren.

So heißt soziale Nachhaltigkeit beispielsweise, eine gute Beschäftigungsqualität und Familienfreundlichkeit zu unterstützen. Bei guten Löhnen und Arbeitsbedingungen können Mitarbeiter*innen gehalten bzw. wiedergewonnen werden. Für die Tourismusbranche ist die Abwanderung von Arbeitskräften ein enormes Problem. Auch wenn sich die Entwicklung bereits vor der Corona-Pandemie andeutete, haben im Jahr 2020 und 2021 circa zehn Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Tourismusbranche den Rücken gekehrt. Doch ohne Mitarbeiter*innen gibt es kein Restaurant- oder Hotelbetrieb. Soziale Nachhaltigkeit bildet die Rahmenbedingungen und somit einen Grundstein für den sächsischen Tourismus. Dies können Kampagnen zur Fachkräftegewinnung – so wichtig diese auch sein mögen – nur schwerlich kompensieren.

Bei der ökologischen Nachhaltigkeit geht es natürlich um Umwelt- und Klimaschutzaspekte in den Unternehmen oder Regionen selbst. Diese Faktoren beeinflussen mehr und mehr die Gästeentscheidungen für eine Destination, so wie die umweltfreundliche An- und Abreise.

Dass der Elberadweg abermals seinen Spitzenplatz an den Weserradweg verlor, kommt leider nicht von ungefähr. Neben großartigen Landschaften und touristischen Highlights braucht es eben auch eine gute Infrastruktur. Beim Radtourismus verschenkt der Freistaat nach wie vor viel Potenzial, auch wenn jetzt, mit dem absehbaren Hochlauf beim Bau von Radverkehrsanlagen, ein Lichtstreif am Horizont zu erahnen ist.

Werte Damen und Herren,

wir BÜNDNISGRÜNE sind überzeugt, dass Nachhaltigkeitsaspekte einen entscheidenden Einfluss auf die touristische Entwicklung von Regionen haben. Lassen Sie uns unser reiches Potenzial im Freistaat so nutzen, dass auch die künftigen Generationen noch richtig nachhaltig aus dem Vollen schöpfen können.