Bericht des Ausländerbeauftragten – Čagalj Sejdi: Es ist wichtig, alle im Blick zu haben und allen eine Vertretung zu sein
Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zur Unterrichtung durch den Sächsischen Ausländerbeauftragten zum "Jahresbericht 2018" (Drs 7/3742) und "Jahresbericht 2019" (Drs 7/3743)
22. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 03.02.2021, TOP 10
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrter Herr Mackenroth,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
vielen Dank, Herr Mackenroth, für die Einbringung ihres Berichtes. Mir persönlich ist die Arbeit des Ausländerbeauftragten sehr wichtig und ich bin froh, dass wir in Sachsen ein solches Amt haben. Wenn auch die Bezeichnung „Ausländerbeauftragter“ sicher nicht mehr zeitgemäß ist. Vielleicht lässt sich dies ja zukünftig ändern.
Als Beauftragter wahren Sie die Belange der in Sachsen lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Dies ist eine sehr wichtige Aufgabe. Denn Sie vertreten die Menschen bei uns, die nicht die Möglichkeit haben, sich eine Vertreterin oder einen Vertreter in unser Parlament zu wählen.
Ich bin selbst ein Mensch mit Migrationsgeschichte und habe in meiner Familie mehrere Personen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben oder lange keine hatten. Ich weiß nur zu gut, wie sich Menschen fühlen, die keine Möglichkeit haben, ihre politische Meinung mit einzubringen, die nicht wählen dürfen und sich somit auch nicht wirklich vertreten fühlen in unserer Politik, ja manchmal auch in unserem Land. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass es Vertreterinnen und Vertreter für diese Menschen in unserer Politik gibt.
Umso wichtiger ist es aber auch, dass man die Belange der Betroffenen anhört, kennt und weitergibt und den Fokus dabei nicht nur auf die Mehrheitsbevölkerung und deren Belange richtet. Der Ausländerbeauftragte sollte in gewisser Weise ein Brückenbauer sein.
Wenn ich mir Ihren Bericht betrachte, Herr Mackenroth, gelingt Ihnen das an vielen Stellen. Mir fallen aber auch viele Stellen auf, an denen ich mir mehr Beteiligung der Betroffenen und mehr Einbringung ihrer Anliegen und Meinungen wünschen würde.
So zum Beispiel beim Sächsischen Heim-TÜV, Teil II. Da finde ich im Bericht eine nette Darstellung der Geschichte des Heim-TÜV. Aber welche Arbeit konkret in 2019 investiert wurde, bleibt offen. Es wurden Einrichtungsleiter befragt, es gab Stichproben-Besuche durch ein Projektteam. Aber warum wurden die Bewohnerinnen und Bewohner nicht befragt?
Die Sicht der Betroffenen nimmt keinen Einfluss auf den TÜV. Da wir aber ständig Beschwerden von Bewohnerinnen und Bewohnern aus Einrichtungen erhalten, wäre es wichtig, diese ernst zu nehmen und auch in unsere Bewertungen aufzunehmen. Umso mehr freue ich mich, dass Sie diesem Anliegen nun beim Heim TÜV-III Rechnung tragen wollen. Ich bin gespannt.
In Ihrem Bericht 2019 gehen Sie auch darauf ein, dass der Gewaltschutz bei Ihnen im Fokus steht. Das aktuell bestehende Gewaltschutzkonzept gibt es seit 2016. Worin bestand denn das Engagement des Ausländerbeauftragten in den letzten Jahren? Hier wünsche ich mir, dass Sie sich als Sächsischer Ausländerbeauftragter für eine Erneuerung des Gewaltschutzkonzeptes in Unterkünften für Geflüchtete einsetzen. Denn mich erreichen regelmäßig Beschwerden zu rassistischen Übergriffigkeiten des Personals, Zimmerdurchsuchungen oder fehlenden Beschwerdemöglichkeiten. Hier muss dringend nachgesteuert werden! Und auch hier ist die Meinung der Betroffenen gefragt – und jemand, der sie einbringt.
Ich freue mich, dass Sie die Arbeit der Psychosozialen Zentren in Ihrem Bericht würdigen. Auch hier wünsche ich mir von Ihnen Unterstützung bei der Verwirklichung der Ziele des Koalitionsvertrages. Das sind der Ausbau der Zentren im ländlichen Raum und die Erweiterung des Angebots auf Kinder und Jugendliche.
Ein weiteres Thema sind die Abschiebungen. Viele der Abschiebungen im letzten Jahr erfolgten alles andere als human oder unter Berücksichtigung des Wohles der Kinder. So ist es im Koalitionsvertrag formuliert. Im vergangenen halben Jahr wurden bei mehr als einem Drittel aller Abschiebungen aus Sachsen Familien getrennt, Kinder dadurch von ihrem Vater oder ihrer Mutter entfernt. In vier Fällen wurden die Familien nachts abgeholt. Es gab außerdem den zweimaligen Versuch, eine Jugendliche nachts aus einer Jugendhilfeeinrichtungen abzuholen. Ein ungeheuerlicher Vorgang, bei dem ich die Gefährdung des Kindeswohls sowohl der Betroffenen als auch aller anderen in der Einrichtung lebenden Jugendlichen sehe. Und es gab weitere Vorkommnisse, bei denen ich mich heute noch frage, inwieweit medizinisch alles Notwendige beachtet wurde. So etwas muss nicht sein und so etwas darf auch nicht sein. Da wünsche ich mir ein klares Bekenntnis zur Wahrung der Interessen der in Sachsen lebenden Ausländer. Und noch viel mehr wünsche ich mir einen Richtungswechsel von unserem Innenministerium – einen deutlichen Richtungswechsel!
In Sachsen leben aber nicht nur Geflüchtete, gerade unsere Grenznähe zu Polen und Tschechien, die Hochschulen, der Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich und viele andere Faktoren haben viele Menschen in den vergangenen Jahren nach Sachsen geführt. Wissenschaftlerinnen und Unternehmer, Ärztinnen und Krankenpfleger aber auch Reinigungskräfte und Arbeiter in ganz prekären Verhältnissen, wie zum Beispiel in der Fleischverarbeitung. Es ist wichtig, alle im Blick zu haben und allen eine Vertretung zu sein. Und es ist wichtig, sich hierbei Partner zu suchen. Partner, das sind in meinen Augen die Selbstvertretungen der Migrantinnen und Migranten in Sachsen. Vielerorts müssen sich Selbstvertretungen bei uns in Sachsen erst noch aufbauen. Ein guter Kontakt zum Ausländerbeauftragten sollte hier von Anfang an gegeben sein.
Ein wichtiger Partner ist da sicher der Dachverband der Sächsischen Migrantenorganisationen, den es zu stärken gilt – nicht nur finanziell, sondern vor allem auch inhaltlich. Wie ich Ihrem Bericht entnehmen kann, sind hier erste Schritte bereits gegangen worden. Nun ist es an der Zeit, diese auszubauen, um den Dachverband zu einem zuverlässigen Partner für uns in der Zusammenarbeit mit sächsischen Migrantinnen und Migranten zu machen. Denn besonders die zweite Aufgabe des Sächsischen Ausländerbeauftragten – die Förderung der Integration – gelingt nur partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Und sie gelingt auch nur dann, wenn wir alle mitmachen und wenn wir erkennen, dass Zuwanderung ein Gewinn für Sachsen ist. Sie begegnet nicht nur dem Fachkräftemangel und leeren Orten. Nein, Zuwanderung macht uns reicher, bunter, vielfältiger und interessanter in Sachsen – und das sollten wir in den nächsten Jahren auch zeigen und voranbringen. Denn auch „so geht sächsisch“!
Herzlichen Dank!