Datum: 16. März 2023

Berufliche Weiterbildung – Liebscher: Wir wollen dazu beitragen, Aufstiegschancen für alle zu verbessern

Redebeitrag des Abgeordneten Gerhard Liebscher (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktionen CDU, BÜNDNISGRÜNE und SPD: „Die berufliche Weiterbildung als Teil einer zukunftsfähigen Berufsbildung im Freistaat Sachsen“
68. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 16.03.2023, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich weiß nicht, ob Sie sich bereits mit der „Halbwertszeit des Wissens“ befasst haben. Die Theorie geht davon aus, dass das Hochschulwissen und das berufliche Fachwissen nach fünf bis zehn Jahren die Hälfte ihrer Relevanz eingebüßt haben. Ich würde sagen: Wissen verfällt nicht. Wir entwickeln es weiter, konkretisieren es und bauen auf Erlerntes auf.

Sicher wissen wir, dass wir privat wie auch beruflich stetigen Veränderungen begegnen. Lebenslanges Lernen ist heute zur Selbstverständlichkeit geworden. Politisch gilt es, diese Anforderungen positiv zu begleiten und zu ermöglichen.

Laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag zahlt sich berufliche Weiterbildung auch individuell aus: Rund zwei Drittel der Absolventinnen und Absolventen steigen nach Weiterbildungen auf, erhalten mehr Verantwortung oder erreichen ein besseres Gehalt.

Werte Kolleginnen und Kollegen,
auch gesellschaftlich lässt sich der Bedarf an stetiger Qualifizierung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht mehr vertagen. Fakt ist schließlich auch: Der Fachkräftemangel ist inzwischen zum Hemmnis, zur Wachstumsbremse geworden. Er wird immer häufiger und immer eindringlicher von Unternehmen als zentrale Herausforderung benannt. Studien warnen, dass der Fachkräftemangel mittelfristig zur Gefahr für unseren Wohlstand werden könnte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die berufliche Weiterbildung, also die betriebliche und die individuell berufsbezogene Weiterbildung, umfassen etwa 80 Prozent aller Weiterbildungsaktivitäten. Hierzu zählen auch Umschulung, Aufstiegsfortbildung und Anpassungsfortbildung. Die Instrumente zur Förderung dieser Aktivitäten waren und sind vielfältig:
Bildungsprämie, Weiterbildungs- und Aufstiegsstipendium, Weiterbildungsscheck.

Als Koalition wollen wir diese Angebote bekannt machen und stärken.
Der vorliegende Antrag befasst sich daher mit der Wahrnehmung von Weiterbildungsangeboten und Unterstützungsleistungen, die staatlich bereit gestellt werden. Wir wollen wissen: Welche Angebote werden nachgefragt, wo besteht aus sächsischer Sicht Verbesserungspotenzial?

Darüber hinaus zielt der Antrag auf eine Zwischenbilanz bei der Erarbeitung der Weiterbildungsstrategie ab. Erstmals sollen alle Segmente der Weiterbildung, auch die berufliche, in einer gemeinsamen Strategie zusammengedacht werden. Ich erwarte die Ergebnisse mit Spannung, ebenso wie die Ergebnisse der im vergangenen Jahr gestarteten Umfrage des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Weiterbildung in Sachsen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben als Koalition mit dem Doppelhaushalt 2023/24 bisher ESF-finanzierte Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung, etwa die Ausbildungsverbundförderung, in Landesförderung überführt. Für die Umsetzung der Richtlinie „Berufliche Bildung“ stehen in diesem Jahr 22,5 Millionen Euro und im kommenden 24,5 Millionen Euro bereit.

Wir haben zudem einen gemeinsamen Wunsch umgesetzt: Die Erhöhung des Meisterbonus. Wir haben den Meisterbonus mit Abschluss des Doppelhaushaltes von 1.000 auf 2.000 Euro verdoppelt. Sächsischen Absolventinnen und Absolventen der Meisterprüfung in Handwerk, Industrie und in grünen Berufen erleichtern wir damit die Entscheidung für den Meisterbrief. Denn Lehrentgelte, Prüfungsgebühren und Materialkosten sind trotz vielfältiger staatlicher Förderlandschaft, wie durch das Aufstiegs-BAföG, noch immer nicht vollständig kostenneutral. Als BÜNDNISGRÜNE setzen wir uns für eine kostenfreie Ausbildung ein. Damit sichern wir Fachkräfte, und das im doppelten Sinn – denn die Meisterin von heute ist die Ausbilderin der Fachkräfte von morgen.

Viele Betriebe stehen heute vor der Herausforderung, ihre Unternehmensnachfolge zu sichern. Wir nehmen die zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen im Freistaat in den Blick. Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge wollen wir mit dem Instrument des Meisterbonus sinnvoll ergänzen.

Liebe Damen und Herren,
Weiterbildung darf kein Luxus sein!

Wir wollen Perspektiven eröffnen. Künftig werden wir uns noch stärker als bisher der Zugänglichkeit zur beruflichen Weiterbildung widmen müssen. Wir müssen Zugänge vereinfachen. Wir müssen Anträge und Verfahren so gestalten, dass sie transparent sind und angenommen werden. Das gilt unbedingt auch für ausländische Fachkräfte, die bereits bei uns leben oder die neu zu uns kommen.

Um Aufstiegschancen für alle zu verbessern, müssen wir alle Gesellschaftsgruppen in den Blick nehmen. Denn berufliche Weiterbildung ist noch immer eine Frage der beruflichen Herkunft. Menschen mit Hochschulabschluss nehmen sehr viel häufiger Weiterbildungsangebote wahr als Menschen, die eine Lehre absolviert haben. Frauen nehmen erheblich weniger an beruflichen Weiterbildungen teil als ihre männlichen Kollegen, wobei Mütter die geringsten Teilnahmequoten aufweisen.

Der Antrag erklärt daher in Richtung des Bundes, dass das Aufstiegs-BAföG des Bundes auch für Weiterbildung in Teilzeit zur Verfügung stehen soll. Denn Weiterbildung ist häufig eine Grundvoraussetzung für beruflichen Aufstieg und verbessert die soziale Durchlässigkeit der Gesellschaft.

Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank.