Datum: 21. September 2022

Corona-Bewältigungsfonds – Schubert: Wir haben als Landtag gezeigt, dass wir handlungsfähig sind

Redebeitrag der Abgeordneten Franziska Schubert (BÜNDNISGRÜNE) zur Unterrichtung durch das Sächsische Staatsministerium der Finanzen: „Bericht des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über den Vollzug des Sächsischen Coronabewältigungsfondsgesetzes zum 31. Dezember 2021“ (Drs 7/9903)
56. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 21.09.2022, TOP 18

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,

es überrascht mich nicht, dass die AfD dieses Forum nutzt, um auf ihren Normenkontrollantrag hinzuweisen. Denn aus der diffusen Antragsschrift selbst geht nicht hervor, wogegen sie sich eigentlich wendet. Hinweise finden sich sowohl auf ein nicht näher konkretisiertes „Gesetzesrecht des Freistaates“, als auch auf Zweifel an der „Gültigkeit der Verordnung.“ Es bedarf einiges an Interpretationskunst, um aus den verschiedenen genannten Vorschriften das Coronabewältigungsfondsgesetz als Antragsgegenstand herauszulesen.

Auch der Grund für die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes erschließt sich selbst geneigneten Leser*innen nicht ohne weiteres. Das mag vor allem an der wenig stringenten Sachverhaltsschilderung liegen. Denn tatsächlich finden sich hier im besten Copy & Paste-Modus aneinandergereiht entweder Übernahmen aus den Stellungnahmen des Sächsischen Rechnungshofes oder Entwürfe des Nachtragshaushaltsgesetzes. Diese Auswahl an Textbausteinen ist allerdings erstaunlich: Schließlich – so vermute ich zumindest nach mehrmaliger Lektüre des Schriftsatzes – bemängelt die AfD-Fraktion eigentlich vorwiegend, dass das Gesetz einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in das Budgetrecht des Parlamentes darstellt, weil das sächsische Finanzminsterium zur Kreditaufnahme berechtigt wird. Daneben klingen leise Zweifel an den Grundsätzen von Haushaltsvollständigkeit und Haushaltsklarheit an. Aber zum Inhaltlichen später mehr.

Denn tatsächlich gibt es noch einiges zu dieser kuriosen Antragsschrift zu sagen. Eine kleine Randbemerkung von der Haushälterin in mir: Ich hoffe, Sie haben dafür nicht allzu viel Geld auf den Tisch gelegt. Denn Ihr Rechtsanwalt scheint nicht allzu viel von den Begründungserfordernissen aus § 10 Abs. 1 Sächsisches Verfassungsgerichtshofsgesetz in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz zu verstehen. Ein vollständiger Antrag liegt aufgrund dieser Normen nur dann vor, wenn die Begründung selbst eine zuverlässige Grundlage zur Behandlung des Antrags schafft. Das Gericht darf also nicht darauf angewiesen sein, weitere Akten oder Erkenntnisquellen hinzuziehen zu müssen, um überhaupt zu verstehen, worum es geht. Das gilt auch für die Rechtsausführungen. Diese müssen den Verfassungsverstoß genau bezeichnen und sich sowohl mit dem Verfassungsrecht, der Rechtsprechung und dem einfachen Recht erkennbar auseinandersetzen. Auch das, so viel kann ich wohl verraten, erkenne ich in der Antragschrift nicht.

Ich will mich aber nicht darauf beschränken, die offenkundigen Mängel zu benennen. Denn es geht hier ja doch auch um mehr, wenn die AfD – vermutlich – in ihrem Antrag eine Verletzung demokratischer Grundsätze geltend macht. Sie moniert die Unbestimmtheit des gesetzlichen Zwecks und der Mittelverwendung des Coronabewältigungsfondsgesetzes. Da die Entscheidung über die Verausgabung an konkrete Zuwendungsempfänger*innen durch das sächsische Finanzministerium mit Einwilligung des Haushaltsausschusses getroffen wird, würde in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise in das Recht der Abgeordneten aus Art. 39 Abs. 3 Sächsische Verfassung eingegriffen. Die Argumentation stützt sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Antragssteller allerdings anscheinend entweder nicht vollständig gelesen oder nicht vollumfassend verstanden haben. Denn in der Entscheidung über das Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz zieht Deutschlands oberstes Gericht eine Grenze für die Übertragung der Budgetverantwortung: Diese ist nur dann verfassungswidrig, wenn ihr unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen zugrunde liegen, wenn also nicht überschaubare haushaltsbedeutsame Belastungen ohne vorherige konstitutive Zustimmung dadurch entstehen können.

Genau das ist hier jedoch eben nicht der Fall. Die Belastungen und Verpflichtungen waren genau beziffert. Und in dieser Variante ist der Eingriff in das Recht des Abgeordneten aus Art. 39 Abs. 3 Sächsische Verfassung gerechtfertigt. Denn dieses Recht gilt nicht unbegrenzt, sondern kann insbesondere auch durch die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Parlaments eingeschränkt werden. Das Bundesverfassungsgericht selbst, auf das sich die Antragssteller sonst so gern berufen, erkannte das Recht des Parlaments an, auf die zunehmende Komplexität der Vorgänge im Rahmen der Selbstverwaltung zu reagieren. Es kann also einzelne Aufgaben auch an Untergremien übertragen, wie es hier der Fall war.

Dieser Exkurs ins Verfassungsrecht war nun kein Selbstzweck. Er diente nicht einzig dazu, meine Zweifel an der Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags darzustellen. Vielmehr geht es auch um die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie in Zeiten der Unsicherheit und der Krise. Denn anders als von der AfD insinuiert, haben wir als Sächsischer Landtag während der Pandemie gezeigt, dass wir handlungsfähig sind, unsere Kontrollfunktion wahrnehmen können. Und das auch, wenn sich die Gesamtlage fast jeden Tag ändert. Das ist eine wesentliche Erfahrung. Wie laut werden die Rufe nach einem starken Mann an der Spitze, wenn die Welt auf dem Kopf steht. Wie gern wurde gerade am Anfang von Corona auf jene autoritären Systeme verwiesen, die so viel schneller und effektiver reagieren könnten. Doch nach zwei Jahren kann man nicht allzu vermessen wohl sagen: Die Demokratien können es besser. Gerade in ihrem Ringen um die beste Lösung, in der Berücksichtigung der Pluralität von Meinungen und Bedürfnissen und in ihrem Appell auch an die Eigenverantwortung präsentiert sie sich als das Gemeinschaftsmodell der Zukunft.

Das Coronafondsbewältigungsgesetz und der darauf basierende Coronafonds sind eine Erfolgsgeschichte. Nicht nur haben sie geholfen, die unmittelbaren Härten der Pandemie in vielen wichtigen Bereichen des Alltags abzufedern. Sie legen auch den finanziellen Grundstock für einen krisenfesteren Freistaat. Denn das ist auch eines der BÜNDNISGRÜNEN Ziele: Nicht nur die direkten Schäden mindern, sondern in ein zukunftsfähiges, ökologisches und nachhaltiges Sachsen zu investieren. Diese Ziele sind auch – entgegen der von der AfD vertretenen Ansicht – von der Ermächtigung zur Kreditaufnahme aus Art. 95 Abs. 5 Sächsische Verfassung gedeckt. Denn Sinn und Zweck dieser Norm ist nicht die reine Folgenbeseitigung bei außergewöhnlichen Notlagen oder Naturkatastrophen. Sie dient vielmehr der Bewahrung des Gemeinwohls in Zeiten der Krise. Und genau deswegen kommt dem Gesetzgeber, dem Parlament, hier ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Diesen haben wir genutzt und nutzen ihn auch weiterhin, um unserer Verantwortung für Sachsen, vor allem aber für seine Einwohner*innen gerecht zu werden.