Datum: 18. November 2021

Datenschutzbeauftragter – Lippmann: Nicht selten letzte Instanz für Menschen, denen Ungerechtigkeit widerfahren ist

Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zum Tätigkeitsbericht des Sächsischen Datenschutzbeauftragten – Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2020 (Drs 7/6808)
38. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 18.11.2021, TOP 7

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Schurig,

das Jahr 2020 war ein in jeder Hinsicht ein denkwürdiges Jahr. Denn über die Welt, Europa und Sachsen brach eine Pandemie herein, die sich später nicht nur in der Medizin-, sondern auch in der Welt-Geschichte wiederfinden wird und jeden gesellschaftlichen Bereich berührt hat.

Das Jahr 2020 stand daher auch im Bereich des Datenschutzes im Zeichen von Corona. Die verstärkte Verarbeitung von hochsensiblen Gesundheitsdaten, die tiefen Grundrechtseingriffe durch die Corona-Schutz-Verordnungen und die rasant fortschreitende Digitalisierung haben im vergangenen Jahr einen sehr hohen Beratungsbedarf erzeugt. Davon zeugt der aktuelle Tätigkeitsbericht.

Neben der Bearbeitung von – wie Sie schreiben – mehreren hundert Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern, Petitionen und Hinweisen, haben Sie auch die Beratung der Staatsregierung zu den Corona-Schutz-Verordnungen und die Beratung öffentlicher Stellen zum Vollzug der Maßnahmen geleistet. Dieses zusätzliche Arbeitsaufkommen haben Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit hohem Engagement geleistet – davon zeugt der Bericht und dafür gebührt Ihnen unser großer Dank!

Das gilt umso mehr, als Sie das Thema Datenschutz in Zeiten der Krise und des hohen öffentlichen Drucks hochgehalten und auf die Einhaltung von Standards gedrungen haben – und das in einer Zeit, in der man das Gefühl bekommen konnte, für einige Politiker sei nicht die Bekämpfung eines Virus, sondern der Datenschutz das Kernproblem der Pandemie.
Sie haben damit der Exekutive getrotzt – das ist mehr, als manches Gericht oder wir im Parlament leisten konnten.

Besonders positiv aufgefallen ist uns, dass Sie – viel mehr als in den Jahren zuvor – ihre Internetpräsenz zur Veröffentlichung von wesentlichen Aussagen und Einschätzungen Ihrer Behörde zu wichtigen datenschutzrechtlichen Fragen genutzt haben. Wir alle wissen, dass die Aufarbeitung juristischer und einzelfallspezifischer Texte für die die allgemeine Öffentlichkeit einiges an zusätzlicher Arbeit erfordert, aber möglicherweise auch manche Frage der Bürgerinnen und Bürger ohne konkrete Anfrage klären kann. Diese Transparenz begrüßen wir BÜNDNISGRÜNE ganz ausdrücklich.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir haben in den vergangenen Monaten erlebt, dass Krisen auch immer zu Krisen der Rechtsstaatlichkeit und damit auch des Datenschutzes führen können. Deshalb muss dem Schutz unserer personenbezogenen Daten in den kommenden Jahren oberste Priorität eingeräumt werden. Zu stark sind gerade in Zeiten einer Pandemie Gründe in den Vordergrund gerückt, die ein Mehr an Datenerhebung, -speicherung und -übermittlung möglicherweise rechtfertigen, die aber nach der Pandemie wieder in den Hintergrund treten müssen. Sicherlich ist die Versuchung von Staat und Unternehmen groß, auf leicht verfügbare Lösungen zuzugreifen. Dass diese nicht immer datenschutzkonform sind, muss schnellstmöglich wieder ein Ausschlusskriterium sein.
Wir sind als Gesetzgeber, die Staatsregierung als Verordnungsgeberin und die Verwaltung im Vollzug verpflichtet, die Grundrechte und die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu wahren. An diesen verfassungsrechtlichen Auftrag sollten wir uns täglich und heute besonders mit dem Blick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erinnern.

Sehr geehrter Herr Schurig,
der diesjährige Tätigkeitsbericht ist der letzte, den Sie vorstellen. Seit Ihrem Amtsantritt im Jahr 2004 haben Sie 15 Tätigkeitsberichte für den öffentlichen und den nicht-öffentlichen Bereich veröffentlicht, drei davon durften Sie hier im Plenum vorstellen. Sie sind dreimal von diesem Haus mit großer Mehrheit gewählt wurden, Sie haben dem Datenschutz im Freistaat Sachsen 28 Jahre gedient, davon 18 Jahre als Behördenleiter.

Wir BÜNDNISGRÜNE möchte die heutige Aussprache daher auch nutzen, Ihnen ganz herzlich für diesen Dienst zu danken. Es ist ein Dienst an den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land und an ihren Grundrechten.

In Ihre Amtszeit fielen grundlegende Entscheidungen über die Aufgaben und Organisation Ihrer Behörde: Sie haben die Zuständigkeit als Kontrollbehörde für den nicht-öffentlichen Bereich übertragen bekommen und mussten mit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung eine neue Datenschutzarchitektur mit Leben füllen. Datenschutz war in aller Munde und Gegenstand großer Erregung. Mit dem Inkrafttreten ging auch die lange geforderte wirkliche Unabhängigkeit Ihrer Behörde einher. Ein Meilenstein – wie ich finde.

In Ihre Amtszeit fielen auch etliche politische brisante Großereignisse und Skandale, hier sei an die sogenannte Sachsensumpfaffäre erinnert, die Funkzellenabfrage im Februar 2011 oder der erneute Verfassungsschutzskandal wegen der Speicherung von Abgeordnetendaten. An diesen Ereignissen kann man gut nachvollziehen, warum rechtswidriges staatliches Handeln nicht selten auch eine datenschutzrechtliche Dimension hat. Gehen der Verfassungsschutz oder die Polizei und Staatsanwaltschaft über ihre rechtlichen Befugnisse hinaus, ist davon nicht selten das Grundrecht auf Datenschutz elementar betroffen.

Neben der umfassenden datenschutzrechtlichen Neuausrichtung nach dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung haben Sie viele Gesetzgebungsvorhaben kritisch begleitet.

In etlichen Polizeigesetznovellierungen wurden die polizeilichen Befugnisse, mit denen auch ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einhergeht, ausgeweitet. Nicht immer wurde dabei auf Ihren Rat gehört – und so muss manche Regelung von höherer Stelle überprüft werden.

Es sind aber eigentlich nicht die großen Skandale, die die Arbeit eines Datenschutzbeauftragten ausmachen. Es sind vor allem die eher kleinen, unscheinbaren Dienste. Wie wichtig ist ein kontrollierender Blick auf Behördenhandeln für die Bürgerinnen und Bürger, die sich als Petenten an Sie gewandt haben. Nicht selten waren Sie die letzte Instanz für Menschen, denen Ungerechtigkeit widerfahren ist.

Und es sind die vielen Absprache- und Gremienrunden, in denen Sie die Weichen für den Datenschutz gestellt haben, noch bevor beispielsweise ein Gesetzentwurf das Licht der Welt erblickt.

Lieber Herr Schurig,
wenn wir uns den Datenschutz als Schiff vorstellen, dann als eines, das fast immer gegen den Strom schwimmen muss und dem der Wind entgegenbläst. Als Kapitän dieses Schiffes haben Sie immer Kurs gehalten und den Wind gekreuzt, um vorwärts zu kommen. Sie haben mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Klugheit und Gelassenheit alle Untiefen umschifft und Ihr Ziel immer im Blick behalten. Wir sind Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet. Für Ihre Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute!

Vielen Dank!