Energieversorgung – Gerber: Erneuerbare sind die Lösung für dauerhaft günstige Energiepreise

Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Daniel Gerber (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Energie darf nicht Luxusgut werden: Mehrwertsteuer auf Energiepreise auf 7 Prozent senken – Energieversorgung sozial gerecht umbauen!“
45. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Donnerstag, 10.02.2022, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich bin bei der Vorbereitung auf diesen Antrag über einen für mich wirklich kaum begreiflichen Vergleich von Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zur Vermögensverteilung in Deutschland gestoßen.

Wenn man die Verteilung des Vermögens in Deutschland auf ein A4-Blatt auftragen würde, dann bekommt man 95 Prozent der deutschen Bevölkerung auf dieses Blatt. Das sieht ungefähr so aus wie eine Coronakurve. Erst kommt lange nichts, circa 10 Prozent wären sogar im Negativen und dann steigt es exponentiell. Das was mich so geschockt hat, ist, dass die reichste Familie in Deutschland 6,2 Kilometer über dem Blatt aufzutragen wäre.

Vor diesem Hintergrund der generellen Ungleichheit in Deutschland muss man sich natürlich der Frage stellen, ob lebensnotwendige Güter, zu denen Energie definitiv zählt, für die ärmsten Schichten der Bevölkerung bezahlbar bleiben. Von daher bin ich der Linksfraktion dankbar, dass wir darüber heute diskutieren.

Bevor ich zu den Lösungen komme, würde ich gern erstmal den aktuellen Zustand und die Gründe für diesen erklären.

Aktuell sind die Großhandelspreise für Strom und Gas auf sehr hohem Niveau, was sich auch auf die Verbraucherpreise durchschlägt. Viele Billigstromanbieter sind in den vergangenen Monaten Pleite gegangen, weil die Strombeschaffung zur Belieferung ihrer Kundinnen und Kunden kurzfristig zu teuer war. Nach Aussagen des BDEW betreiben Billiganbieter „Geschäftemacherei auf Kosten der Kunden und wälzen das ökonomische Risiko auf die Grundversorger ab.“ Viele Strom- und Gasverträge wurden kurzfristig gekündigt oder mit empfindlichen Preisaufschlägen versehen. In Deutschland fällt man zum Glück nicht einfach aus der Versorgung, da die Ersatz- und Grundversorgung einspringt. Aber auch die muss natürlich bezahlt werden und ist aktuell sehr teuer.

Übrigens auch noch mal zur Wiederholung: Ich habe das gestern schon mal gesagt, mit 70 Euro pro Megawattstunde geht nach der Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung der Löwenanteil dieser Preissteigerung auf die Knappheit des fossilen Energieträgers Gas zurück. Das hat wiederum seinen Ursprung in der aktuellen geopolitischen Lage, dem sinnlosen Nordstream 2-Projekt und der zu starken Abhängigkeit bei Gasimporten von Russland. Das Handeln von Personen wie Gerhard Schröder oder Klaus Ernst hilft zur Entspannung hier sicher nicht.

Bei dieser ganzen Debatte muss man allerdings wahnsinnig aufpassen, was man auf Landesebene fordert. Man muss dann nämlich auch liefern, sonst schafft man nur Frustration und Enttäuschung. Genau das macht der Linken-Antrag nicht.

Es gilt, klar zu unterscheiden zwischen kurzfristigen und langfristigen Lösungen.

Es gilt, jetzt kurzfristig zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen, um insbesondere den sozialschwächsten Familien und Haushalten und energieintensiven KMUs zu helfen und Energiearmut zu vermeiden. Es hat dazu auch bereits Round Table Formate mit den relevanten Playern gegeben und das für Sachsen Mögliche und Notwendige wurde selbstverständlich gebündelt nach Berlin übermittelt.

Wir unterstützen daher insbesondere die Maßnahmen, die in der Bundespolitik aktuell diskutiert und sich teilweise auch schon in Umsetzung befinden. Da ist zum einen der Heizkostenzuschuss zu nennen. Hier muss meiner Meinung nach sichergestellt werden, dass dieser nur für 2021 angebracht ist und für 2022 erneute Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Die Abschaffung der EEG-Umlage wurde auch aus Sachsen mit angeregt und soll vorgezogen werden. Das darf man aber auch nicht übers Knie brechen, denn es muss sichergestellt werden, dass diese Senkung auch bei den Endkundinnen und -kunden ankommt.

Aber auch andere Maßnahmen der Armutsprävention sind in diesem Kontext relevant, wie die Steigerung des Mindestlohns auf 12 Euro, die Anpassung der Hartz IV Sätze, die Kindergrundsicherung und der Kindersofortzuschlag. Es gibt im Bund aktuell mehr soziale Unterstützung als das in denvergangenen 16 Jahren der Fall war. Ich bin auch sehr dankbar, das die Energieminister und -ministerinnen der Länder gestern noch mal klar beim Bund adressiert haben, dass sie für alle, die sich Strom und Gas kaum mehr leisten können, mehr Unterstützung benötigen. Auch die Beratungsangebote der Sächsischen Energieagentur und der Verbraucherzentrale Sachsen möchte ich hier gern hervorheben.

Langfristige Ziele müssen selbstverständlich der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien sein. Hätten wir die Erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren ausgebaut statt ausgebremst, wären wir heute deutlich unabhängiger von Energieimporten aus autoritär regierten Ländern. Erneuerbare sind die Lösung für dauerhaft günstige Energiepreise. Hier kann auch die CDU auf Bundesebene diese Chance ergreifen. Herr Merz kann, wie er das schon im seinem Wahlkampf getan hat, die soziale Komponente der Energiewende fokussieren, anstatt sich in einer Zombiedebatte über Atomkraft der ewig Gestrigen zu verlieren.

Der Antrag der Linksfraktion ist aus verschiedenen Gründen nicht geeignet, um der aktuellen Situation zu begegnen. Er enthält massive Eingriffe in den Energiemarkt, die wir hier nicht mittragen können und nicht für zielführend halten.

Die Minderung der Mehrwertsteuer im Energiebereich würde gleichermaßen alle Energieträger vergünstigen, also auch klimaschädliche Kohle. Und sie wäre außerdem nicht zielgerichtet auf die Verbrauchergruppen, die besondere Unterstützung brauchen. Ja, auch die in 6,2 Kilometer Höhe befindlichen Menschen würden davon profitieren – und die verbrauchen bekanntlich am meisten Strom. Solche Schritte bedingen eine intensive Prüfung im nationalen Kontext und könnten durchaus die Situation langfristig verschlimmern, etwa durch eine weiter angeheizte Inflation. Es gilt der Grundsatz, dass langfristige und nicht zielgerichtete Subventionen vermieden werden sollten. Und ich finde solche weitreichenden Anträge kann man zumindest mal anhören, was sie nicht beantragt haben, bevor man die hier ins Schaufenster stellt.

Vor diesem Hintergrund und auch, weil aus unserer Sicht bessere und passgenauere Maßnahmen bereits auf Bundesebene geplant und umgesetzt werden, lehnen wir den Antrag ab.