Datum: 26. April 2023

Fachregierungserklärung Entwicklungspolitik – Čagalj Sejdi: Bekämpfung des Klimawandels spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklungspolitik

Redebeitrag der Abgeordneten Petra Čagalj Sejdi (BÜNDNISGRÜNE) zur Fachregierungserklärung zum Thema: „Zukunft gemeinsam entwickeln – Sachsens Beitrag für den Globalen Süden“
69. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 26.04.2023, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Sachsens Beitrag für den Globalen Süden“ – ein schönes und wichtiges Thema, um die heutige Plenarsitzung zu beginnen. Denn Entwicklungszusammenarbeit und -politik mit dem Globalen Süden sind heute wichtiger denn je!

Wir haben es schon in der Regierungserklärung gehört und ich kann das nur unterstützen: Die Probleme unserer heutigen Zeit können nicht mehr isoliert gesehen werden, sie betreffen uns alle – was im Globalen Süden passiert, betrifft uns ganz unmittelbar.

Das bedeutet auch, dass die Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik nicht nur den Partnerländern im Globalen Süden zugutekommt, sondern auch Sachsen selbst. Unser Engagement in Afrika oder Lateinamerika, trägt dazu bei, eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu fördern – und ermöglicht somit auch langfristig ein besseres Leben für uns alle.

Unser Engagement trägt auch dazu bei, dass Image von Sachsen als weltoffenes und solidarisches Bundesland zu stärken.

Zum Beispiel durch Entwicklungszusammenarbeit und Partnerschaften. Sie sind in der Entwicklungspolitik von großer Bedeutung, um die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in ärmeren Ländern zu verbessern. Dabei ist es jedoch unerlässlich, dass bei solchen Partnerschaften die Achtung der Menschenrechte und die Förderung von Nachhaltigkeit im Fokus stehen, ebenso wie die Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Vor allem die Bekämpfung des Klimawandels spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklungspolitik. Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit und einer der stärksten Gründe für Flucht aus Ländern im Globalen Süden.

Afrika ist vom menschengemachten Klimawandel besonders stark betroffen. Die Erderwärmung und ihre Folgen wie Dürrezeiten, Hitze, Überschwemmungen, Erdrutsche, Kämpfe um fruchtbares Land und vieles mehr machen das Leben vielerorts unmöglich und zwingen Menschen, ihre Land zu verlassen und eine neue Heimat zu suchen. Sie sind in Afrika stärker zu spüren als im weltweiten Durchschnitt, das besagte zum Beispiel der Bericht „The State of the Climate in Africa 2020“, den die Weltwetterorganisation (WMO) gemeinsam mit der Afrikanischen Union (AU) und anderen Partnern damals in Genf präsentierte. Laut der UNICEF sind rund 278 Millionen Menschen in Afrika von Hunger bedroht. Ende 2021 waren laut UNO Flüchtlingshilfe 7 Millionen Menschen aus Afrika auf der Flucht und es gab 25 Millionen Binnenvertriebene.

Von den Auswirkungen der Erderwärmung besonders betroffen sind Menschen in extremer Armut – und diese Zahl steigt rasant. Es wird davon ausgegangenen, dass bis zum Jahr 2030 schätzungsweise bis zu 118 Millionen extrem arme Menschen in Afrika von Dürre, Überschwemmungen und extremer Hitze betroffen sein werden, wenn bis dahin keine angemessenen Maßnahmen ergriffen werden. Dies schreibt Josefa Leonel Correia Sacko von der African Union Comission im Vorwort des Berichts der WMO und AU.

Klimawandel bekämpfen bedeutet: Fluchtursachen bekämpfen. Und wer heute vor Flüchtenden Angst macht und Grenzschließungen fordert, der sollte sich darüber im Klaren sein, dass unser Engagement gegen Flucht nicht an der Grenze zur EU beginnen kann, sondern bei der Bekämpfung des Klimawandels starten muss.

Es ist daher von großer Bedeutung, dass Klimapartnerschaften zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufgebaut werden, um gemeinsam Lösungen im Bereich des Klimaschutzes zu finden und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu unterstützen. Diese Partnerschaften müssen dabei auch sicherstellen, dass Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels gleichzeitig zur Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung beitragen, um langfristige und nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Ich befürworte es daher sehr, das Sachsen aktiv ist und Partnerschaften eingeht, wie zum Beispiel die bereits erwähnte Partnerschaft mit der Republik Uganda. Der Freistaat wird die Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Uganda auf unterschiedlichen Ebenen stärken. Dazu gehören unter anderem Kooperationen bei zivilgesellschaftlichen Aktivitäten sowie im Bereich der Wissenschaft und der beruflichen Bildung. Ebenso wird der Freistaat den Aufbau von Schul- und Kommunalpartnerschaften künftig unterstützen sowie die Zusammenarbeit von ugandischen und sächsischen Unternehmen stärken. Hierfür stellen wir für die Jahre 2023 und 2024 jeweils 200.000 Euro für die Zusammenarbeit mit Uganda bereit. Es ist bei allem Engagement besonders wichtig, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und auch einen Blick auf benachteiligte Gruppen, arme Menschen, Minderheiten und von Ausgrenzung betroffene Menschen zu haben – und besonders dort Strukturen und Unterstützungen zu stärken.

Ebenso ist es aber auch wichtig, dass wir als Freistaat kurzfristig helfen, wenn Hilfe benötigt wird, wie zum Beispiel in Syrien und in der Türkei nach dem Erdbeben oder bei anderen Katastrophen, gerade im Globalen Süden.

Es geht bei guter und erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit aber nicht nur um Hilfe bei Katastrophen, es geht natürlich auch um eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung. Und diese kann nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller Länder und Akteure erreicht werden. Hierzu gehört, dass Unternehmen Verantwortung für ihre gesamte Lieferkette übernehmen und sich für faire Arbeitsbedingungen und Umweltschutz einsetzen. Das europäische Lieferkettengesetz ist von großer Bedeutung im Rahmen der Entwicklungspolitik, da es sicherstellt, dass Unternehmen in Europa für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden entlang ihrer Lieferketten haftbar gemacht werden können. Es hilft, die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in den Lieferketten sicherzustellen, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und Menschenrechte von Arbeiterinnen und Arbeitern in Entwicklungsländern. Unternehmen, die gegen diese Standards verstoßen, müssen zur Verantwortung gezogen werden und müssen Maßnahmen ergreifen, um diese Missstände zu beheben.

Darüber hinaus fördert das Lieferkettengesetz auch den fairen Handel, indem es sicherstellt, dass die Arbeit der Menschen in Entwicklungsländern fair entlohnt wird und dass die Umweltbelastungen minimiert werden. Insgesamt trägt das Lieferkettengesetz somit dazu bei, dass Produkte, die in Europa verkauft werden, unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt werden und dass Kinderarbeit und andere Formen von Ausbeutung in den Lieferketten bekämpft werden. Bei allen Schwierigkeiten, die sächsische Unternehmen hier möglicherweise befürchten, muss trotzdem immer klar sein, dass Menschenrechte an erster Stelle stehen müssen und dass uns der Schutz der Menschen in Afrika auch hier in Sachsen betrifft.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz unterstützt den Kampf für Rechte von Menschen im Globalen Süden. Es ist gut, dass es jetzt endlich da ist, doch darf es nicht dazu führen, dass große Unternehmen die Verantwortung zum Nachweis über die Einhaltung von Menschenrechten an kleinere Unternehmen abgeben. Ziel darf es nicht sein, möglichst leicht um die Erfüllung der Anforderungen herumzukommen. Es muss viel mehr dazu führen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Wir brauchen einen Wandel in der Praxis von Unternehmen, durch den Menschenrechte in den Lieferketten deutscher Unternehmen abgesichert werden – einen Wandel, der dazu führt, dass alle Beteiligten gerne an den Verbesserungen mitarbeiten. Und dabei sind wir auch auf das Engagement von Vereinen, Initiativen und Zivilgesellschaft angewiesen, die hier in Sachsen in der entwicklungspolitischen Bildung aktiv sind und sich mit Bildungsangeboten für mehr Bewusstsein und ein Umdenken einsetzen.

Zur Bildungspolitik in der Entwicklungszusammenarbeit gehört auch die Weiterbildung im Bereich der Kolonialgeschichte. Die europäische Kolonialgeschichte und die heutige Entwicklungspolitik stehen in engem Zusammenhang. Viele der ehemaligen Kolonialmächte haben jahrzehntelang Rohstoffe und Arbeitskräfte aus ihren Kolonien ausgebeutet und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung dieser Länder behindert. Die Entwicklungspolitik hat daher die Aufgabe, diese Ungleichheiten abzubauen und die Länder des Globalen Südens in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu unterstützen.

Hier vor Ort bei uns hat sie die Aufgabe, über die deutsche Kolonialgeschichte aufzuklären – sie endlich zu einem zentralen Thema und uns unserer Verantwortung bewusst zu machen. Koloniale Denk- und Ordnungsmuster bestehen weiterhin fort. Sie manifestieren sich durch ökonomische Ungleichheitsverhältnisse, kulturelle Hierarchien und kolonialrassistische Praktiken. Das ist leider auch heute noch an vielen Stellen so. Deshalb ist es wichtig, dass auch in Sachsen Institutionen ihre koloniale Vergangenheit offen legen. Dass sie bereit sind, sich allumfassend damit auseinanderzusetzen und dass sie auch für eine Debatte um die Geschichte bereit sind. Leider erleben wir es noch viel zu oft, dass genau diese Auseinandersetzung zu bestimmten Teilen abgelehnt wird – aus der falschen Vorstellung heraus, man könne sich mit einer Ablehnung vom vermeintlichen Vorwurf befreien. Doch ist es gerade die offenen Auseinandersetzung und Aufarbeitung, die Vertrauen schafft und Verantwortung übernimmt. Als Freistaat müssen wir diese Bemühungen unterstützen und Vereine und Initiativen, die hier aktiv sind, in ihrer Arbeit fördern – auch das gehört zur Verantwortung für den Globalen Süden.

Auch Provenienzforschung ist im Rahmen der europäischen Kolonialgeschichte von entscheidender Bedeutung, da sie dazu beiträgt, die historischen Zusammenhänge zwischen Europa und den Kolonialgebieten besser zu verstehen. Die Aufarbeitung der Provenienz von Objekten und Kunstwerken, die während der Kolonialzeit erworben wurden, ermöglicht es, die Umstände ihrer Entstehung und ihres Transports sowie die Rolle der Kolonialmächte in diesem Prozess zu untersuchen. Die Rückgabe von geraubten Kulturgütern und die Schaffung von Zugänglichkeit zu der gemeinsamen Geschichte sind die Maßnahmen, die durch die Provenienzforschung in der europäischen Kolonialgeschichte initiiert werden können. Damit kann eine offene und transparente Auseinandersetzung mit der Kolonialvergangenheit Europas erreicht werden.

Ich habe hier nur einen Teil der Handlungsfelder aufgezählt, in denen wir im Rahmen einer verantwortlichen Entwicklungszusammenarbeit aktiv sein und bleiben müssen. Wir dürfen die Augen nicht vor den Herausforderungen verschließen, die Millionen von Menschen auf der ganzen Welt betreffen. Wir müssen zusammenarbeiten, um:

  • eine nachhaltige Entwicklung zu fördern,
  • den Klimawandel zu bekämpfen,
  • faire Handelsbedingungen zu schaffen und
  • den Kampf gegen Armut und Kinderarbeit fortzusetzen.

Entwicklungspolitik bedeutet für uns in Sachsen, uns auf den Weg zu einer gerechteren, verantwortungsbewussteren und nachhaltigeren Welt zu machen. Wir haben die Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen und den Weg für eine bessere Zukunft zu ebnen. Lassen Sie uns diese Möglichkeiten auch in Zukunft angehen!