Fachregierungserklärung moderne Verwaltung – Lippmann: Eine starke Verwaltung braucht mehr Digitalisierung UND gutes Personal
Redebeitrag des Abgeordneten Valentin Lippmann (BÜNDNISGRÜNE) zur Fachregierungserklärung: „Wir machen Zukunft – Moderne Verwaltung als Standortvorteil für den Freistaat Sachsen“
73. Sitzung des 7. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 05.07.2023, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
die Frage, was eine zukunftsfähige und moderne Verwaltung ist, ist so alt wie die Idee des Staates selbst. Seit in der frühen politischen Philosophie und schon weit zuvor in der gesellschaftlichen Praxis der Staat als Topos seinen Siegeszug antrat, bewegte sich in seinem Geleitzug auch stets eine mehr oder minder große Verwaltung als entscheidende Grundlage der staatlichen Aufgabenerfüllung. Die Frage, wie diese organisiert sein soll, hat eine eigene Wissenschaft und nicht zuletzt Max Webers Bürokratietheorie hervorgebracht, die ich all jenen zur Lektüre und als theoretische Grundierung anempfehle, die meinen, eine geordnet funktionierende Verwaltung wäre bloßer verzichtbarer Ballast in einem Rechtstaat.
Was macht, was zeichnet eine moderne Verwaltung im 21. Jahrhundert aus, gerade auch mit Blick auf die aktuelle Situation im Freistaat?
Erstens: Eine moderne Verwaltung braucht ausreichend Personal für die Aufgaben, die sie zu erfüllen hat.
Eine leistungsfähige, moderne Verwaltung ist einer der zentralen Grundpfeiler eines funktionierenden Rechtsstaates – und damit essenziell für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat. Die teuerste Verwaltung ist die, die es nicht gibt, weil sie das so wichtige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat untergräbt und weil sie das zentrale Dienstleistungsversprechen nicht mehr ausreichend erfüllt, welches auch für die Wirtschaft und damit auch für Sachsen als Wirtschaftsstandort essenziell sind. Um es plastisch zu machen: Die Zahl der Bediensteten entscheidet mit über die Frage, ob Deutschlandtempo oder Schneckentempo.
Es gibt kein entweder/oder zwischen starker Wirtschaft und starker Verwaltung. Es gibt nur ein klares und. Das ist auch der Grundsatz, mit dem wir als Koalition angetreten sind.
Denn viel zu lange wurde die Verwaltung vor allem als Kostenfaktor verstanden, den es zu reduzieren galt. Diese Entscheidungen wirken bis heute nach: Der Einstellungsstopp hat dafür gesorgt, dass es zukünftig geballt Altersabgänge geben wird. Neues Personal zu finden, das die freiwerdenden Stellen besetzt, stellt in Zeiten des allgegenwärtigen demografischen Wandels eine besondere Herausforderung dar.
Im vergangenen Jahr wurde deswegen die Strategiekommission Organisation/Personal, die SKOP, eingesetzt. Ein Meilenstein hin zu einer langfristigen Personalplanung im Freistaat, mit dem diese Koalition einen wirklichen Paradigmenwechsel in der Personalplanung eingeleitet hat. Ein integriertes, laufbahnübergreifendes und ressortübergreifendes Personalkonzept ermöglicht es uns, im Kampf um die besten Köpfe nicht mehr im Blindflug zu agieren und langfristig eine leistungsfähige Verwaltung zu sichern.
An dieser Stelle will ich aber auch noch deutlich machen: Eine moderne Verwaltung muss digital sein – dazu wird mein Kollege Dr. Gerber noch ausführen. Wovor ich an dieser Stelle aber erneut warnen möchte, ist der Irrglaube, die Digitalisierung könne gutes Personal ohne weiteres ersetzen. Auch hier gibt es kein entweder/oder. Eine starke Verwaltung braucht mehr Digitalisierung und gutes Personal.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist aber damit umso klarer, dass wir zweitens nicht nur ausreichend, sondern auch das beste Personal für unsere Verwaltung brauchen. Unsere Prämisse lautet: Die besten Köpfe für eine starke freiheitliche Demokratie.
Die Bilanz aus fast vier Jahren Regierung sieht also schon sehr vielversprechend aus. Und trotzdem gibt es auch noch viel zu tun.
Mit dem Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz haben wir vergangenes Jahr auch den Auftrag der SKOP erweitert. Sie soll zukünftig wirksame Maßnahmen zur Verwirklichung der Chancengerechtigkeit in der Landesverwaltung erarbeiten.
Die gezielte Förderung von Frauen ist kein nice to have, sondern essenziell für eine vielfältige und moderne Verwaltung im 21. Jahrhundert. Das neue Gleichstellungsgesetz soll dazu beitragen, dass sich das ändert. Denn nur eine Verwaltung, die Gleichstellung lebt, ist ein attraktiver Arbeitgeber für Frauen.
Mobiles Arbeiten und eine flexible Arbeitszeitgestaltung helfen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Care-Arbeit und kommen bei weitem nicht nur der Gleichstellung zugute, sondern verbessern die Arbeitsbedingungen für alle Bediensteten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Staat und seine Institutionen sind kein Selbstzweck. Sie dienen einem Leben in Gleichheit und Freiheit. Dieses Selbstverständnis muss allen Bediensteten mitgegeben werden.
Auch deswegen ist eine gute Aus- und Fortbildung das Fundament eines zukunftsorientierten öffentlichen Dienstes. Die Stärkung der FH Meißen ist eines unserer Kernprojekte in diesem Bereich. Seien es die Möglichkeiten, Drittmittel einzuwerben und Forschungsinstitute einzurichten, oder die Bereitstellung von Haushaltsmitteln zur Erarbeitung eines Strategieprozesses. Damit ist noch lang nicht alles erreicht, was ich mir für diese Verwaltungshochschule als Flaggschiff erhoffe – aber es sind erste große Schritte, um den öffentlichen Dienst im Freistaat in eine gute Zukunft zu bringen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Verwaltung in einer freiheitlichen Demokratie braucht die überzeugtesten Demokratinnen und Demokraten in ihren Reihen und darf das Gegenteil nicht dulden!
Die vergangenen Wochen haben uns wieder deutliche vor Augen geführt, dass unsere freiheitliche demokratische Grundordnung nicht selbstverständlich ist, dass sie auch von Innen ausgehöhlt werden kann. Deswegen müssen wir entschlossen gegen Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst vorgehen. Eine lebendige Demokratie braucht überzeugte Demokratinnen und Demokraten – und das nicht nur in der Zivilgesellschaft. Gerade auch auf den Richterbänken und in den Behörden müssen Menschen mit Verfassungsethos sitzen.
Wir wollen keine Bediensteten, die den Werten, die sie verwirklichen sollen, gleichgültig gegenüberstehen. Wir wollen Staatsbedienstete ausbilden, die den freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat nicht nur affirmieren, sondern für ihn eintreten, ihn leben und vielleicht sogar lieben. Genau dieses Bild einer modernen demokratischen Verwaltung werden wir weiter voranbringen.
Aber es ist auch ganz klar: Der Kampf nach Innen darf nicht nachlassen, sondern muss entschieden geführt werden. Wer nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht, hat im Staatsdienst nichts verloren. Gemeinsam mit dem Justizministerium und dem Innenministerium werden wir in den kommenden Monaten dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde gar nicht erst in den Staatsdient gelangen oder zügig aus ihm entfernt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren,
gemeinsam mit Herrn Prof. Popp, gemeinsam mit allen Ressorts haben wir in den vergangenen Jahren in dieser Koalition den sichtbaren Weg für eine neue Personalpolitik eingeschlagen und werden diesen entschieden weitergehen. Diesen möchte ich zum Schluss zusammenfassen mit:
Für unseren freiheitlichen demokratischen Rechtstaat kann nur gelten: Ausreichend von den besten, die überzeugt sind.
Vielen Dank!